Rede · Jette Waldinger-Thiering · 25.02.2021 Mein Tipp wäre, den jungen Menschen des Landes zuzuhören
„Der Regelfall soll sein, dass die Kinder zurück in die Schulen kommen!“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 19 - Bildung darf nicht gegen Gesundheit ausgespielt werden (Drs. 19/2765)
Aus meiner Sicht wurde der Zungenschlag der letzten Bildungsdiskussionen der Fragestellung eigentlich nicht mehr gerecht. Auf der einen Seite die verkürzte Darstellung, Bildung habe Priorität und auf der anderen Seite, die ebenso absolute Vorstellung, Gesundheit habe Priorität. Es geht aber nicht darum, dass Bildung nicht gegen Gesundheit ausgespielt werden darf. Oder anders rum, dass Gesundheit nicht gegen Bildung ausgespielt werden darf.
Gerade uns als Politikerinnen und Politiker ist klar, dass es um ein Abwägen verschiedener Szenarien geht. Ich mag auch keine politischen Debatten zu Nebensätzen auf Twitter führen.
Bei dem Vorhaben, möglichst viele Kinder wieder zurück in die Schulen zu bekommen, geht es nicht darum, sie bloß fachlich zu unterrichten und im Sinne einer Verwertung für den Arbeitsmarkt zu formen, wie ich es teilweise hören konnte. Es geht darum, dass wir von allen Expertinnen, von Lehrkräften und auch Eltern hören, dass sie sich ernsthafte Sorgen um den Entwicklungszustand ihrer Kinder machen.
Und deswegen möchte ich auch noch einmal betonen, dass Eltern zur Zeit nicht leichtfertig von der Möglichkeit Gebrauch machen sollten, ihre Kinder vom Unterricht zu beurlauben. Und ich möchte das Bildungsministerium darum bitten, hier aufmerksam hinzuschauen, inwieweit die bis zum 07. März geltende vereinfachte Möglichkeit zur Beurlaubung genutzt wird. Der Regelfall soll aus Sicht des SSW sein, dass die Kinder zurück in die Schule kommen.
Manchmal, in der Schnelllebigkeit der Kommentare und Anträge, merken wir, dass sich ein Antrag schon ein bisschen überholt hat, während wir ihn diskutieren. Aus meiner Sicht geht es uns leider auch mit dem hier vorliegenden Antrag so, aber unnötig macht das die Debatte nicht.
Denn sie gibt uns auch die Möglichkeit zu reflektieren, auf wen wir jetzt besonders achten müssen.
Meiner Meinung nach gilt das im Besonderen für zwei Gruppen.
Das sind zum einen die Lehrkräfte und zum anderen die Schülerinnen und Schüler.
Unsere Schulträger, Schulleitungen und Lehrkräfte haben sich in den letzten Monaten darum gekümmert, Hygienekonzepte zu erarbeiten, in denen die AHA+L-Regeln möglichst eingehalten werden können. Ob es Spiele zum Händewaschen sind, Kreidefelder auf dem Schulhof für ein geordnetes Betreten des Schulgebäudes oder einfache Übungen, mit denen Kinder ihren Gefühlen Ausdruck verleihen können. Ich bin immer wieder erfreut über die Kreativität unserer Lehrkräfte.
Für die Lehrkräfte gilt, dass auch Sie Anspruch auf die Fürsorgepflicht ihres Arbeitgebers haben. Sie sollten sich, sofern es in ihrem Arbeitsalltag unter Pandemieumständen geht, sicher fühlen. Dazu gehört das Bereitstellen von FFP2-Masken und verlässliche Teststrategien.
Und für die Kinder in den Schulen möchte ich noch einmal auf den Redebeitrag von Emma Louisa Döhler vom Jungen Rat der Stadt Kiel zurückkommen, die uns in der letzten Expertenanhörung gerade so deutlich gemacht hat, was Corona für junge Menschen bedeutet. Denn der Ort, an dem Junge Menschen sonst gemeinsam den Großteil ihres Lebens verbringen, existiert im Moment nicht richtig. Sie sagen uns immer wieder, wie sehr sie vor allem die sozialen Kontakte benötigen, die automatisch mit einem Schulalltag einher gehen. Und dass einige Kinder und Jugendliche hinten runter fallen, schlicht weil immer noch die technische Grundausstattung fehlt.
Aus Sicht des SSW bleiben folgende große Aufgaben vordergründig:
Erstens, soziale Ungerechtigkeiten müssen dringender denn je bekämpft werden. Es darf nicht sein, dass der finanzielle Hintergrund zu Hause bestimmt, wie Schülerinnen und Schüler in der Schule abschneiden. Oder, auch wenn Sie es merkwürdig finden, dass ich das immer wieder anbringe, ob sie ein warmes Mittagessen bekommen, oder nicht.
Und zweitens, und das ist direkte Aufgabe des Bildungsministeriums, muss es darum gehen, fachliche Lücken abzumildern. Dafür muss bereits jetzt ein zweiter Lernsommer geplant werden. Wir sollten hier auch unsere Volkshochschulen und Schülerhilfen einbinden.
Und beim Lösen dieser Probleme bleibt eins besonders wichtig: den jungen Menschen des Landes zuzuhören!