Rede · Christian Dirschauer · 28.10.2020 Wir müssen Lehren aus der Schweinefleisch-Krise ziehen
Wir wollen die Transportzeiten aus Gründen des Tierwohls verringern und schaffen damit gleichzeitig den Effekt, dass wieder mehr regionale Veredlungsstätten bei uns im Land aufgebaut werden müssen. Damit würden wir Arbeitsplätze im Land schaffen, den regionalen Markt stärken, das System wäre breiter aufgestellt und dadurch in der Krise stabiler.
Rede zu Protokoll gegeben
Christian Dirschauer zu TOP 48 - Aktuelle Situation der schweinehaltenden Betriebe in Schleswig-Holstein in Folge von Corona und Afrikanischer Schweinepest (ASP),
(Drs. 19/2510)
Letzte Woche wurde im Agrar- und Umweltausschuss von Seiten des MELUND über die aktuelle Lage der Afrikanischen Schweinepest sowie über die coronabedingte Absatz- und Schlachtproblematik bei der Schweineproduktion berichtet. Für den SSW möchte ich mich über den ausführlichen Bericht bedanken. Es gab hierzu keine kontroversielle Diskussion im Ausschuss und mein Eindruck war, dass alle Ausschussmitglieder sich der Situation bewusst sind, in der sich unsere schweinehaltenden Betriebe derzeit befinden. Jeder Landwirt, der in irgendeiner Form mit der Haltung von Schweinen zu tun hat, sieht einer Zukunft entgegen, die er nicht abschätzen oder beeinflussen kann und für viele von ihnen geht es mittlerweile um die nackte Existenz.
Mit bekannt werden der Ausbrüche der ASP in osteuropäischen Ländern, war klar, dass es letztendlich nur eine Frage der Zeit war, bis die ASP auch Deutschland erreichen würde. Die Übertragungswege der ASP sind so unterschiedlich und vielfältig, dass eine totale Isolation unmöglich ist. Koordiniertes Vorgehen und Maßnahmen auf allen Ebenen und länderübergreifend wurde in die Wege geleitet, um die Ausbreitung des Virus so gut wie möglich zu verhindern oder sie einzudämmen. Das ASP-Management wurde früh in die Wege geleitet und zwischen Behörden, Landwirten und Jägern koordiniert. Das Land Schleswig-Holstein hat 250 Tsd. Euro in ASP-Maßnahmen investiert. Doch seit dem 10. September ist Deutschland nicht mehr ASP-frei.
Die Auswirkungen waren umgehend für die Landwirte spürbar. Die Nachfrage nach Schweinefleisch ist eingebrochen und die Preise für Ferkel und Schweine sind drastisch gesunken. Mehrere Länder haben bereits den Import von Schweinefleisch aus Deutschland ausgeschlossen. Damit ist unter anderem der gewaltige Absatzmarkt in China weggebrochen. Auch wenn in Schleswig-Holstein derzeit keine ASP-Funde bekannt sind, so sind unsere Landwirte in der Krise mitverhaftet.
Diese Situation war für unsere Landwirte schon schlimm genug, aber Corona hat noch einen draufgesetzt. Der Lockdown von Schlachtzentralen in Nordrheinwestfalen und Niedersachsen hat dazu geführt, dass keine Schweine mehr angenommen werden konnten. Das hat eine Kettenreaktion hervorgerufen, die jeden Laien überrascht hat, die aber deutlich macht, wie genau die Schweineproduktion getaktet ist. Alle waren plötzlich vom Lockdown der Schlachtzentralen betroffen, von den Mastproduzenten bis zu den Ferkellieferanten. Wer keine Mastschweine zum Schlachthof bringen kann, kann keine Ferkel aufnehmen. Dadurch entsteht ein Rückstau bis hin zu den Ferkelproduzenten.
In dieser fatalen Situation schlägt dann plötzlich die Bürokratie zu, die sagt, dass die Tiere aufgrund ihrer heranwachsenden Größe nun zu wenig Platz haben. Wir haben klare Regeln, die vorschreiben wieviel Platz ein Tier braucht. Das erscheint manchem zu wenig, aber ich finde nicht, dass jetzt die Zeit ist über Platzbedarf und Haltungsformen zu streiten. Diese Situation haben nicht die Landwirte herbeigeführt.
Wie fragil dieser Kreislauf ist, zeigt sich nun in der Krise. Die Absatzmärkte brechen weg aufgrund der ASP und große Schlachtzentralen werden wegen Corona geschlossen. Leidtragende in dieser Situation sind unsere Landwirte, die getrieben sind auf Masse zu produzieren. Aus dieser Form der Landwirtschaft müssen wir endlich ausbrechen. Wir brauchen endlich andere Kriterien für unsere Landwirtschaft, statt immer nur auf Masse zu setzen. Doch leider müssen wir erkennen, dass auch die neue EU-Agrarreform nicht den Mut oder Willen hat, einen neuen Weg zu gehen. Statt dessen wird am alten System weitestgehend festgehalten.
Wie schwer es ist, den Mut für Neues aufzubringen zeigt sich auch hier im Landtag. Unser Antrag zur Begrenzung der Transportzeiten wurde abgelehnt. Unter anderem mit der Begründung, Schlachthöfe außerhalb Schleswig-Holsteins wären somit nicht mehr erreichbar. Richtig! Das ist auch so gewollt. Wir wollen die Transportzeiten aus Gründen des Tierwohls verringern und schaffen damit gleichzeitig den Effekt, dass wieder mehr regionale Veredlungsstätten bei uns im Land aufgebaut werden müssen. Damit würden wir Arbeitsplätze im Land schaffen, den regionalen Markt stärken, das System wäre breiter aufgestellt und dadurch in der Krise stabiler. Wir müssen Lehren aus der Krise ziehen. Ein weiter so darf es nicht mehr geben.