Rede · Sybilla Nitsch · 22.05.2024 Sicherung der Nahversorgung oder bedrohliche Konkurrenz?

„Wir sehen insgesamt das große Potenzial dieser aufkommenden automatisierten Märkte, vor allem für die Nahversorgung in unseren ländlichen Regionen. Aber deren Betrieb muss auf eine saubere rechtliche Grundlage gestellt werden. Wir können über diesen Gesetzentwurf also gern noch mal ausführlicher im Ausschuss diskutieren.“

Sybilla Nitsch zu TOP 11 - Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten (Drs. 20/2133)

Als wir den Gesetzentwurf gesehen haben, haben wir zunächst überlegt, wo es solche „vollautomatisierten Verkaufsstellen“ in Schleswig-Holstein überhaupt schon gibt. Ein Zeitungsartikel nennt die aktuelle Anzahl fünf; und sieben weitere seien in Planung für die kommenden Monate. Wir stehen hier also noch am Anfang dieses Konzeptes – aber die Entwicklung wird ja ihren Lauf nehmen. In Mecklenburg-Vorpommern können Kunden bereits sonntags in bestimmten Geschäften Lebensmittel kaufen. Hessen und Niedersachsen haben Gesetzesanpassungen bereits geprüft und auch weitere Bundesländer sind an diesem Thema dran. Es ist daher sinnvoll, sich hiermit auch bei uns rechtzeitig auseinanderzusetzen.

Schon seit einigen Jahren werden überall in Deutschland die verschiedensten Modelle autonomer Supermärkte getestet, darunter begehbare Automaten, Smartstores und Mini-Supermärkte nur für registrierte Kundschaft. Das Besondere: Diese Geschäfte kommen, während die Kunden einkaufen gehen, ganz ohne Personal aus. Und könnten somit praktischerweise rund um die Uhr geöffnet sein und der flexiblen Lebensrealität vieler Menschen besser entgegenkommen, wenn man der Argumentation entsprechender Fürsprecher folgen mag, denn: Kein Personal bedeutet keine Notwendigkeit für Arbeitnehmerschutz bedeutet keine Notwendigkeit für die Sonn- und Feiertagsruhe und überhaupt begrenzte Öffnungszeiten. Aber ganz so simpel kann man diese Diskussion dann doch nicht führen.

Natürlich sehen auch wir die möglichen Vorteile dieser vollautomatisierten Mini-Supermärkte. Gerade in den ländlichen Gebieten unseres Bundeslandes könnten diese Geschäfte zukünftig einen großen Faktor in der Nahversorgung ausmachen, ohne gleichzeitig das Fass der bedrohlichen Konkurrenz für die regulären Läden aufzumachen. Der kleine Kaufmannsladen im Dorf, der Supermarkt im Nachbardorf oder selbst die lokale Bäckerei – viele leider schon längst Geschichte oder auf Sicht am Aufgeben. Hier braucht es künftig andere Möglichkeiten, alltägliche Einkäufe zu erledigen, ohne lange Strecken zurücklegen zu müssen. Wenn diese Container-Läden also trotz ihres begrenzten Sortiments richtig eingerichtet sind und den Bedürfnissen vor Ort entsprechen, dann könnten sie dazu beitragen, die Lebensqualität auch in den entlegeneren Orten zu erhöhen – und die Nahversorgung womöglich überhaupt grundlegend sicherzustellen.

Dennoch ist die Öffnungszeiten-Debatte damit nicht so einfach erledigt.
So fallen auch in offiziell „personallosen“ Läden natürlich Betriebskosten an. Auch diese Läden müssen regelmäßig befüllt, gewartet und gereinigt werden. Und wenn am Sonntagmittag mal die Technik streikt und die Kassen ausfallen oder die Eingangstür nicht mehr aufgeht, während noch Kunden im Container-Laden sind? Dann muss eben doch ein Mitarbeiter des Ladens angefahren kommen – also sprechen wir hier mindestens von Bereitschaftsdienst.
Daher sprechen sich ja beispielsweise Verdi Nord oder auch die Kirche gegen eine solche generelle Öffnungsmöglichkeit aus, wobei sich die Kirche zumindest Ausnahmen in touristischen Hotspots vorstellen kann. Hierzu sollten wir also mit allen Ansprechpartnern diskutieren und solche Bedenken und Überlegungen berücksichtigen.

Diese erste Diskussion könnte zudem ziemlich zeitnah weitere Diskussionen auslösen. Sonderregelungen für Touristenregionen? Sonntagsöffnungen auch für reguläre Supermärkte ermöglichen? Und wo werden dann Verkaufsstellen wie beispielsweise die Selbstbedienungsstände vor den Höfen vieler Landwirte eingruppiert? In anderen Ländern gibt es ja teilweise schon deutlich liberalere Ladenschlussgesetze, beispielsweise auch in Dänemark. Man müsste eben überlegen, zu welchem Grad man das auch hier haben möchte.

Wir sehen insgesamt das große Potenzial dieser aufkommenden automatisierten Verkaufsstellen, vor allem für die Nahversorgung in unseren ländlichen Regionen. Und mindestens als Ergänzung und als allzeit verfügbares Angebot für Spontankäufe würden diese Mini-Märkte sicherlich genutzt werden. Aber deren Betrieb muss eben auf eine saubere rechtliche Grundlage gestellt werden. Wir können über diesen Gesetzentwurf also gern noch mal ausführlicher im Ausschuss diskutieren.
 

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