Rede · Lars Harms · 11.12.2024 Wir können und müssen diese krisenhaften Situationen bewältigen

„Wir können die Herausforderungen meistern, wenn wir unsere Einnahmesituation verbessern, wir in wirklich großem Umfang entbürokratisieren, wir unsere ausländischen Mitbürger integrieren und wir die Klimawende sozial abfedern.“

Lars Harms zu TOP 1+28 - Regierungserklärung zum Thema „Ideen – Chancen – Schleswig-Holstein“ sowie Bericht Halbzeit für die Günther-Regierung (Drs. 20/2742)

Meine Vorredner aus der Opposition haben ja schon deutlich gemacht, wo sie Unzulänglichkeiten im Regierungshandeln sehen. Und natürlich stellen die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen ihre erste Hälfte der Wahlperiode uneingeschränkt positiv dar. Ich glaube, dass die Vergangenheitsbewältigung – um es einmal so zu sagen – ehrlicherweise schwierig ist. Man muss zugestehen, dass die Herausforderungen mit der Ostseeflut, den Nachwirkungen von Corona und dem anhaltenden Ukraine-Krieg besonders waren. Auf der anderen Seite hätten auch wir uns in bestimmten Fällen andere Ergebnisse erhofft. So zum Beispiel beim Kita-Gesetz. Eine Entlastung der Eltern wäre auch vor dem Hintergrund der eben genannten Krisen sicherlich richtig gewesen.

Wir könnten jetzt natürlich schon heute die Haushaltsberatungen vorwegnehmen und uns unsere finanzpolitischen Vorstellungen um die Ohren hauen. Ich glaube allerdings, dass wir uns zumindest die Einzelberatungen für die Januarsitzung aufbewahren sollten. Lassen Sie mich deshalb hier etwas grundsätzlicher vorgehen. Uns hilft weniger ein Blick zurück als ein Blick voraus. Was muss eigentlich jetzt geschehen, damit wir krisenhafte Situationen bewältigen können?

Und da ist eines klar. Mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, kommen wir definitiv nicht aus, wenn wir den Rechtsstaat schützen, die Bildungsgerechtigkeit ausbauen und die Infrastruktur nicht versauern lassen wollen. Und mit Infrastruktur meine ich nicht nur Steine, Asphalt und Beton, sondern auch die kulturelle, sportliche und soziale Infrastruktur. Wir werden das alles nicht erhalten oder gar weiterentwickeln können, wenn wir nicht bedeutende Mehreinnahmen generieren. Und da sind wir dann bei der Schuldenbremse. Wir haben einen Antrag vorgelegt, die Schuldenbremse zu reformieren und wir erwarten, dass die Landesregierung jetzt nach der Bundestagswahl umgehend eine Bundesratsinitiative zur Reform der Schuldenbremse auf den Weg bringt. Alles andere schadet dem Land!

Und wenn wir schon bei der Einnahmeverbesserung sind, dann muss auch eine Vermögenssteuer und das Schließen von Steuerschlupflöchern auf die politische Agenda kommen. Wir könnten so mehrere hundert Millionen Euro mehr einnehmen als bisher. Da kann man die Augen nicht vor verschließen. Wir brauchen eine Bundesratsinitiative zur Einführung einer Vermögenssteuer! Das hat die Landesregierung bisher nicht gemacht und auch das schadet dem Land.

Man kann sich da auch nicht wegducken. Wir wollen doch alle eine gute und qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung. Für uns wäre das eigentlich ein Highlight der zweiten Hälfte der Wahlperiode. Die Kommunen sind gesetzlich ohnehin verpflichtet, eine ausreichende Ganztagsbetreuung zu gewährleisten und wir als Land unterstützen die Kommunen bisher. Dann muss aber auch gesagt werden, welche Angebote wie ermöglicht werden sollen. Es muss gesagt werden, welche pädagogischen Schwerpunkte hier gesetzt werden sollen. Und es muss festgelegt werden, welche Betreuungsdauer hier ermöglicht werden soll. Das sind aber auch alles Fragen, die mit Geld verbunden sind. Hier zu meinen, dass das hoffentlich alles nicht so teuer wird und wir keine zusätzlichen Mittel brauchen, wäre blauäugig. Und eine Landesregierung sollte auf gar keinen Fall blauäugig da rein gehen! Deshalb müssen wir hier ganz klar den Bund in die Pflicht nehmen, seinen Anteil an der Ganztagsfinanzierung zu erbringen. Wir zahlen schon – das ist gut und richtig – aber wir müssen weiter Druck auf den Bund machen, damit auch er sich angemessen beteiligt.

