Rede · Jette Waldinger-Thiering · 05.07.2018 Gute Rahmenbedingungen schaffen statt Pseudoprobleme zu lösen

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 17 - Wertevermittlung stärken – Kopfnoten einführen

Laut AfD muss die Wertevermittlung an unseren Schulen offenbar dringend gestärkt werden. Auch hier in Schleswig-Holstein will man der Disziplinlosigkeit den Kampf ansagen. Nicht nur diese, sondern auch die mangelnde Lernbereitschaft wird in ihren Programmen ja häufiger beklagt. Durch eine Verschärfung der Zeugnisverordnung soll nun aber alles besser werden. In Zukunft sollen Lehrkräfte Verhaltensweisen wie Betragen, Mitarbeit, Fleiß und Ordnung mit Ziffernnoten von 1 bis 6 bewerten. Noch dazu sind diese dann im Kopfteil des Zeugnisses aufzuführen. In letzter Konsequenz will die AfD mit ihrer Initiative nicht weniger erreichen, als ein „besseres gesellschaftliches Miteinander“. 

Wenn ich ehrlich bin, dann kann ich wirklich nur verwundert den Kopf schütteln. Als hätten unsere Schulen keine anderen Probleme. Natürlich spielen Themen wie Sozialkompetenz und Lernverhalten eine wichtige Rolle. Und zwar nicht nur in der Bildung, sondern weit darüber hinaus. Aus diesem Grund setzt sich der SSW zum Beispiel immer wieder dafür ein, dass diese Fähigkeiten schon in der frühkindlichen Bildung intensiv gefördert werden. Und noch dazu hat die Vermittlung von Werten und entsprechenden Verhaltensweisen ja nicht nur hier, sondern auch im Schulbereich, längst höchste Priorität. Diese Dinge werden zwar nicht mit Ziffernnoten beurteilt, aber sie sind selbstverständlich Teil der Zeugnisse. Es gibt also wirklich wichtigeres, was man mit Landtagsanträgen anstoßen kann. 

Auch aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Lehrerin muss ich eins deutlich sagen: In kaum einem Fach ist die starre Benotung nach Ziffern wirklich angemessen. Die Realität ist nun mal facettenreicher. In nahezu allen Unterrichtsfächern stellt sich also die Frage der Validität und der Vergleichbarkeit der Noten. Und gerade die Eigenschaften, die die AfD in dieses Raster pressen will, sind in höchstem Maße subjektiv. Deshalb ist die Beurteilung in Textform gerade für die genannten Kategorien der absolut richtige Weg. Wenn es nach mir geht, sollte man nicht noch mehr mit 1 bis 6, sondern eher dazu übergehen, weitere Leistungen in Textform zu bewerten. 

Es gibt genug Baustellen in der Bildung. Aber Verschärfungen oder Grenzsetzungen für unsere Schülerinnen und Schüler gehören nicht dazu. Wir haben wirklich andere Probleme: Im internationalen Vergleich hinken wir zum Beispiel bei den Gesamtausgaben für Bildung noch immer hinterher. Und bei den Pro-Kopf-Ausgaben liegt Schleswig-Holstein auch im Ländervergleich im unteren Drittel. Außerdem haben die soziale Herkunft und das Portemonnaie der Eltern auch heute noch einen viel zu großen Einfluss auf den Bildungserfolg. Diese Beispiele sagen doch vor allem eins: Wir müssen uns dringend um gute Rahmenbedingungen für unsere Schulen und unsere Lehrkräfte kümmern, statt uns hier mit irgendwelchen Pseudoproblemen zu beschäftigen.

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