Rede · Jette Waldinger-Thiering · 27.04.2022 Mit uns wird es keine Schularten erster und zweiter Klasse geben!

„Ich finde es vermessen, wenn Konservative meinen, sie könnten mal eben so den Lebensweg junger Menschen anhand der Schulart vorschreiben.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 12+21+25 - Bericht zu den PerspektivSchulen sowie Anträge zu Gleichwertigkeit von Abschlüssen an den Schularten und Sofortprogramm zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei psychosozialen Folgen von Pandemie und Krisen (Drs. 19/3706, 19/3812, 19/3817)

Zum Abschluss der Legislatur zeigen SPD und SSW auch in Wahlkampfzeiten, dass das Land mit uns rechnen kann. Ich habe in vorherigen Debatten schon festgestellt, dass das wichtigste für den SSW jetzt ist, die Schülerinnen und Schüler psychisch zu stärken. Deswegen ist es für uns auch eine Selbstverständlichkeit, jetzt daran mitzuwirken, dass die Mittel dafür auch wirklich bereitgestellt werden können. Wir brauchen ein Sofortprogramm zur psychosozialen Unterstützung und ich bin froh, dass wir das noch gemeinsam anschieben können. 

Vor allem möchte ich aber darauf eingehen, warum wir es für absolut nötig halten, einen Antrag zu stellen, der so etwas basales festhält, wie die Gleichwertigkeit von Schulabschlüssen. 
Wir haben diesen Antrag eingereicht, um CDU und FDP endlich einmal ein Zugeständnis abzuringen. Denn was ich von Ihnen momentan in Podiumsdiskussionen höre, gleicht nicht dem, was eigentlich bildungspolitischer Konsens sein sollte. 

Ich habe von Ihnen gehört, dass Gymnasien den akademischen Nachwuchs ausbilden und Gemeinschaftsschulen den Nachwuchs für das Handwerk liefern. Ich habe von Ihnen gehört, dass das bessere Abitur an Gymnasien absolviert würde und man einem „Akademisierungswahn“ entgegentreten müsse.  
Oder, wie es erst vor ein paar Tagen ein Vertreter der CDU äußerte, dass in den Gymnasien im Gegensatz zu den Gemeinschaftsschulen wirklich Leistung gebracht würde. 
Ich finde es vermessen, wenn Konservative meinen, sie könnten mal eben so den Lebensweg junger Menschen anhand der Schulart vorschreiben. Und ich spreche Sie da als Verantwortungsträger:innen dieses Landes an. 
Schulbildung ist hoheitliche Aufgabe des Landes und in diesem Sinne sind Sie, besonders als regierungstragende Parteien, verantwortlich für ALLE Schülerinnen und Schüler dieses Landes. Und damit sind Sie auch dafür zuständig, ALLEN Schülerinnen und Schülern beste Bildungschancen zu bieten und für hochwertige Bildung an ALLEN Schulformen zu sorgen. 

In Schleswig-Holstein gibt es mehrere Möglichkeiten, das Abitur zu erreichen. 
Und ich sage damit nicht, dass unsere Schularten gleich sind. Im Gegenteil, denn es bestehen nicht nur zwischen den Schularten, sondern auch zwischen den Schulen durchaus verschiedene Strukturen, Schwerpunkte oder Vertiefungsmöglichkeiten. Das macht die Schülerschaft der einen aber nicht leistungsfähiger als die Schülerschaft der anderen Schule. 
Insbesondere dann nicht, wenn es um die Vergleichbarkeit der Hochschulreife geht.  
In den schriftlichen Prüfungen der Kernfächer werden landesweit zentrale Aufgaben gestellt. Wir als SSW sehen daher keine Höher- oder Minderwertigkeit der Hochschulreife zwischen Gemeinschaftsschule mit Oberstufe, beruflichem oder allgemeinbildenden Gymnasien.

Mir kommt es manchmal so vor, als würden Sie in solchen Momenten irgendwie etwas mit der Fachhochschulreife verwechseln. Aber Sie können sich sicher sein; das Auswahlverfahren der Hochschulen findet an den Hochschulen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr genau statt. Da braucht es keine Abgeordneten, die die Entscheidung vorwegnehmen wollen. 

Und aus noch einem anderen Grund wundere ich mich. Die Handwerksverbände und -kammern werben doch selber auch händeringend um Abiturient:innen als Auszubildende. 
Die sagen aber nicht „Wir nehmen nur die von den Gemeinschaftsschulen“. Also warum schießen Sie da quer? 

Wir hatten zur beruflichen Orientierung eigentlich ganz konsensuelle Gespräche im Bildungsausschuss, in denen wir uns, das war jedenfalls mein Eindruck, auch mit dem Ministerium einig waren, dass das neue Gesamtkonzept für Berufliche Orientierung an Schulen für die Gemeinschaftsschulen (mit und ohne Oberstufe), die Gymnasien und die berufsbildenden Schulen sowie Regionalen Berufsbildungszentren in den Sekundarstufen I und II gelten soll. Und zwar so, dass wir unsere Schüler:innen wirklich darin unterstützen, das facettenreiche Spektrum an Lebenswegen kennenlernen zu können und informiert Entscheidungen zu treffen. Unsere Schüler:innen sollen in die Lage versetzen werden, ihre Ausbildung, ihr Studium und auch ihr weiteres Berufsleben erfolgreich zu gestalten.

Deswegen braucht es an dieser Stelle ein Zeichen von der Politik. 
Und zwar auch und besonders im Sinne unserer Schülerinnen und Schüler. 
Für die Gleichwertigkeit von Abschlüssen, für die möglichst freie Wahl von Lebenswegen und für bestmögliche Bildung für alle. 

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