Rede · Christian Dirschauer · 26.09.2024 Personalnot und Unterfinanzierung prägen den Kita-Bereich

„Trotz intensiver Bemühungen verschiedener Landesregierungen und trotz erheblich aufwachsender Mittel muss man nüchtern feststellen, dass die Unsicherheiten und Probleme nicht geringer werden“

Christian Dirschauer zu TOP 9 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes (Drs. 20/2496)

Es vergeht fast keine Plenarwoche mehr ohne Debatte zur Kitagesetzgebung. Das ist angesichts der Herausforderungen in diesem Bereich aber auch folgerichtig. Für den SSW kann ich nur immer wieder betonen, dass wir es begrüßen, wenn die Landesregierung engagiert und eben auch dauerhaft an diesem zentralen Zukunftsthema arbeitet. Spätestens mit der Evaluation des Kitagesetzes und der diagnostizierten Finanzierungslücke dürfte wohl allen im Haus der dringliche Handlungsbedarf bewusst geworden sein. Doch aus Elternsicht muss ich auch ganz persönlich sagen, dass dieser Handlungs- und vor allem Verbesserungsbedarf schon deutlich länger besteht. Denn trotz intensiver Bemühungen verschiedener Landesregierungen und trotz erheblich aufwachsender Mittel für den Bereich der frühkindlichen Bildung muss man nüchtern feststellen, dass die Unsicherheiten und Probleme in diesem Feld nicht wirklich geringer werden.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für sinnvoll, aber auch für selbstverständlich, dass wir heute über eine weitere Änderung des Kitagesetzes diskutieren. Und zwar über eine Änderung, die zumindest Lösungsansätze für Teile der bestehenden Problemlagen beinhaltet. Es ist gut und wichtig, dass beispielsweise Maßnahmen, wie die im vor der Sommerpause präsentierten 10 Punkte Plan, eingearbeitet wurden. Denn wenn wir uns über etwas einig werden können, dann doch wohl über die Tatsache, dass das Kitasystem nach wie vor unter zu starren Regelungen leidet. Und hoffentlich auch darüber, dass wir mehr tun müssen, um motivierte Fachkräfte zu gewinnen. Auch wenn ich weiterhin nicht restlos von dem überzeugt bin, was CDU und Grüne uns hierzu präsentieren, kann ich den Einsatz in der Sache also nur begrüßen. Denn wir haben wirklich keine Zeit zu verlieren und müssen schnellstmöglich ins Handeln kommen.

Ich habe es angedeutet und muss es trotzdem nochmal deutlich sagen: Zur kitapolitischen Wahrheit gehört leider auch, dass es nach wie vor Unklarheiten rund um die Finanzierung des Gesamtsystems gibt. Soll heißen: Mit Blick auf die Unterfinanzierung in Höhe von 120 Millionen Euro ist es gut und natürlich sinnvoll, dass Land und Kommunen jeweils rund 20 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen. Dass das aber sehr wahrscheinlich zu erheblichen Verwerfungen in so manchem kommunalen Haushalt und vor allem auch im Etat des Sozialministeriums führen wird, muss dann allerdings auch erwähnt werden. Noch dazu ist nach meinem Kenntnisstand bis heute nicht abschließend geklärt, wer denn nun in welchem Umfang für den Rest aufkommt, um die Lücke zu schließen.

Wir konnten zu dieser Frage wahlweise vage oder auch besorgniserregende Ideen wie den viel zitierten Bürokratieabbau oder die Absenkung von Standards vernehmen. Wenn ich ehrlich bin, dann halte ich beide Ansätze für wenig überzeugend und letzteren eben auch weiterhin für gefährlich. Aber auch das mittlerweile konkretisierte Konzept des Anstellungsschlüssels scheint mir zumindest nicht umfassend genug, um die bestehenden Probleme dauerhaft in den Griff zu bekommen. Es ist zwar einleuchtend, dass ich durch einen geringeren Personaleinsatz in den Randzeiten Kosten spare. Da in diesen Zeiten im Regelfall weniger Kinder in der Einrichtung sind, ist eine solche Maßnahme bei moderater Anwendung vermutlich auch in Ordnung. Man muss sich aber trotzdem bewusst machen, dass man damit weder zur Entlastung des Personals noch zur Verbesserung der Betreuungsqualität beiträgt. Ich denke daher, dass nicht zuletzt die Kritik von Trägerseite eine Berechtigung hat. Man darf demnach besonders gespannt auf die Erkenntnisse aus der Anhörung sein. Und wenn ich mir den Gesetzentwurf in Gänze anschaue, muss ich eins klar sagen: Es wäre wirklich sehr verwunderlich, wenn dieser Entwurf so aus der Anhörung rauskommt, wie er reingegangen ist.

Über die verschiedenen Maßnahmen, die die Landesregierung zur Personalgewinnung und zur Fachkräftesicherung ergriffen hat, haben wir mittlerweile mehrfach debattiert. Die Stärkung der praxisintegrierten Ausbildung ist zum Beispiel ein wirklich wichtiger Schritt, den wir ausdrücklich begrüßen. Ob aber weitere Flexibilisierungen im Personaleinsatz und vor allem Einschnitte bei den Qualifikationen und bei der Betreuungsqualität der richtige Weg sind, bezweifeln wir stark. Was wir brauchen, ist eine echte Fachkräfteinitiative statt irgendwelcher Behelfslösungen. Und auch wenn solche Forderungen in diesen Zeiten vielleicht noch mehr schmerzen, müssen wir ausreichend Ressourcen bereitstellen. Nicht zuletzt, um die Ausbildungskapazitäten weiter zu erhöhen und eben auch für eine Attraktivierung bei Vergütung und Arbeitsbedingung zu sorgen.

Natürlich sind diese Dinge leichter gesagt als getan. Aber wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir uns wirklich dringend auf den Weg machen und über mehr Personal zu mehr Verlässlichkeit in den Kitas kommen. Denn noch ist es nun mal bittere Realität, dass spontane Probleme durch eingeschränkte Betreuungsangebote für fast alle Familien zum Alltag gehören. Und noch mangelt es vielerorts an ausreichend Fachkräften, um überhaupt die rechtlichen Normierungen einzuhalten. Und nicht zuletzt auch an Personal, um neue Kolleginnen und Kollegen angemessen einzuarbeiten und zu begleiten. Diese ganz praktischen Alltagsprobleme müssen wir uns bei allen detailreichen Diskussionen und Experten-Anhörungen immer wieder bewusst machen. Das Kitagesetz hat nun mal sehr konkrete Auswirkungen auf den Alltag der Beschäftigten, der Eltern und nicht zuletzt der Kinder. Und gerade den Kleinsten sind wir eine gut ausgestattete Kita schuldig, in der sie täglich gut betreut, gesehen und gefördert werden.

 

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