Rede · Lars Harms · 30.06.2022 Gerechtere Besteuerung muss das Leben im Land bezahlbarer machen

„Die Idee einer Übergewinnsteuer auf Unternehmen, die von Krisen oder Kriegen profitieren, mag auf den ersten Blick moralisch nachvollziehbar sein. Sie ist aber weder neu, noch leicht umzusetzen und birgt zudem ökonomische wie (verfassungs-)rechtliche Risiken.“

Lars Harms zu TOP 11 - Einführung einer Übergewinnsteuer (Drs. 20/19; 20/43)

Was ist eine Übergewinnsteuer und wer sollte sie wann zahlen müssen? Angesichts der aktuellen vielfältigen Krisenherde wird die Idee einer solchen Steuer heiß diskutiert – aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.

Schon mit Beginn der Corona-Pandemie, insbesondere aber seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben sich viele Güter des täglichen Bedarfs massiv verteuert. Lebensmittel, Strom, Heizen, Tanken – während nun beispielsweise die großen Mineralölkonzerne anstrengungslos Krisenerlöse in Milliardenhöhe kassieren, sind die Endverbraucher, also die Bürgerinnen und Bürger, die Leidtragenden. Auch die zeitlich befristeten Entlastungspakete des Bundes vermögen diese Kostenspiralen weder dauerhaft noch wirklich spürbar aufzuhalten. 

Nun soll der Staat eingreifen und für einen gewissen Ausgleich sorgen, sprich: Wer von Krisen, Katastrophen und Kriegen profitiert, soll zahlen müssen. Dieses zusätzlich eingenommene Geld soll dann im direkten Gegenzug zur Abmilderung der Belastungen eingesetzt werden. Auf den ersten Blick mag dies moralisch nachvollziehbar sein. Auf den zweiten Blick eröffnen sich aber diverse ökonomische, verfassungsrechtliche und praktische Risiken.

Diese fangen schon bei der Definition des Begriffs „Übergewinnsteuer“ an: Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Daher wäre jegliche Festlegung auf einen Referenzzeitraum und eine Grenze, ab der ein leistungsloser „Übergewinn“ zu verbuchen wäre, willkürlich. Ein Steuersystem muss aber rechtssicher und berechenbar sein. Sonst drohen dem Standort Deutschland und unserem Wirtschaftssystem nachhaltige Schäden durch Vertrauensverlust, Produktionsminderung und Abwanderung. 

Ebenso unklar ist auch die Definition eines „Krisen- oder Kriegsgewinners“. Diese gibt es häufiger, als man womöglich vermutet – gerade auch unmittelbar.
Beispiel Energiesektor: Die Mineralölkonzerne verdienen aktuell mehr als in vergangenen Vergleichszeiträumen und sind unbestritten „Krisengewinner“. Gleichzeitig gehen aber u.a. auch die Geschäfte von Wärmepumpenherstellern und Solaranlagenherstellern durch die Decke, da sehr viele Verbraucher nun auf diese umschwenken wollen – u.a. ja auch beworben und gefördert durch die Politik. Solche Unternehmen müssten folglich auch unter den Krisengewinnern gelistet und mit der Übergewinnsteuer belegt werden. Dazu ist im Antragstext aber kein Wort zu finden. Ein weiteres ähnliches Beispiel: Biontech hat durch die Entwicklung und den Verkauf seines Impfstoffes einen milliardenschweren Umsatz und Gewinn gemacht. Und wir sind alle froh um diese Impfstoffentwicklung. Aber wäre hier dann nicht auch eine Übergewinnsteuer als Krisengewinnler der Corona-Krise fällig? Was würden diese beiden Beispiele wohl für ein Signal senden für zukünftiges innovatives Unternehmertum?

Wir sehen also: Das grundsätzliche Problem mit einer Übergewinnsteuer ist ein konzeptionelles.
Es gibt nun einmal Unternehmen, die hohe Gewinne erzielen und zwar mit Geschäftsmodellen, die einigen nicht passen mögen. Welche Gewinne sind nun also „gut“ und welche „böse“? Welche Branche darf hohe Gewinne erzielen, und welche nicht? Und ab wann ist ein Gewinn zu hoch? Hier kratzen wir ganz schnell am Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und öffnen Willkür und Populismus Tür und Tor.

Bleibt als Fazit festzuhalten: 
Die Übergewinnsteuer ist nicht einfach einzuführen. Daher sollten wir uns gerade auch das Gesamtsystem anschauen und dort eine nachhaltige Lösung erarbeiten. Unser Steuersystem ist noch nicht vollkommen gerecht – und wird es vermutlich auch nie sein. Aber wir können daran arbeiten. Neue Herausforderungen und Sachlagen bedürfen neuer Instrumente. Wir plädieren ja u.a. dafür, die internationalen Großunternehmen und Superreichen höher und somit angemessener zu besteuern, damit die Mittelschicht entlastet werden kann. Denn für die ganz normalen Bürgerinnen und Bürger muss das Leben bezahlbar bleiben; dafür setzt sich der SSW ein. Aber dafür braucht es schnelle, durchdachte und nachhaltige Reformen. Ob eine Übergewinnsteuer da ein Weg sein kann, werden wir sehen. Eine Ausschussüberweisung ist hier wohl der geeignete Weg, um uns noch einmal intensiver über mögliche Reformen und Instrumente auszutauschen.

Weitere Artikel

Rede · Lars Harms · 20.11.2024 Die Standesvorrechte des Adels sind abgeschafft!

„Das Konstrukt Sachsenwald ist aus der Zeit gefallen und gehört abgeschafft. Wir erwarten daher von der Landesregierung, dass nun zügig die entsprechenden Schritte unternommen werden, um eine Regelung zu finden, die kommunalverfassungsrechtlich und steuerrechtlich umsetzbar und rechtssicher ist.“

Weiterlesen

Rede · Lars Harms · 20.11.2024 Grundsteuer-Desaster doch noch abwenden!

„Wir unterstützen diesen pragmatischen Grundsteuermesszahlengesetz-entwurf der SPD und denken, dass dieser nun auch noch rechtzeitig vorliegt, um seinen parlamentarischen Weg gehen und dann integriert werden zu können. Dafür müsste es nun sehr schnell gehen, aber der breiten Masse, vor allem Eigenheim- und Wohnungsbesitzern sowie den Mietern, würde dies wirklich helfen.“

Weiterlesen

Rede · Lars Harms · 20.11.2024 Ein Ukraine-Notkredit bleibt relevant

„Der damalige Notkreditrahmen von 1,5 Milliarden Euro war ein Höchstrahmen, der möglich gewesen wäre, wenn alles wie vorgesehen gelaufen wäre. Wir können froh sein, dass diese Mittel nicht vollständig benötigt werden.“

Weiterlesen