Pressemitteilung · 14.12.2019 Haushalt 2020: Rede des Vorsitzenden der SSW-Ratsfraktion, Marcel Schmidt
Rede zum Haushalt 2020, Ratsversammlung 12.12.2019
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Stadtpräsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
Wissen macht uns verantwortlich!
Dem ehemaligen Leiter der kubanischen Nationalbank und Revolutionär Che Guevara wird das Zitat zugeschrieben: „Wissen macht uns verantwortlich“. Dieser Satz ist in vielen politischen Diskussionen angebracht – und so ist es auch in dieser Haushaltsdebatte. Verantwortung ist bei der Behandlung dieses Haushaltes ein entscheidender Parameter, der parteipolitisches Denken und ideologisches Paraphrasieren auf die Plätze verweist.
Denn der Haushalt, den die Verwaltung vorgelegt hat, verfügt über ein – wenn auch überschaubares – Plus im Ergebnishaushalt und muss darum in diesem Jahr nicht vom Innenministerium genehmigt werden. Das ist auch deshalb besonders wichtig, weil bei einer Genehmigungspflicht Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe gefährdet sind. Wir müssen feststellen, dass die Mittel seitens des Landes zur Finanzierung unserer Aufgaben als Oberzentrum unzureichend sind. Es geht bei dieser Haushaltsdebatte und bei den Änderungsanträgen also darum, den vorhandenen Spielraum im Blick zu behalten und mit den Änderungsanträgen notwendige Ergänzungen im Haushalt vorzunehmen. Dabei möchte ich der Verwaltung für die Erstellung und übersichtliche Darstellung des Haushalts danken.
Die Kooperation hat bereits ein Gerüst vorgelegt und es ist zu erwarten, dass sie dieses Gerüst mit ihrer Mehrheit in der Ratsversammlung durchsetzen wird. Vor diesem Hintergrund wäre es fragwürdig, einen kompletten Gegenentwurf aufzustellen, der ohnehin keine Aussicht auf Realisierung hat. Stattdessen haben wir Haushaltsanträge gestellt, die eine sinnvolle Ergänzung der Anträge der Kooperation darstellen. Wir machen der Kooperation also das Angebot, ihr Gerüst zu verbessern. Es liegt an ihr, diese Chance zu ergreifen. Unser Vorgehen hängt auch damit zusammen, dass wir gemeinsam mit der Kooperation den Oberbürgermeister Ulf Kämpfer im Wahlkampf unterstützt haben, der Haushalt in Grundzügen bereits dort vorgestellt wurde und der Oberbürgermeister öffentlich den Wunsch geäußert hat, diesen Haushalt gemeinsam zu verabschieden. Dazu sind wir – auch vor dem Hintergrund der möglichen Vermeidung einer Genehmigung durch das Innenministerium – angesichts der aktuellen Situation grundsätzlich bereit. Wir weisen aber darauf hin, dass Gemeinsamkeit nicht als Einbahnstraße funktioniert. Uns ist unangenehm aufgefallen, dass der Aufruf des Oberbürgermeisters zur Gemeinsamkeit innerhalb der Kooperation nur von zwei Partnern unterstützt wurde, die FDP hat ihre Möglichkeit der öffentlichen Stellungnahme zu diesem Punkt lediglich zur Selbstdarstellung genutzt. Dummdreist ist es, wenn die FDP ernsthaft behauptet, dass ausgerechnet sie in den Haushaltsberatungen dafür gesorgt hat, dass dieser Haushalt mit einem positiven Ergebnis abschließt. Das positive Ergebnis dieses Haushaltes ist der erklärte Wille der überwältigenden Mehrheit in der Ratsversammlung. Da will sich jemand für etwas feiern lassen, was ohnehin fast alle wollen und was mit Sicherheit eintreten wird. Genauso gut könnte die FDP an der Westküste auf den Deich klettern und bei Ebbe versichern, man würde sich dafür einsetzen, dass das Wasser wiederkommt. Der Orden für die peinlichste Vorstellung in den Haushaltsberatungen geht dieses Jahr an die FDP. Die Kooperation sollte sich überlegen, welchen Weg sie künftig gehen wird, möchte sie andere Fraktionen einbeziehen, oder in der Selbstdarstellung verharren. Wir sind da gelassen, wenn wir im nächsten Jahr Kommunalwahlen hätten, dann würde ich mit zwei Flyern in den Wahlkampf gehen. Einem, in dem wir die Projekte aufzählen, die wir gemeinsam mit der Kooperation umgesetzt haben und einem Flyer, in dem die Initiativen aufgelistet sind, die an der Kooperation gescheitert sind. Zum jetzigen Zeitpunkt wären beide Flyer spannend zu lesen.
Darüber hinaus kann ich für die SSW-Ratsfraktion feststellen, dass wir bei den großen Themen und Projekten mit strategischer Bedeutung für die Landeshauptstadt Kiel mit dem Oberbürgermeister und der Kooperation weitgehend auf einer Linie sind. Die SSW-Ratsfraktion hat die Stadtbahn immer unterstützt und wird dies auch weiterhin tun, denn wir betrachten die Stadtbahn als unverzichtbaren Bestandteil der dringend notwendigen Verkehrswende. Allerdings sind wir mit dem Zeitplan unzufrieden. Wir wollen die Stadtbahn schneller verwirklichen. Wir sind auch überzeugt, dass die bisherigen Zeitpläne für die Planungen zur Stadtbahn von der Realität eingeholt werden. Sowohl die Entwicklung des Verkehrs in unserer Stadt, als auch die berechtigte Ungeduld der Menschen in dieser Stadt bei der Umsetzung von Umwelt- und Klimaschutz wird die Rathauspolitik zu schnellerem Handeln als bisher zwingen. Die in diesem Rathaus über mehrere Wahlperioden hinweg inzwischen zur Tradition gewordene Methode der Zeitgewinnung durch das Einholen von Expertisen und das „Erstellenlassen“ von Gutachten wird von der kritischen Öffentlichkeit in dieser Stadt künftig auf deutlich weniger Akzeptanz stoßen, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Die Anträge zum Climate Emergency haben wir mit der Kooperation beschlossen und ich sehe auch bei der weiteren Umsetzung der nun folgenden Schritte einen grundlegenden Konsens zwischen der Kooperation und dem SSW. Ähnliches gilt für die Kieler Wohnungsgesellschaft, die wir – damals noch in anderer Konstellation – mit den jetzigen Kooperationspartnern entwickelt haben.
