Rede · 18.06.2009 Stärkung der Arbeit der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV)
Die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen, die FUEV also, ist die Dachorganisation nationaler Minderheiten in Europa. Sie besteht aus 84 Mitgliedsorganisationen verteilt auf 32 Länder und ist damit die größte demokratisch legitimierte Vertretung der nationalen Minderheiten auf europäischer Ebene. Man kann übrigens davon ausgehen, dass es in Europa über 330 nationale und ethnische Minderheiten gibt, denen über 100 Millionen Menschen angehören. Jeder dritte Europäer gehört somit einer nationalen Minderheit an. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den Sprachen wieder: In den 46 Ländern, die dem Europarat angehören, werden 91 Sprachen gesprochen – 37 anerkannte Nationalsprachen und 54 Sprachen Minderheiten- und Regionalsprachen. – Soll heißen mindestens 5% der europäischen Bevölkerung identifizieren sich mit einer anderen Sprache als der jeweiligen Sprache ihres Nationalstaates.
Als die FUEV 1949 gegründet wurde, sahen die Verhältnisse im deutsch-dänischen Grenzland noch ganz anders aus als heute. Umso bemerkenswerter ist es, dass sowohl die dänische Minderheit im Landesteil Schleswig wie auch die deutsche Minderheit nördlich der Grenze zu ihren Gründungsmitgliedern gehörten. Man traf sich im Rahmen der FUEV-Arbeit zu einem Zeitpunkt, wo nichts darauf hindeutete, dass es eine Lösung der Konflikte in unserem gemeinsamen Grenzland geben könnte – ungeachtet der Tatsache, dass 1949 auch das Jahr der Entstehung der sogenannten Kieler Erklärung war.
Rückblickend betrachtet bleibt also festzuhalten, dass sich die FUEV in den 60 Jahren ihres minderheitenpolitischen Engagements zu einem unverzichtbaren Sprachrohr für nationale Minderheiten in Europa entwickelt hat. Dass es in all diesen Jahren gelungen ist, die Geschäftsstelle in Flensburg zu erhalte, spricht vor diesem Hintergrund nicht nur für den Einfluss der Minderheiten unseres Grenzlandes; es spricht insbesondere für die Zukunftsfähigkeit unserer Minderheitenregelungen.
Das Prinzip, dass die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit von Amts wegen nicht hinterfragt werden darf: Kein Sprachtest, keine Zählung oder der Nachweis, dass man seit drei Generationen in der Region lebt, ist vonnöten – ausschlaggebend ist die individuelle Entscheidung und die persönliche Identität. Das Recht, einer nationalen Minderheit anzugehören, ist ein Menschenrecht im Sinne der UN-Menschenrechtskonvention. Und weil dies so ist, haben Angehörige einer nationalen Minderheit unserer Minderheitenordnung entsprechend auch die gleichen Rechte und die Pflichten wie alle anderen Bürger in der Gesellschaft, in der sie leben. Beide Punkte sind zentrale Elemente unserer Minderheitenregelungen; sie sind es auch, wenn es um die Grundsätze der FUEV geht. Und genau deshalb sollte es im Interesse aller in diesem Hohen Hause sein, dass die Geschäftsstelle der FUEV weiterhin in Flensburg angesiedelt ist.
Was spricht dagegen, könnte die Frage lauten. Zumindest die Mitglieder des Europa-Ausschusses wissen, dass sich die FUEV momentan - im Jahr ihres 60. Geburtstages - in einem ökonomisch schwierigen Fahrwasser befindet. In den Haushalten für 2009 und 2010 fehlen ihr jeweils rund 60.000 Euro – und dies, obwohl es ihr in den vergangenen Jahren gelungen ist weitere Förderer ihrer Arbeit hinzu zu gewinnen: den Freistaat Sachsen mit 20.000 Euro, Dänemark mit 25.000 Euro und Ungarn mit 19.000 Euro; Schleswig-Holstein unterstützt das Engagement der FUEV mit 20.000 Euro. Der größte Einzelförderer ist die Provinz Südtirol mit rund 42.000 Euro. Und gelingt es uns nicht, die Finanzlage der FUEV zu stabilisieren, wird die Geschäftsstelle nach Bozen verlegt werden. Denn Südtirol hat in der Vergangenheit mehrfach großes Interesse an eine Umsiedlung gezeigt. Aber genau dies würde aus Sicht des SSW auch zu einem Paradigmenwechsel in der minderheitenpolitischen Ausrichtung der FUEV führen, die wir nicht unterstützen. Wir wollen eben kein statisches System, dass Minderheitenförderung von dem Ergebnis von Sprachenzählungen abhängig macht.
Daher fordern wir im letzten Abschnitt unseres Antrages die Landesregierung auf, auf Bundesebene aktiv zu werden. Wir wissen aus dem Europa-Ausschuss, dass der Ministerpräsident schon aktiv geworden ist. Das ist gut so, denn das ist auch notwendig.
Der Bund hat in den letzten Jahren seine Förderung der FUEV fast halbiert, und genau dies ist ein erdenklich schlechtes Signal in einer Zeit, wo Minderheitenpolitik auf europäischer Ebene mehr denn je gefragt ist. Hinzu kommt, dass es in 22 europäischen Staaten deutsche Minderheiten gibt. Damit gibt es in Europa fast so viele deutsche wie Roma-Minderheiten.
Von der Bundesrepublik sollte also ein eindeutiges Signal ausgehen, dass Minderheitenpolitik aktuelle Politik in Europa ist. Es wäre auch ein gutes Signal vor dem Hintergrund, dass wir im Herbst dieses Jahres den 20. Jahrestag des Mauerfalls würdigen werden. Denn nach der ersten Euphorie nach Beendigung des Kalten Krieges wurde Europa ganz schnell von Minderheitenkonflikten dominiert. Wenn wir den Frieden in Europa sichern wollen, brauchen wir mit anderen Worten tragfähige Minderheitenregelungen. In diesem Kontext muss die Arbeit der FUEV gesehen werden!