Rede · Lars Harms · 19.06.2020 Unsere Antworten auf die Corona-Krise stellen die Weichen für unsere Zukunft

„Die verschiedenen Anträge unterliegen unterschiedlichen Finanzierungsregimen. Vieles bleibt nach wie vor wünschenswert, aber die finanziellen Mittel sind eben nicht unendlich. Über die Freigabe weiterer Corona-Hilfen müssten wir mit Zweidrittelmehrheit beschließen – der SSW steht hier grundsätzlich für konstruktive Diskussionen bereit.“

Lars Harms zu TOP 47, 48, 53 u. 57 - Anträge zu Hilfen für die Berufliche Bildung, Kulturschaffende, Öffentlicher Personenverkehr und ein Konjunktur- und Krisenbewältigungsprogramm (Drs. 19/2223; 2224; 2238; 2245)

Die Corona-Krise hält an, allerorts werden Rettungsschirme und Hilfsprogramme benötigt. Die Unternehmen werden vom Konjunktureinbruch schwer getroffen, die Menschen werden schwer getroffen. Es ist daher absolut richtig und notwendig, dass wir auch während dieser Plenartagung noch über weitere Corona-Hilfsanträge diskutieren. 

Unter diesem Tagesordnungspunkt werden ja gleich mehrere Anträge und Themenfelder zusammengelegt und diskutiert: Berufliche Bildung, Kunst und Kultur, der öffentliche Personennahverkehr und schließlich auch das Konjunktur- und Krisenbewältigungsprogramm, das kürzlich auf Bundesebene beschlossen wurde und nun durch ergänzende eigene Bemühungen auf Landesebene unterstützt werden soll. „Klotzen statt kleckern“ lautet die Devise und grundsätzlich bleibt uns angesichts der aktuellen Notsituation ja auch gar nichts anderes übrig. Vieles ist notwendig, vieles ist wünschenswert. Dennoch müssen wir auch weiterhin genau darauf achten, wie wir mit all diesen – ja erst noch zu erwirtschaftenden – Steuergeldern konkret umgehen. Die gesammelten vorliegenden Anträge unterliegen dabei unterschiedlichen Finanzierungsregimen – das muss man im Hinterkopf behalten. Aber gehen wir die Themenblöcke einzeln durch:

Zunächst zu unserem gemeinsamen Antrag mit der SPD zum Thema berufliche Bildung: Die Ausbildungssituation kann und wird sich auch hier bei uns in Schleswig-Holstein verschärfen. Entsprechende Zahlen und Prognosen der Wirtschaftsverbände sind der Begründung in unserem Antrag zu entnehmen. In unserem Antrag geht es uns um die jungen Menschen, die aktuell oder demnächst von der Schule abgehen und plötzlich ohne jeden Plan dastehen, wie es ab dem Spätsommer für sie weitergeht, weil ihr Ausbildungsvertrag von einem Tag auf den anderen aufgekündigt wurde. Dies sind zurzeit wahrlich keine Einzelfälle. Diese jungen Menschen haben hart für ihre Schulabschlüsse gearbeitet, haben sich ihre Ausbildungsplätze organisiert und sich auf dieses nächste Kapitel in ihrem Leben gefreut – und stehen nun vollkommen unverschuldet mit leeren Händen da. Und kurzfristige Neubewerbungen sind zurzeit ja auch nur selten eine Alternative. Vor diesem Hintergrund muss es einen Schutzschirm geben, um die jetzt beginnende Krise der beruflichen Bildung in Schleswig-Holstein abzumildern, bevor sie wirklich schwerwiegend wird. Die Hilfe muss sowohl von den Betrieben als auch von den Auszubildenden in Anspruch genommen werden können und allen jungen Schulabgängern entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten anbieten – gerade in diesen Zeiten ja auch über ergänzende digitale Angebote. Unser Appell geht daher an die Landesregierung, ein entsprechendes Ausbildungsbündnis nach Vorbild des Bundes zu schließen. Denn es geht hier um die jungen Menschen in unserem Land, deren Zukunft und damit unser aller Zukunft.