Das bedeutet aber nicht, dass wir mit der Politik der Kooperation rundum zufrieden sind. Die Kooperation ist nicht wirklich schnell in ihrer Entscheidungsfindung und viel zu oft dauert es entschieden zu lange, bis sie sich zu Entscheidungen durchringen kann. Ein Beleg dafür ist die Flut von Überweisungen von Anträgen aus der Ratsversammlung in die Ausschüsse, denn vielfach geschieht dies eben nicht, weil die Anträge nicht entscheidungsreif sind, sondern weil die Kooperation nicht in der Lage ist, in angemessener Zeit eine Entscheidung herbeizuführen und deshalb die Anträge in die Ausschüsse überweist, um Zeit zu gewinnen. Darüber hinaus geht der Kooperation bei ihren – offensichtlich aufwendigen – internen Abstimmungen, bisweilen der Blick für das Detail verloren. Dies hat sich bei meiner Großen Anfrage zur Bezahlung der Mitarbeiter in den städtischen Betrieben gezeigt. Die Stadt ist grundsätzlich ein guter Arbeitgeber, aber an einigen Stellen muss nachjustiert werden. Das hätte längst den von der Ratsversammlung in die Aufsichtsräte entsandten Mitgliedern auffallen müssen, aber das ist es leider nicht. Auch bei dem Umgang mit Feuerwerken hätte ich mir mehr Mut gewünscht; der Einzelhandel ist da schon weiter. Einige Super- und Baumärkte verzichten bereits auf den Verkauf von Böllern, wie wir vom Kieler SSW es fordern.
Darum braucht es den SSW als Korrektiv in dieser Stadt und dieser Ratsversammlung. Wir brauchen eine Stimme der Vernunft und der Verantwortung, damit Kiel Kurs hält und die Gruppendynamik der Kooperation nicht aus dem Ruder läuft.
Der SSW will 150.000,- Euro in den Ausbau der Städtepartnerschaften investieren. Kiel profitiert von seinen Städtepartnerschaften in erheblichem Maße. Vorbilder und Anregungen in unseren Partnerstädten bringen Kiel in seiner Entwicklung erheblich voran. Die Partnerschaft mit Aarhus ist sicher das strahlendste Beispiel dafür. Für eine Veranstaltung zum 100jährigen Jubiläum der dänisch-deutschen Volksabstimmungen zur Grenzziehung und der aktuellen Bedeutung für Kiel wollen wir 20.000,- Euro bereitstellen. Die friedliche Einigung über den Verlauf der dänisch-deutschen Grenze und die moderne Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein und Dänemark – auf beiden Seiten der Grenze – ist ein geeignetes Vorbild für viele andere Grenzregionen weltweit. Die Auswirkungen einer verfehlten Politik in Kurdistan haben wir auch in Kiel wahrgenommen und die KielerInnen und Kieler haben ein menschliches Zeichen gesetzt und geflüchtete Menschen aus dieser Region aufgenommen und ihnen Schutz gewährt. Wir wollen die Mittel für den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen nach Skandinavien um 150.000,- Euro erhöhen. In der Zusammenarbeit mit dem Norden liegen Chancen für diese Stadt, die Innovationen, fortschrittliche Ideen insbesondere für den Klimaschutz und die Generierung von Arbeitsplätzen beinhalten.
Die dringend notwendige Förderung zur Kofinanzierung von INTERREG-Projekten wollen wir mit 100.000,- Euro fördern. INTERREG-Projekte gehören zu einem EU-Programm, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit fördern will. Um die Vorteile der dänisch-deutschen Grenzregion optimal zu nutzen, sind diese Projekte ein wichtiger Faktor. Wir wollen den eSport weiter fördern. Durch das eSport-Haus hat Kiel einen riesigen Standortvorteil bei der rasanten Entwicklung dieser Branche. Diesen Vorteil gilt es zu nutzen und auszubauen. Ich weiß, dass Teile der Kooperation hier das Land in der Pflicht sehen, aber das bringt uns nicht weiter. Wenn der Ball auf dem Elfmeterpunkt liegt und sich Stadt und Land nicht einigen können, wer den Elfmeter denn nun verwandeln soll, dann ist spätestens nach 90 Minuten Schluss, wenn der Schiedsrichter abpfeift. Daher sollte die Kooperation unserem Antrag zustimmen, in die Ausbildung von eSporttrainern zu investieren, damit der Jugendschutz, Suchtprävention und Medienkompetenz gerade bei jugendlichen Spielern im Blick bleiben. Der Frauennotruf leistet hervorragende und notwendige Arbeit, die Mittel reichen aber nicht aus; der Frauennotruf ist ebenso unterfinanziert wie die Frauenhäuser. Es muss dringend mehr gegen sexualisierte Gewalt getan werden, daher appelliere ich eindringlich an die Kooperation, diesem Antrag zuzustimmen.
Wissen macht uns verantwortlich, die Ratsversammlung sollte ihrer Verantwortung gerecht werden.