Rede · Christian Dirschauer · 25.11.2021 Personalsituation in den Kliniken verbessern
„Unsere Krankenhäuser müssen stärker unterstützt werden“
Christian Dirschauer zu TOP 21, 32 + 41 - Schlaganfallversorgung schnell und qualitativ hochwertig sicherstellen, Krankenhäuser und Universitätskliniken besser unterstützen und angemessen finanzieren, Kliniken und Intensivstationen nachhaltig stärken )Drs. 19/3358, 19/3422, 19/2730 und 19/3423)
Neben der sinnvollen Initiative zur Schlaganfallversorgung stehen heute weitere Anträge zur Debatte, die eher allgemein die Unterstützung unserer Kliniken zum Ziel haben. Ganz grundsätzlich kann ich dazu für den SSW sagen, dass wir nicht nur die Forderung nach einer verbesserten finanziellen Unterstützung durch Land und Bund teilen. Sondern wir halten es auch für dringend geboten, die Personalsituation in den Kliniken zu verbessern. Man kann vielleicht über den Weg dorthin streiten. Aber ich gehe davon aus, dass spätestens heute, nach bald 2 Jahren Pandemie und unzähligen Häusern, in denen die Mitarbeitenden fast durchgehend an der Belastungsgrenze arbeiten, alle den dringenden Handlungsbedarf an diesen Stellen sehen.
Ich verrate doch nichts neues, wenn ich feststelle, dass sich viele Kliniken in einer zunehmend kritischen Finanzlage befinden. Viele Häuser haben schon vor Corona rote Zahlen geschrieben. Aber die Situation spitzt sich zu. Und deshalb ist völlig klar, dass unsere Krankenhäuser in einer Zeit, in der sie pandemiebedingt vor einer enormen Herausforderung stehen, schon allein aus diesem Grund stärker unterstützt werden müssen. Auch der Fokus auf unsere Intensivstationen und beispielsweise die Forderungen nach einer verstärkten Digitalisierung sind absolut folgerichtig. Doch so richtig die jeweiligen Unterpunkte in den Anträgen auch sind: Entscheidend ist für uns, dass wir den Krankenhäusern schnell und substanziell unter die Arme greifen und endlich die Weichen derart stellen, dass die Personalsituation entschärft werden kann. Hier haben Sie die volle Unterstützung des SSW.
Neben diesen eher übergeordneten Aspekten der Gesundheitsversorgung steht heute aber auch ein sehr konkretes, nicht weniger wichtiges Thema auf der Tagesordnung. Und zwar die Frage einer möglichst schnellen und gleichzeitig hochwertigen Versorgung von Schlaganfällen. Dem Grunde nach sind im vorliegenden Antrag alle relevanten Fakten erwähnt: Schlaganfälle nehmen nicht nur in ihrer Zahl, sondern auch in ihrer Bedeutung als Todesursache zu. Sie sind aber nicht nur die dritthäufigste Todesursache, sondern auch die häufigste Ursache für lebenslange körperliche Einschränkungen. Gleichzeitig lassen sich durch eine spezialisierte Behandlung nicht nur die Sterblichkeit, sondern auch viele mögliche Einschränkungen verhindern oder zumindest abmildern. Die Erstversorgung bei Schlaganfällen ist allerdings äußerst zeitkritisch und damit umso effektiver, je früher sie erfolgt. Aus diesen Gründen ist für den SSW völlig klar, dass wir eine möglichst flächendeckende und qualitativ hochwertige Schlaganfallversorgung brauchen.
Es ist nur folgerichtig, dass auf Basis des Paragrafen 8 unseres Krankenhausgesetzes Versorgungsaufträge, auch für einen Schwerpunkt wie die Versorgung von Schlaganfällen, vergeben werden können. Der im Antrag formulierten Forderung an die Landesregierung, auf diesem Weg verbindliche Vorgaben zu machen, können wir uns selbstverständlich anschließen. Das ist ebenso sinnvoll, wie die geplante Vernetzung der hierfür qualifizierten Krankenhäuser mit ihren unterschiedlichen Versorgungsstufen. Wir vom SSW verbinden damit die klare Erwartung, dass der Anteil der Patientinnen und Patienten, die durch eine spezialisierte „Stroke Unit“ behandelt werden, signifikant erhöht wird. Und wir erwarten auch, dass wir durch ein solches Expertennetzwerk unter Einbindung des Rettungsdienstes auch deutlich mehr Betroffene erfolgreicher behandeln können. Denn zum jetzigen Zeitpunkt werden bekanntlich längst nicht alle Schlaganfälle in einem der 13 Krankenhäuser mit einer solchen „Stroke Unit“ versorgt. Und das sollten wir so schnell wie möglich ändern.
Für den SSW kann ich also ganz klar sagen: Nicht nur die zunehmende Zahl der Schlaganfälle, sondern auch die guten Therapiemöglichkeiten sind hervorragende Argumente für einen Ausbau der entsprechenden Versorgungsstrukturen. Und nicht nur aus geografischen Gründen, sondern vor allem, weil nach einem Schlaganfall jede Minute zählt, müssen wir auch mobile Angebote ausbauen. Ich denke, auch hier sind wir uns einig. Denn gegenüber dem schlichten Rettungstransport in ein Krankenhaus bieten die so genannten Mobile Stroke Units immense Vorteile: Sie können im Zweifel direkt vor Ort einen Schlaganfall diagnostizieren und die Behandlung einleiten. Das spart kostbare Zeit und ist in Kombination mit telemedizinischen Ansätzen gerade für Regionen wie die Westküste ein enorm wichtiges Thema, das weiter vorangebracht werden muss.
Wir müssen uns aber eins klar machen: Mit speziell ausgerüsteten Rettungsfahrzeugen oder mehr Technik für die Versorgung komplexer Schlaganfälle ist es nicht getan. Wir brauchen auch in diesem Bereich sowohl in der akuten Versorgung wie in der Nachsorge nicht nur gut ausgebildetes, sondern vor allem mehr Personal. Aktuellen Berechnungen zufolge werden zum Beispiel pro Betroffenen mit schweren Beeinträchtigungen etwa 1.000 Stunden Pflege jährlich durch Angehörige geleistet. Doch gesellschaftliche und familiäre Strukturen ändern sich. Und deshalb wird diese Pflegearbeit im Gegenwert von rund 5 Milliarden Euro kaum dauerhaft von pflegenden Angehörigen geleistet werden können. Nicht nur die Deutsche Schlaganfallhilfe weist daher schon länger darauf hin, dass die zukünftige Versorgung nur durch die zusätzliche Unterstützung durch professionelle Kümmerer sichergestellt werden kann. Wir halten die Forderung nach solchen Patientenlotsen, die Betroffene begleiten und alle notwendigen Hilfen koordinieren, für legitim und unterstützenswert.
Abschließend möchte ich noch einen Punkt nennen, der zwar nicht im Antrag vorkommt, mir aber trotzdem sehr wichtig ist: Und zwar den der Prävention. Hier liegt enormes Potential. Experten gehen davon aus, dass 9 von 10 Schlaganfällen durch eine gesündere Lebensführung vermieden werden können. Auch präventive Therapien gegen Risikofaktoren wie etwa Bluthochdruck oder einen zu hohen Cholesterinspiegel senken die Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall signifikant. Dass präventive Maßnahmen einen so extremen Unterschied machen, ist aus meiner Sicht wirklich beeindruckend und Grund genug, auch hier einen verstärkten Einsatz zu bringen. Neben einer verbesserten Akutversorgung und Nachsorge sollten wir daher auch gemeinsam überlegen, wie wir die Prävention stärken können.