Rede · Lars Harms · 24.11.2021 Lassen Sie sich bitte impfen!
„Über die Impfung können wir uns unsere gemeinschaftliche Freiheit wieder zurückholen.“
Lars Harms zu TOP 25+26 - Schleswig-Holstein gut durch den Winter bringen – Wirksamer Infektionsschutz braucht wirksame Maßnahmen; Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens! Perspektiven für den Pandemiewinter entwickeln (Drs. 19/3405; 19/3406; 19/3438)
Angesichts der Entwicklungen der letzten Wochen überholen sich Anträge zum Corona-Pandemie-Management ja quasi bereits am nächsten Tage. Wir stehen vor dem zweiten „Corona-Winter“, die Inzidenzen klettern unerbittlich weiter nach oben, die Belegungsquoten der Intensivbetten nehmen wieder stark zu. Wir sind mitten in die vierte Welle gestolpert und die Pandemie wird ihren Lauf beschleunigen, wenn wir jetzt nicht gemeinsam und vorausschauend gegensteuern.
Insgesamt geht das bisherige Pandemie-Management der Landesregierung für uns in Ordnung. Zum einen hatte ja noch niemand von uns eine Pandemie managen müssen; von daher hatten wir grundsätzlich immer Verständnis für das Agieren der Regierenden. Zum zweiten haben ja auch wir in unserer Oppositionsrolle maßgeblich am bisherigen Management mitgewirkt. Wir haben uns stets konstruktiv eingebracht mit Hinweisen, Ideen und Lösungsvorschlägen, sodass manch eine Lücke geschlossen und manch eine Fehlentscheidung der Regierung korrigiert werden konnte. Ein paar Beispiele: Die Schließung der Impfzentren wurde rückgängig gemacht, die Maskenpflicht in den Schulen wieder eingeführt und die Bürgertests wurden wieder kostenlos. Es freut uns, dass auf uns gehört wurde und wird. Eben diese enge Zusammenarbeit von Regierung und Opposition – und damit auch der verschiedenen Gesellschaftsgruppen – hat uns bislang insgesamt gut durch die Pandemie gebracht.
Schauen wir uns die neuesten Entwicklungen und Beschlüsse der letzten Tage auf Bundesebene an: Morgen läuft die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aus, es gilt ein neues Infektionsschutzgesetz, zudem hat die Bund-Länder-Runde von letzter Woche neue Regelungen hervorgebracht.
Insgesamt kann der SSW diese Ergebnisse mittragen. Es ist gut, dass der Meinungs-Hick-Hack der vergangenen Wochen etwas eingefangen werden konnte und nun ein Plan auf dem Tisch liegt, der den Menschen ein Stück weit Transparenz und Planungssicherheit gibt, was auf sie zukommt und wie sie selber dazu beitragen können, die Infektionsketten wieder zu brechen. Gehen wir auf einige der beschlossenen Maßnahmen ein:
1. Heute tritt das neue Infektionsschutzgesetz mit Regeln für 3G am Arbeitsplatz sowie in Bus und Bahn in Kraft. Diese neue Vorgabe halten wir für richtig und sinnvoll – insbesondere ja auch, um die ungeimpften Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu schützen, indem diese einen tagesaktuellen Test vorlegen müssen. So kann das Risiko von unkontrollierten Ausbrüchen am Arbeitsplatz minimiert werden.
Für den ÖPNV sehen wir allerdings noch einige praktische Herausforderungen auf alle Beteiligten zukommen. Die neuen 3G-Regeln sollen ja auch stichprobenartig kontrolliert werden. Doch wie soll dies flächendeckend umgesetzt werden? Soll hierfür nun sehr kurzfristig mehr Personal eingesetzt werden? Kaum machbar. Oder soll diese Aufgabe dem bestehenden Personal zusätzlich aufgebürdet werden? Ebenfalls kaum leistbar – zumal die allgemeine Stimmung ja ohnehin leider zunehmend gereizter wird und es unverantwortbar wäre, das Stammpersonal bei den Kontrollen komplett alleine zu lassen. Wir schlagen stattdessen vor, dem Bus- und Bahnpersonal Verstärkung in Form von Landes- oder Bundespolizisten an die Seite zu stellen – sowohl zu deren eigenem Schutz als auch, um eben die besagten Stichproben-Kontrollen durchzuführen. Unsere Polizeibeamten können auf die Erfahrungen rund um den grenzüberschreitenden Bahnverkehr in Zeiten der Corona-Grenzschließungsmaßnahmen zurückgreifen und bei aggressivem Verhalten resolut durchgreifen. Des Weiteren müssten bei Verstößen gegen die Regeln deutlich härtere Strafen greifen, die wirklich wehtun – beispielsweise hohe Geldstrafen.
