Rede · 11.10.2007 Kein Kind ohne Mahlzeit


In der letzten Landtagssitzung haben wir den Kinder- und Jugendgesundheitsbericht beraten und wir alle haben gemeinsam feststellen können, dass es einen Zusammenhang zwischen der sozialen Lage und dem Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen gibt. Je niedriger der Sozialstatus, desto ungesünder die Kinder. Das war in der letzten Landtagssitzung die erschreckende Erkenntnis. Und dieser Erkenntnis muss nun schnellstmöglich politisches Handeln folgen.

Die Sozialministerin hat zum Weltkindertag deutlich gemacht, dass ein Sozialfonds dazu beitragen könnte, hier wirklich für eine Verbesserung der Situation der Kinder in den Kindertagesstätten zu sorgen. Dabei müssen wir wissen, dass gerade in den ersten Lebensjahren die Grundlagen für die Zukunft gelegt werden. Und das gilt erst recht für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder. Wer also in jüngsten Jahren falsch oder unzureichend ernährt wird, für den werden auch Zukunftschancen verspielt. Wir müssen also aus bildungspolitischer Sicht genauso handeln, wie aus sozialer Sicht.

Wir, FDP und Grüne wollen nun die gute Idee der Jugendministerin aufgreifen und hier nicht nur eine Idee in den Konjunktiv stellen, sondern wirklich auch handeln. Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass auf Bundesebene nicht die verkehrten Weichen gestellt werden. Da kann die Einrichtung eines Sozialfonds zur Mitfinanzierung von Mahlzeiten in Kindertagesstätten ein wichtiges Signal sein, wie das offenbar vorhandene Geld sinnvoller verbraucht werden kann, als es sich mancher auf Bundesebene vorstellt. Bevor man sich Gedanken über ein höheres Kindergeld oder Erziehungsprämien für daheim gebliebene Mütter macht, sollte man lieber in die Kinder direkt investieren. Und das heißt eben auch, dass alle Kinder eine vernünftige Mahlzeit im Kindergarten erhalten. Hierfür muss sich die Landesregierung auf Bundesebene einsetzen.

Wir hier bei uns können aber den ersten Schritt tun. Rund 80.000 Kinder haben wir in unseren Kindertageseinrichtungen. Gut 20% von ihnen gelten als arm und haben Unterstützung nötig. Sieht man sich den Hartz-IV-Satz für Nahrung für Kinder an, so kann man feststellen, dass diese täglichen 2 Euro 57 Cent bei weitem nicht ausreichen. Aber auch Familien mit einem geringen Einkommen können sich oftmals die Mittagsmahlzeit in Kindergärten und Schulen nicht leisten. Wenn wir wirklich wollen, dass alle Kinder gleich gute Chancen haben, dann müssen wir zumindest in den Kindergärten mit gleich guter Ernährung anfangen.

Geht man davon aus, dass 20% arme Kinder in Kindertagesstätten ungefähr 16.000 Kinder ausmachen. Und gehen wir von 250 Tagen Öffnungszeit in den Kindergärten und 1,50 Euro Zuschuss pro Mahlzeit aus, dann kommen wir rechnerisch auf eine Summe in Höhe von 6 Millionen Euro jährlich, die wir brauchen. Das ist selbst in unseren knappen Haushalten vergleichsweise überschaubar. Geht man dann noch davon aus, dass sich die Kommunen, die Wirtschaft und möglicherweise auch andere soziale Organisationen mit beteiligen, dann stellt sich die Frage des „Ob?“ eigentlich nicht mehr, sondern nur die des „Wann?“. Zumal man ja auch bedenken muss, dass nicht jede Einrichtung über ein Essensangebot verfügt und auch die Einführung nicht von einem Tag auf den anderen in jedem Ort durchgeführt wird.

Letztendlich ist somit die Errichtung eines Sozialfonds nicht primär abhängig von den Kosten, sondern vor allem vom politischen Willen. Es ist für mich unerträglich, dass es Kindertagesstätten gibt, in denen Kinder ein Essen einnehmen können, während andere dabei zusehen müssen, weil ihre Eltern sich das Essen nicht leisten können oder wollen. So etwas darf es bei uns nicht geben. Dabei rede ich nicht nur von den Kindern, deren Eltern sich das Essen nicht leisten können, sondern ausdrücklich auch von den Eltern, die andere Ausgaben prioritieren. Wenn wir hier jetzt noch mehr Kindergeld oder andere erziehungsgebundene Geldleistungen zahlen, ist das an manchen Stellen rausgeschmissenes Geld. Dieses Geld sollte vielmehr direkt in die gesunde Ernährung der Kinder in den Kindertagesstätten gesteckt werden. Uns in Schleswig-Holstein steht es gut an, hier Vorreiter in Westdeutschland zu werden und den berühmten ersten Schritt zu tun.

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