Sie sehen schon, Einnahmeverbesserungen sind unabdingbar. Und dazu zählt natürlich auch, dass wir die Wirtschaft von bürokratischen Hemmnissen entfesseln, um so mehr Wirtschaftskraft auszulösen und damit mehr Steuereinnahmen zu generieren. Das wäre für uns ein zweiter Schwerpunkt. Statt über Entbürokratisierung nur zu reden, sollten wir lieber endlich handeln. Wir haben vorgeschlagen, auf eine Legalplanung ähnlich wie in Dänemark umzusteigen, um Infrastrukturprojekte gemeinsam mit der Wirtschaft schneller und unbürokratischer umzusetzen. Auch hier ziert sich die Landesregierung. In Sonntagsreden heißt es immer wieder, wie toll es ist, so schnell wie in Dänemark Planungen auch umzusetzen. Wenn es dann aber zum Schwur kommt, dann schlagen sich wieder alle in die Büsche und es geschieht – nichts! Diese Blockadehaltung muss die Landesregierung in jedem Fall aufgeben!

Und nun mag man sagen, dass das ein ganz großer Wurf sei. Aber wir finden, der ist jetzt auch fällig. Wer es etwas kleiner haben will, der muss zumindest für sich selbst festlegen, dass EU-Regelungen nicht dauernd übererfüllt werden. Ein solches Moratorium würde wirklich der Wirtschaft, aber auch den Verwaltungen sehr entgegenkommen. Es gibt schon zu viele Vorschriften. Da kann man gerne auch noch auf die Übererfüllung dieser Vorschriften verzichten. Es wäre ein einfacher Beschluss dieser Landesregierung, hier Maß halten zu wollen. Es wäre ein kleiner Schritt für die Landesregierung, aber ein großer Schritt für die heimische Wirtschaft!

Wir kommen nicht umhin, Planungshemmnisse abzubauen, komplizierte Verwaltungsvorschriften zu vereinfachen und zum Beispiel auch beim Bauen Hemmnisse abzubauen. Das, was in der Landesbauordnung an Erleichterungen beschlossen wurde, ist o.k. und wurde ja auch von uns mitgetragen. Aber es ist einfach nicht genug. Gerade wenn wir das Bauen erleichtern und wieder attraktiv machen, wird sich dies nicht nur positiv auf dem Wohnungsmarkt auswirken, sondern auch die Wirtschaft direkt hier im Land ankurbeln. Wir müssen Bauen erleichtern und wir müssen Bauen finanziell unterstützen! Die Vorschläge aus der Bauwirtschaft, von den Wohnungsunternehmen und von den Genossenschaften liegen vor! Und auch da geht noch viel mehr als bisher!

Den dritten Schwerpunkt, der für uns wichtig ist, möchte ich mit Integration und Teilhabe überschreiben. Es geht um die Integration von ausländischen Mitbürgern. Schon seit Anfang der Legislaturperiode liegt von uns ein Gesetzentwurf zur Verbesserung der jetzigen gesetzlichen Regelungen vor. Wir wollen hier insbesondere die rechtliche Grundlage schaffen, dass jeder ausländische Mitbürger, gleich welchen Status er hat, einen kostenlosen Sprachkurs belegen kann. Das ist immer noch der Schlüssel zur Integration und da wird zwar schon einiges getan, aber da geht noch mehr. Und das gilt auch für die Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wie das gehen kann und wie man vor allem auch unkompliziert praktische Fähigkeiten nachweisen kann. Aber die richtigen gesetzlichen Grundlagen für so etwas gibt es leider bis heute nicht. Hier erwarten wir wirklich, dass wir uns schnell an das Integrations- und Teilhabegesetz heranmachen, um hier noch besser Integration fördern zu können.

