Rede · Jette Waldinger-Thiering · 20.11.2024 Schülerinnen und Schüler mit dem Mathematik-Debakel nicht allein lassen

„Das System Schule muss Mathematik neu denken. Es muss mehr Didaktik und Pädagogik einfließen. Mathematik muss greifbar und erlebbar unterrichtet werden. Es geht dabei um die Qualität und nicht um die Quantität des Unterrichts.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 17 - Auf das Mathematik-Debakel 2024 reagieren, Masterplan Mathematik der Landesregierung konsequent fortsetzen und weiterentwickeln (Drs. 20/2578, Drs. 20/2615)

Bei dem Thema Mathematik Debakel sind wir uns als Opposition schnell über diesen gemeinsamen Antrag einig geworden.
Und es tut mir wirklich leid für die 3609 Schülerinnen und Schüler, die eine 6 und auch für die 742 Schülerinnen und Schüler, die eine 5 in der MSA-Prüfung geschrieben haben. Obwohl wir vermuten dürfen, dass die meisten der betroffenen Schülerinnen und Schüler insgesamt in ihrer Leistung -  über der Benotung einer Fünf oder Sechs liegen. Und dass es zum größten Teil an der Art der
Prüfungsaufgaben lag, dass die Ergebnisse so verheerend ausfielen. Aber es sind genau diese Schülerinnen und Schüler, die schon genug Herausforderungen durch Corona in ihrer Schullaufbahn zu bewältigen hatten. Das genau diese Generation jetzt auch noch mit unfairen Prüfungsbedingungen konfrontiert werden, ist einfach nicht gut. Dass Debakel beginnt, bereits in der Grundschule. Wie soll trotz Unterrichtsausfällen oder fachfremden Lehrkräften eine stabile und fundierte Lernbasis für Mathematik geschaffen werden? Mathematik ist zum Beispiel nicht mit dem Fach Deutsch zu vergleichen, das Verständnis für Zahlen, für Mengen und abstrakten Denken muss erst kontinuierlich reifen. Wenn die Kinder hier einmal abgehängt werden, ist es unglaublich schwer, den folgenden Unterrichtsstoff zu bewältigen. An den weiterführenden Schulen fehlt es dann manchmal auch einfach an Verständnis gegenüber den Schülerinnen und Schüler, deren basalen Mathematik Fähigkeiten Lücken aufzeigen. Die Entscheidung, Mathematik zu studieren und später zu unterrichten setzt meistens eine grundlegende Freude am Fach voraus. Somit erfordert es eine erhöhte Empathie Fähigkeit der begeisterten Mathematikfachlehrkräfte, um zu verstehen, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die dem grundsätzlich mathematischen Denken nicht folgen können und nur mit erhöhter Kompensationskraft das Fach Mathematik bewältigen. Das System Schule muss Mathematik neu denken. Es muss mehr Didaktik und Pädagogik einfließen. Mathematik muss greifbar und erlebbar unterrichtet werden. Es geht dabei um die Qualität und nicht um die Quantität des Unterrichts. Es nützt nichts, zwei Stunden Mathematik zusätzlich auf der Stundentafel zu etablieren, denn das bedeutet nur zwei weitere Stunden in den die Möglichkeit für Ausfälle oder fachfremden Unterricht besteht und die Schülerinnen und Schüler trotzdem nicht weiterkommen.
Langfristig benötigen wir neue und bessere Rahmenbedingungen für das Fach Mathematik, d.h. die Mathematik Lehrkräfteausbildung benötigt noch mehr pädagogische Inhalte, um auf die individuellen Fähigkeiten und Grundlagen der Schülerinnen und Schüler eingehen zu können.
Deshalb ist es so wichtig, dass das Ein-Fach-Masterstudium jetzt eingeführt wird.  Bis sich aber langfristig etwas ändert, benötigen wir kurzfristig, die Umsetzung der im Antrag genannten Maßnahmen, wir könnten die Schülerinnen und Schüler mit dem Debakel nicht allein lassen. 
Neben der Fortbildung der Lehrkräfte, ob mit oder ohne Mathematikabschluss müssen wir Fördermöglichkeiten innerhalb des Schulalltags schaffen, die den Familien und Schülerinnen und Schüler keine zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Ressourcen kosten. Schülerinnen und Schüler, die merken, dass sie im Mathematikunterricht nicht mehr mitkommen, müssen die Möglichkeit haben durch Beratung und individuelle Förderung ihre Lernlücken zu schließen, um später erfolgreich Prüfungen zu bestehen.
Nur so können wir die Motivation und Leistungsbereitschaft für die Mint-Fächer steigern, und das wird sich dann hoffentlich auch spürbar auf die Hochschulen auswirken und auch hier die Mint-Fächer stärken.

 

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