Rede · 21.06.2019 Wohnungs- und Obdachlose brauchen unsere dauerhafte Unterstützung

Wir brauchen tiefgreifende Reformen. Und Bund und Land müssen für diese wichtige Aufgabe noch mehr Geld in die Hand nehmen, als bisher. Das wird sich schon mittelfristig wieder auszahlen.

Flemming Meyer zu TOP 45 - Mehr Hilfen für wohnungs- und obdachlose Bürgerinnen und Bürger (Drs. 19/1531)

Aus Sicht des SSW ist der vorliegende Antrag aller demokratischen Parteien nur konsequent. Wir können nicht dulden, dass in unserer Wohlstandsgesellschaft Menschen Leben, die nicht wissen, wo sie schlafen sollen. Deshalb unterstützen wir natürlich auch den längerfristigen Einsatz des Landtags für Obdach- und Wohnungslose und die angestrebte Kooperation mit Trägern und Kommunen. Ich freue mich ehrlich darüber, dass wir gemeinsam mehr für diese Menschen tun wollen. Aber um hier wirklich Fortschritte zu erzielen, müssen eben auch alle staatlichen Ebenen enger zusammenarbeiten.

Gerade wohnungslose Menschen werden oft in verschiedensten Lebensbereichen ausgegrenzt. In Zeiten, in denen Wohnraum knapp ist, haben sie kaum Chancen, eine Wohnung zu finden. Damit bleibt Ihnen in aller Regel der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt. Auch die Gesundheitsversorgung ist dann für viele nicht mehr bezahlbar. Und wer erstmal ganz ohne Unterkunft auf der Straße lebt, muss nicht nur verbale sondern oft auch körperliche Gewalt und Diskriminierung fürchten. Eine Wohnung ist für diese Menschen von zentraler Bedeutung, wenn sie diesen Teufelskreis durchbrechen wollen. 

Ich denke, die Empfehlungen des Sozialausschuss machen gleichzeitig deutlich, wie vielfältig die Herausforderungen bei der Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind: Es fängt schon damit an, dass es bis heute keine wirklich belastbaren Zahlen zum Thema gibt. Hieran muss sich dringend etwas ändern. Denn nur wenn wir wissen, wie viele Menschen auf der Straße oder in Notunterkünften leben, und nur wenn wir wissen, aus welchen Gründen Menschen von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit bedroht sind, können wir ihnen auch wirkungsvoll helfen. Daneben muss aber eben auch der Bau bezahlbarer Wohnungen vorangetrieben und die Informationsmöglichkeiten für Betroffene und Vermieter verbessert werden. 

Als Sozialpolitiker bin ich natürlich der Meinung, dass man bei diesem Thema immer noch mehr tun kann. Aber im Gegensatz zu manch anderem Vorschlag, der hier in der Vergangenheit diskutiert wurde, geht es heute immerhin um eine Verstetigung der Hilfen. Das ist unheimlich wichtig. Darauf habe ich immer wieder hingewiesen. Wir müssen Wohnungs- und Obdachlosen nicht nur Angebote machen, die sie in ihrer Lebenswirklichkeit erreichen. Sondern wir müssen durch unsere sozialpolitischen Maßnahmen auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie ein sinnerfülltes Leben in Würde führen können. Da ist es nun mal extrem wichtig, diese Menschen möglichst schnell in eine Wohnung zu bringen. Nur so können wir sie in die Gesellschaft integrieren. Das schaffen wir nicht, indem wir ihnen im Winter einen Container hinstellen. 

Bei aller Einigkeit und unserem gemeinsamen Antrag muss eins klar sein: Wenn wir dauerhaft verhindern wollen, dass Menschen auf der Straße leben brauchen wir umfassende Veränderungen in der Wohnungs- und Sozialpolitik. Es ist und bleibt Fakt, dass es an sozialem und bezahlbarem Wohnraum fehlt. Im Vergleich zur Jahrtausendwende gibt es über eine Million Sozialwohnungen weniger. Und es gibt weiterhin viel zu wenig Klein- und Kleinstwohnungen. Vor diesem Hintergrund kann man zumindest seine Zweifel daran haben, ob die Ablehnung unseres Wohnraumschutzgesetztes oder die Abschaffung der Mietpreisbremse das richtige Signal sind. Aus Sicht des SSW müssen wir in Sachen Wohnungsbau jedenfalls noch deutlich mehr tun. 

Aber auch die Armutsrisiken werden noch längst nicht wirkungsvoll genug bekämpft. Die Kinderarmut ist auf einem beschämend hohen Niveau. Auch atypische und prekäre Beschäftigungsformen nehmen zu. Und damit auch Spätfolgen wie die Altersarmut. Gleichzeitig sind viele Sozialleistungen schlicht und einfach zu gering, um vor Armut zu schützen. Deshalb reicht es aus unserer Sicht nicht, immer mal wieder an Symptomen herumzudoktern. Wir brauchen tiefgreifende Reformen. Und Bund und Land müssen für diese wichtige Aufgabe noch mehr Geld in die Hand nehmen, als bisher. Das wird sich schon mittelfristig wieder auszahlen. 

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