Lassen Sie mich deshalb hinüberwandern zur nächsten Baustelle: dem DAZ-Unterricht. Hier, glaube ich, müssten wir einen Schwerpunkt bei der Integrationsarbeit leisten. Und ich weiß natürlich, dass Fachkräfte rar sind und dass wir hier große Herausforderungen haben. Aber alles, was wir hier im Vorwege aufbauen, fällt uns später nicht vor die Füße. Deshalb müssen wir finanziell, aber auch inhaltlich jede Möglichkeit nutzen, um mehr DAZ-Unterricht zu ermöglichen.

Im Übrigen, wenn wir schon bei der Bildung sind, dann muss man sagen, dass es mehr als problematisch ist, Lehrerstellen an Beruflichen Schulen abzubauen. Wir können nicht einerseits sagen, dass wir die duale Ausbildung stärken wollen und dann genau an dieser sparen. Dadurch, dass berufliche Bildung ohnehin in der nächsten Zeit zentralisiert wird, wird diese für manche unattraktiver. Wenn dann noch die Lehrer fehlen, bekommen wir noch größere Schwierigkeiten. Wir werden unsere Wirtschaft nicht nur mit Akademikern aufrechterhalten können. Wir müssen auch an die ganz normale Berufsausbildung denken. Und das fängt schon an den allgemeinbildenden Schulen an. WIPO-Unterricht einschränken, bedeutet nicht nur, dass ein paar Schulstunden umstrukturiert werden, sondern auch, dass wichtiges Wissen im Bereich Wirtschaft und Gesellschaft nicht vermittelt wird. Das ist für die Wirtschaft und die Berufsausbildung fatal, aber eben auch für unseren Kampf für die Demokratie. Insofern geht es auch hier noch einmal darum, dieser Entwicklung entgegenzusteuern.

Kommen wir zum vierten großen Thema, das uns umtreiben sollte, nämlich: die Klimawende. In den meisten Fragen, was den Klimaschutz angeht, sind wir grundsätzlich alle einer Meinung. Wichtig für uns ist, dass der Dreck, den wir machen, nicht unter den Teppich gekehrt wird, sondern dass der Dreck vermieden wird. Alle Anstrengungen müssen darauf ausgerichtet sein, nachhaltig mit unserer Natur umzugehen. CCS ist da definitiv der falsche Weg. Wir verschieben die Probleme hier auch nur in die Zukunft, indem wir CO2 unter dem Meer oder gar unter das Festland verpressen. Irgendwann kommt es wieder hoch und dann müssen sich andere Generationen darum kümmern. Insofern gelten hier die gleichen Argumente wie bei der Atomkraft. Es macht keinen Sinn, Energie oder Produkte auf Kosten späterer Generationen zu produzieren, indem man die entstandenen Schadstoffe über Millionen Jahre in Fässern einlagert oder einfach unter der Nordsee verpresst. Wer das macht, will am überkommenen Wirtschaften festhalten und das ist der falsche Weg. Deshalb muss eine Landesregierung aktiv dafür kämpfen, dass CCS nicht stattfindet und dass wir nicht wieder in die Atomkraft einsteigen!

Und noch ein Letztes zur Klimawende: Wir müssen weg davon, nur immer darauf zu schauen, was technisch geht, ohne die sozialen Folgen zu berücksichtigen. Wer die Klimawende will, der muss die Menschen mitnehmen und der muss dafür sorgen, dass die Klimawende für die Menschen bezahlbar bleibt. Wir sehen jetzt, dass die Maßnahmen des Klimaschutzes beim Bauen, beim Wohnen, bei der Mobilität und bei der Energieversorgung für weite Bevölkerungskreise nicht zu tragen sind. Und die Schlussfolgerung darf dann eben nicht sein: „Pech gehabt, wenn Du es Dir nicht leisten kannst“, sondern „Wir unterstützen Dich, damit Du an der Klimawende teilhaben kannst und Lust hast, Dich selbst zu engagieren!“ Kurz gesagt: weniger Verbote und mehr Angebote. Ich glaube, da brauchen wir wirklich einen Wechsel in der Herangehensweise und auch hier sollte die Landesregierung mit gutem Beispiel voran gehen!

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt große Herausforderungen. Aber wir können die Herausforderungen meistern, wenn wir unsere Einnahmesituation verbessern, wir in wirklich großem Umfang entbürokratisieren, wir unsere ausländischen Mitbürger integrieren und wir die Klimawende sozial abfedern.

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