Um unser aller Zukunft geht es ja auch in dem von der SPD geforderten Landeskonjunkturprogramm, dessen vielfältige Anregungen uns „mit Wumms“ aus der Krise führen sollen. Vom Grundsatz her unterstützen wir diesen Antrag ja, allerdings muss man auch sagen, dass der Alternativantrag von Jamaika etwas konkreter gefasst ist. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, weil natürlich die Regierung hier Vorarbeiten geleistet hat, auf die eine Opposition so nicht zugreifen kann. Betrachten wir aber die Inhalte beider Anträge:
-    So ist beispielsweise der Ausbau von Kitas und Ganztagsbetreuungsstätten selbstverständlich als Ziel geboten und die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, wie sehr wir diesbezüglich hinterherhinken, aber die Gelder dafür müssen aus einem anderen Topf kommen als aus „Corona-Hilfen“. Angesichts wegbrechender Steuereinnahmen auf allen Ebenen müssten wir schauen, woraus sich ein eigenes Landesprogramm finanzieren ließe.
-    Zu den Überbrückungsprogrammen sei gesagt, dass die Töpfe in der Tat bereits ziemlich ausgeschöpft sind. Inwieweit wir hier erneut beträchtliche Summen an Krediten aufnehmen können, müsste geprüft werden. Gerade gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen benötigen und verdienen natürlich unsere vollste Unterstützung – ob in der vorgeschlagenen Form oder gegebenenfalls auch durch flexibler ausgestaltete Finanzierungshilfen, wäre zu prüfen. 
-    Das „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ unterstützen wir. Gesundheit ist ein hohes Gut und eine der Lehren der Corona-Krise ist, dass der Staat hier mehr – und vor allem endlich auch nachhaltig – investieren muss. 
-    Und der letzte Punkt zu Windkraftausbau, Wasserstoffstrategie und Strompreissenkung liest sich auch durchaus gut und ambitioniert, wird aber sicherlich nicht von heute auf morgen umzusetzen sein. Aber die Richtung stimmt.

Zu den beiden Anträgen bezüglich der Kunst- und Kulturszene sei gesagt: Auch wir wollen nicht, dass im Kulturbereich der Rotstift radikal angesetzt wird. Die Hilfen für kulturelle Infrastrukturmaßnahmen und der Ankurbelung der künstlerischen Produktion sind daher zu begrüßen. Ein zusätzliches Landeshilfsprogramm wäre eng auf das Bundesprogramm sowie die erweiterte „#KulturhilfeSH“ abzustimmen.

Nun zum Rettungsschirm für den ÖPNV: Es ist absolut richtig und notwendig, die Träger des ÖPNV jetzt umfassend zu unterstützen. Diese dürfen nicht insolvent gehen. Der in Aussicht gestellte Rettungsschirm auf Bundesebene ist daher zu begrüßen und wird auch hoffentlich eingerichtet werden. Und dann müssen die Gelder schnell und unbürokratisch an die Träger verteilt werden.

Insgesamt bleibt festzuhalten: Nicht alles, was in den vorliegenden Anträgen gefordert wird, lässt sich blitzschnell und in vollem Umfang umsetzen. Aber wir müssen zusehen, dass wir zeitnah entsprechende Programme konzipieren und mit der Auszahlung der beschlossenen Gelder beginnen. Die Antworten, die wir jetzt auf die Corona-Krise geben, stellen die Weichen dafür, wie wir nach Überstehen der Pandemie als Gesamtgesellschaft dastehen. Klar ist hierbei auch, dass es wohl auch im neuen Jahr einen Haushalt geben wird, der nicht ohne eine erhebliche Neuverschuldung auskommen wird. Dafür braucht es dann aufgrund der Regelungen zur Schuldenbremse wieder eine Zweidrittelmehrheit dieses Hauses. Für den SSW kann ich dazu sagen: Ein reines Abnicken des Koalitionsentwurfes wird es nicht geben, aber wir stehen in dieser Hinsicht grundsätzlich nach wie vor bereit, Programme, Anträge und Haushaltstitel konstruktiv zu diskutieren und zügige Entscheidungen gemeinsam herbeizuführen, damit möglichst vielen Menschen und Unternehmen in unserem Land geholfen werden kann.

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