Rede · Jette Waldinger-Thiering · 19.02.2015 Kein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger durch „Section Control“

„Eine Abschnittskontrolle kann es nur geben, wenn die Daten nur für die Geschwindigkeitsermittlung verwendet werden, sie nicht mit anderen Systemen verknüpft sind und die Daten, die nicht benötigt werden, unverzüglich automatisch und spurlos gelöscht werden“

Die Geschwindigkeitsüberwachung mittels Überwachung eines Abschnittes und nicht eines bestimmten Punktes wird in verschiedenen europäischen Ländern angewandt. Meist geschieht dies unter Nutzung von Hinweisschildern, die auf die streckenbezogene Überwachung hinweisen und natürlich unter Löschung der Daten der Fahrzeuge, die die Geschwindigkeit nicht überschritten haben. Die Nutzung dieser Technik führte in den meisten Ländern an den betroffenen Strecken zu einer starken Verminderung von Unfällen und Verkehrsdelikten. Vor diesem Hintergrund scheint die Anwendung dieser Technik erst einmal vorteilhaft zu sein. Der Autofahrer bremst nicht bei einer Blitzanlage scharf ab, um dann erst recht Gas zu geben, sondern er wird angehalten, über eine längere Strecke vorschriftsmäßig zu fahren. Der positive erzieherische Effekt ist somit vorhanden.

Nützlich wäre eine solche Technik auch auf Strecken, wie bei der Rader Hochbrücke, wo verschiedene Fahrzeugtypen verschiedene Geschwindigkeitsbeschränkungen haben. Das System der Abschnittskontrolle kann die einzelnen Fahrzeugarten unterscheiden und somit werden nur die Fahrzeuge am Ende geblitzt, die die Geschwindigkeitsbegrenzung für ihren Fahrzeugtyp überschritten haben. Das ist ein bemerkenswerter Vorteil gegenüber anderen Messanlagen, die nur punktuell blitzen und zwischen Fahrzeugtypen eben nicht unterscheiden können. Hier müsste man sonst die Geschwindigkeit für alle Fahrzeuge herabsetzen, um - in unserem Fall - auch die zu schnellen LKWs zu erwischen. Eine generelle Herabsetzung der Geschwindigkeit für alle - also auch für PKWs -, wäre aber rechtlich fragwürdig. Denn eine Geschwindigkeitsbegrenzung darf nicht willkürlich erlassen werden. Zulässig sind Geschwindigkeitsbeschränkungen zum Beispiel bei Unfallschwerpunkten, bei Witterungseinflüssen,  für den Lärmschutz und den Tierschutz oder eben auch, wenn Fahrzeuge ein zu hohes Gewicht haben. Alles sehr spezifische Gründe, die im Falle der Rader Hochbrücke regelmäßig für PKWs nicht angewandt werden können. Deshalb ist die Nutzung von normalen Blitzanlagen zumindest schwierig.

Allerdings gibt es natürlich erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. Es können auf diesen Strecken Bewegungsprofile erstellt werden und wenn hier nicht nur ein Abschnitt, sondern zukünftig eine ganze Region mit dieser Technik überwacht werden würde, hätten man ein riesiges Problem. Außerdem könnte man später auf die Idee kommen, ein solches System für Fahndungsmaßnahmen der Polizei zu nutzen und so durch die Hintertür wieder eine Art Vorratsdatenspeicherung vorzunehmen. Das alles wollen wir natürlich nicht!

Wenn wir also über die Abschnittskontrolle reden, dann reden wir über ein System, dass auf jeden Fall folgende Kriterien erfüllen muss: Die Daten dürfen nur für die Geschwindigkeitsermittlung verwendet werden und sie dürfen nicht mit anderen Systemen verknüpft sein. Die Messanlagen dürfen nur an spezifisch definierten Streckenabschnitten stehen und nicht flächendeckend in einer Region installiert werden. Natürlich müssen die Daten, die nicht benötigt werden, unverzüglich automatisch und spurlos gelöscht werden. Und Hinweisschilder müssen auf die Kontrolle hinweisen. Das ist die allgemeine Grundlage, auf der wir diskutieren. Unterhalb dieser Standards lässt sich nach unserer Auffassung ein solches System ohnehin nicht installieren.

Der Verkehrsgerichtstag hat mit Mehrheit die Abschnittskontrolle 2009 empfohlen. Deshalb wird jetzt im Frühjahr ein Pilotprojekt in Niedersachsen durchgeführt. Nun könnte man sagen, dass man dieses abwarten sollte, bis wir Sicherheit haben. Allerdings wird die Auswertung eines solchen Pilotprojektes sicherlich noch drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen und so lange können wir bei der Rader Hochbrücke möglicherweise nicht warten. Deshalb brauchen wir eine frühere Entscheidung. Entweder die Anlagen zur Abschnittskontrolle können die von mir eben genannten Bedingungen erfüllen, dann ließe sich über eine Einführung diskutieren, oder sie erfüllen sie nicht, dann ist eine Einführung indiskutabel. Und so ganz alternativlos ist die Abschnittskontrolle nicht. Es wäre auch denkbar, dass zivile Polizeistreifen auf diesem Teil der Autobahn mobile Geschwindigkeitskontrollen vornehmen. Diese Geschwindigkeitskontrollen wären allerdings sehr personalintensiv. Ob das machbar wäre, muss man sehen. Zumindest hätte man dann die Chance, erstens nur die LKWs herauszufiltern und zweitens diejenigen Fahrzeugführer, die aus Staaten kommen, in denen unsere Busgeldbescheide nicht wirken, direkt abzukassieren. Der Lerneffekt würde sich also unmittelbar einstellen. Möglicherweise ist dies kurzfristig die beste Alternative. Ob die Abschnittskontrolle langfristig sinnvoll ist, sollten wir im Ausschuss beraten.

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