2. Die Impfpflicht für Pflegeberufe: Eine Pflicht ist grundsätzlich erst einmal schwierig und die Diskussionen darum werden ja anhalten, aber im Gesundheitsbereich – dort, wo nun mal die vulnerabelsten Gruppen betroffen sind – ist eine Impfpflicht aus unserer Sicht vertretbar. Im Übrigen sollte dort auch Verwaltungspersonal oder auch Reinigungspersonal in Einrichtungen dieser Impfpflicht unterliegen. Die tägliche Testpflicht in Alten- und Pflegeheimen ist zudem eine sinnvolle Ergänzung.
Gleichzeitig müssen wir natürlich zusehen, dass unser Gesundheitspersonal nicht komplett ausbrennt und sich drastisch reduziert. Die Beschäftigten sind mürbe, tagtäglich mit viel Schmerz und Überstunden konfrontiert und inzwischen werden bundesweit in den ersten Kliniken Triage-Teams gegründet und auf eine Überlastung der Intensivstationen vorbereitet. Im letzten Corona-Winter gab es viele Applaus-Aktionen, Lobes- und Dankeshymnen und einen Pflege-Bonus. Gerade der Pflege-Bonus war eine verdiente Anerkennungsbekundung, von der die Pflegekräfte ja auch tatsächlich etwas hatten. Es ist daher ein richtiger Schritt, einen weiteren Pflege-Bonus zu gewähren. Allerdings dürfen wir uns darüber nicht aus der übergeordneten Diskussion um ein allgemein angemesseneres – sprich: höheres – Lohnniveau im Kranken- und Pflegebereich freizukaufen versuchen; diese Diskussion werden wir auf der Agenda behalten. Außerdem muss dieses Mal sichergestellt werden, dass vom Pflege-Bonus alle profitieren: Pflegekräfte, Krankenhaus-Personal und unserer Auffassung nach auch die Beschäftigten im Rettungswesen, die ja ebenfalls mit zur Gesundheitsinfrastruktur gehören. Hier sollte das Land nicht wieder ausgleichen müssen, sondern hier ist der Bund in der Pflicht.
Bund wie Land: Es ist gut, dass wir in Hinblick auf das übergeordnete Pandemie-Management alle gemeinsam an einem Strang ziehen, welcher nach wie vor aus zwei entscheidenden Schlagworten geflochten ist: „Impfen“ und „testen“.
Sinn und Zweck dieser Kampagne ist ja nicht und war auch nie, die Menschen zu nerven oder zu bevormunden, sondern es geht ganz konkret um den Schutz von Menschen. Offenbar müssen wir diese Kernbotschaft noch und nöcher wiederholen: Die Impfung heißt „Corona-Schutzimpfung“, weil sie schützt. Mich selbst, meine Lieben, meine Mitmenschen, unser Gesundheitssystem und nicht zuletzt auch unser aller Freiheit. Wer sich impfen lässt, zeigt sich verantwortungsbewusst, fürsorglich und freiheitsliebend. Denn ja, die derzeitigen Maßnahmen sind wieder notwendig – aber sie wären nicht nötig gewesen, wenn sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits mehr Menschen hätten impfen lassen. Trotz aller Appelle und Aufklärungskampagnen sind wir bei der Impfquote leider noch immer nicht so weit, wie wir es uns zum jetzigen Zeitpunkt gewünscht hätten und wie es für uns als Gesamtgesellschaft notwendig wäre. Ein kleiner, aber nicht vernachlässigbarer Teil der Bevölkerung bleibt skeptisch und unwillig, sich der Solidargemeinschaft anzuschließen. Das ist bitter und trägt leider zu einem sehr großen Teil zu der jetzigen Gesamtsituation bei.
