Rede · Christian Dirschauer · 09.12.2020 Transparenz und Gerechtigkeit bei der COVID-19-Impfung

„Bei der COVID-19-Impfung ist die gerechte Verteilung der Impfstoffe besonders wichtig. Zum einen sind die Impfstoffmengen begrenzt, aber auch die Infrastruktur. Darum müssen nachvollziehbare Kriterien entwickelt werden, die zur bestmöglichen Vermeidung von schweren Erkrankungen und Todesfällen beitragen.“

Christian Dirschauer zu TOP 31 - Mündlicher Bericht zur Umsetzung der Impfstrategie (Drs. 19/2629)

„Bei der COVID-19-Impfung ist die gerechte Verteilung der Impfstof¬fe besonders wichtig. Zum einen sind die Impfstoffmengen begrenzt, aber auch die Infrastruktur. Darum müssen nachvollziehbare Kriterien entwickelt werden, die zur bestmöglichen Ver¬meidung von schweren Erkrankungen und Todes¬fällen beitragen.“

Die Entscheidung für die Einrichtung dezentraler Impfzentren in Schleswig-Holstein halte ich für überzeugend. Die Wege werden auf diese Weise verkürzt und die Kontrolle kann vor Ort stattfinden. In Flensburg ist man zum Beispiel schon ganz gut davor: das entsprechende Gelände in Mürwik wird derzeit entsprechend ertüchtigt. Die Stadt Flensburg hat der Ratsversammlung die Arbeitsweise des Flensburger Impfzentrums erläutert. Danach ist geplant, an sieben Tagen der Woche entlang von vier Linien ca. 300 Menschen zu impfen, so dass nach einem halben Jahr und der zweiten Impfung schätzungsweise 27.000 Personen über einen effektiven Impfschutz verfügen. Erst dann können wir in Flensburg aufatmen und allmählich daran denken, das gewohnte Leben wieder aufzunehmen.

Während die technische Vorbereitung der Impflinien, der Abläufe und der Logistik weitgehend im Zeitplan liegen, gibt es noch keine Empfehlung der Impfkommission. Bei der COVID-19-Impfung ist die gerechte Verteilung der Impfstof¬fe aber besonders wichtig. Zum einen sind die Impfstoffmengen begrenzt, aber auch die Infrastruktur. Darum müssen nachvollziehbare Kriterien entwickelt werden, die zur bestmöglichen Ver¬meidung von schweren Erkrankungen und Todes-fällen beitragen. In welcher Bevölkerungsgruppe ist der Nutzen der Impfung am höchsten? Wie können alters- und berufsspe¬zifische Risiken abgewogen werden? Und zuletzt die Frage: welche Risikogruppen zeigen einen schweren Verlauf von Covid-19 und müssen deswegen vorrangig geimpft werden? Diesen ethischen Fragen müssen wir uns auch als Politik stellen.

Ich verhehle nicht, dass ich die Menschen in Alten- und Pflegeheimen sowie die dort Beschäftigten zuerst geimpft sehen möchte, weil nur so die soziale Isolierung der Heime endlich aufgehoben werden kann. Menschen mit vielen Kontakten, zum Beispiel in Krankenhäusern und Schulen sowie Kitas, sollten ebenfalls vorrangig geimpft und damit geschützt werden.
Die Ständige Impfkommission wird gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut und an¬deren Institutionen alle Daten bewerten und darauf basierende Empfehlungen vorlegen. Derzeit liegt ein Entwurf vor, der noch in der Abstimmung ist. Ich rechne allerdings noch in diesem Jahr mit einer Priorisierung auf Grundlage eines mathematischen Modells.

Warum ist das so wichtig? Wir dürfen bei aller Euphorie über die blitzschnelle Entwicklung des Impfstoffes nicht vergessen, dass in den letzten Jahren eine ernst zu nehmende Impfskepsis erwachsen ist. Viele Eltern lassen sich von ominösen Warnungen verunsichern und verweigern die Impfung ihrer Kinder gegen Röteln, Masern und Mumps. Sie wollen diesen die angeblich schlimmen Impffolgen ersparen. Was sie aber tatsächlich tun, ist das Aufflammen eigentlich ausgerotteter Krankheiten zu schüren.

Diese Angst wegen der Nebenwirkungen müssen wir deswegen offen ansprechen; gerade bei Covid-19. Die Impfstoffproduzenten Biontech und Pfizer geben zwar an, dass sie bei ihren Tests praktisch keine ernsten Nebenwirkungen bis auf Müdigkeit und Kopfschmerzen feststellen konnten. Die Langzeitfolgen sind aber angesichts der kurzen Zeit völlig unerforscht. Die Forschungen stehen erst noch an; und zwar weltweit an 150 Orten. 

Bis dahin müssen die Menschen vertrauen. Und genau das wird zum Problem. Ich gehe davon aus, dass wir an den Impfzentren Demonstrationen zu erwarten haben. Von Menschen, die auch in Zeiten von Abstandsgebot und Kontaktbeschränkung gegen die Maßnahmen demonstriert haben. Das haben sie an vielen Orten getan. Menschen, die sich in den letzten Monaten in noch nie gesehener Weise unglaublich schnell radikalisiert haben. Ein einziger Klick in die sozialen Medien und man trifft auf eine Person, die gegen Corona wettert und hinter der Krankheit eine globale Verschwörung vermutet.

Wie gehen wir mit diesen Personen um? Wir werden die Impfzentren schützen müssen. Wir werden die Impflinge und das Gesundheitspersonal schützen müssen. Die Forscherin Katharina Nocun hat am Wochenende noch einmal auf das Gewaltpotenzial der verschwörungsideologischen Milieus hingewiesen. Wir müssen das ernst nehmen und einen effektiven Schutz organisieren. Am besten denken wir das gleich von Anfang an mit; bevor die ersten Demos stattfinden.

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