Die wachsende Spaltung der Gesellschaft, das wachsende vergiftete Klima zwischen Geimpften und Ungeimpften ist dabei alarmierend. Daher bleibt auch die Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht extrem schwierig. Wir vom SSW wollen nun zunächst einmal abwarten, wie sich die neuen 3G- bzw. 2G-Regeln auf die allgemeine Impfbereitschaft der Menschen auswirken. Kurzfristig sind die neuen Maßnahmen nun erst einmal die bessere Lösung, da sofort Effekte erzielt werden. Je nachdem, wie wir Anfang nächsten Jahres fallzahlenmäßig dastehen, werden wir die Diskussion aber wohl wieder intensiver aufnehmen müssen.
Lieber wäre uns jedoch weiterhin, wenn es uns gelänge, die Impfkampagne mit Überzeugungsarbeit statt mit einem Zwangspieks voranzutreiben. Im Grunde sind inzwischen alle Argumente von beiden Seiten ausgetauscht; dennoch seien an dieser Stelle nochmals folgende Hinweise an die Adresse der selbstverantworteten Ungeimpften genannt:
Jemand, der bislang immer noch nicht geimpft ist, obwohl keine gesundheitlichen Gründe dagegen sprechen, setzt sich einem deutlich höheren Selbstgefährdungspotenzial aus, an Covid-19, womöglich sogar mit einem sehr schweren Krankheitsverlauf inklusive Intensivstationsaufenthalt und Langzeitfolgen, zu erkranken. Der überdeutliche Großteil der Corona-Intensivpatienten besteht aus ungeimpften Personen. Diese haben unnötigerweise diese schwere Infektion riskiert und binden nun die Kapazitäten von Ärzten und Pflegekräften, die eigentlich dringend anderweitig benötigt würden.
Des Weiteren trägt eine ungeimpfte Person bei einer Ansteckung eine deutlich höhere und länger anhaltende Virenlast in sich, ist also länger und verstärkt infektiös und kann als Superspreader somit deutlich mehr und deutlich ungehemmter Menschen in seinem Umfeld – auf der Arbeit oder eben auch die Liebsten – anstecken. Und diesen Menschen im schlimmsten Fall ebenfalls einen schweren Verlauf bescheren. Woran wir also weiterhin appellieren, ist, dass auch die bislang Ungeimpften erkennen mögen, dass die aktuellen Maßnahmen vornehmlich dem Schutze derjenigen gelten, die sich aus gesundheitlichen Gründen leider nicht impfen lassen können, dem Schutze unserer Kinder, dem Schutze der Leistungsfähigkeit all unserer Ärzte, Rettungs- und Pflegekräfte und ja, eben auch dem Schutze der Ungeimpften selbst.
Natürlich werden wir nicht jeden vor einer Infektion schützen können – ob ungeimpft oder geimpft. Denn ja, auch geimpfte Personen sind ja nicht immun gegen das Coronavirus und können sich weiterhin infizieren; das belegen die Impfdurchbrüche. Doch die Wahrscheinlichkeit ist deutlich geringer und in den allermeisten Fällen verläuft eine Infektion nach vorheriger Impfung deutlich symptomärmer. Die Impfung schützt – und dass wir diese Möglichkeit inzwischen haben, anders als noch im vergangenen Winter, stellt auch die Möglichkeiten des Pandemie-Managements auf neue Säulen.
Insgesamt müssen wir das Impfangebot noch weiter kräftig ausbauen, da wir nun in die heiße Phase der Booster-Impfungen kommen. Impf-Zentren, mobile Impf-Teams, Aktionen in Einkaufspassagen und auf Parkplätzen und auch, wenn kapazitätentechnisch machbar, die Hausärzte – sie alle sind bei dieser Kraftanstrengung mit im Boot und setzen sich für den Schutz ihrer Mitmenschen ein. Außerdem sollten sich die Menschen, ob geimpft oder noch ungeimpft, regelmäßig und weiterhin kostenlos testen lassen können, damit wir Infektionsherde direkt im Keim ersticken können und die Kontrolle über das Geschehen behalten. AHA-Regeln, Mindestabstände, Masken – wir alle kennen den Maßnahmen-Katalog und die allermeisten wissen auch, wie sie sich in den kommenden Wintermonaten verantwortungsvoll verhalten und ihren Beitrag dazu leisten können, dass wir als Gesamtgesellschaft einigermaßen mild durch diese vierte Welle kommen. Über die Impfung können wir uns unsere gemeinschaftliche Freiheit wieder zurückholen, daher appellieren wir nochmals an alle, statt Egoismus lieber Fürsorge und Solidarität zu zeigen, sich für die Impfung zu entscheiden und somit für den Weg, der uns zurück in die Normalität führen wird.