Rede · Jette Waldinger-Thiering · 25.11.2022 Frauen und Kinder vor Gewalt schützen
„Art und Umfang der Hilfe darf nicht davon abhängen, ob sie auf dem Land oder in der Stadt oder nördlich oder südlich des Kanals leben. Unser Anspruch muss sein, allen Frauen und Kindern, die von Gewalt bedroht sind, gleichermaßen zu helfen.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 37+49 - Gewalt gegen Frauen entschieden entgegentreten – Frauenfacheinrichtungen bedarfsgerecht finanzieren, Frauen schützen – Kompetenzzentrum gegen geschlechtsspezifische Gewalt (Drs. 20/382 und 20/408)
Leider ist die Aufgabe, Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen, wichtiger als je zuvor. Denn wie wir wissen, waren und sind Frauen allein schon im Zusammenhang mit der Pandemie einem erhöhten Risiko für häusliche Gewalt ausgesetzt. Fast 3900 von ihnen sind hier in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr zu Gewaltopfern geworden. Diese Zahl ist erschreckend und beschämend. Und für mich ist völlig klar, dass wir diese Situation nicht einfach hinnehmen dürfen. Was völlig selbstverständlich sein muss, kann man offensichtlich nicht oft genug wiederholen: Frauen und Kinder haben genauso das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Schutz vor Gewalt, wie alle anderen Mitglieder unserer Gesellschaft auch. Doch weil dieser Grundsatz leider immer wieder verletzt wird, ist es aus Sicht des SSW unsere gemeinsame Aufgabe, alles dafür zu tun, um geschlechtsspezifische Gewalt und Gewalt gegen Kinder zurückzudrängen und möglichst komplett zu verhindern. Und gerade, weil der Kinderschutz in diesem Zusammenhang so wichtig ist, bin ich froh, dass ich diesen Punkt in unseren gemeinsamen Antrag einbringen konnte.
So traurig es ist, dass uns dieses Thema immer wieder beschäftigt, so froh bin ich über die grundsätzliche Einigkeit bei der Unterstützung der entsprechenden Hilfs- und Beratungsangebote. Denn leider war, ist und bleibt diese Unterstützung für unsere Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen bitter nötig. Es ist bekannt, dass wir gut ausgebaute ambulante und stationäre Angebote haben. Doch es zeichnet sich ab, dass viele dieser Angebote nicht nur pandemiebedingt, sondern auch infolge der Ukrainekrise oder der Situation in Afghanistan und im Iran verstärkt in Anspruch genommen werden. Außerdem ist bekannt, dass auch die aktuelle Bedarfsanalyse des Landes zu dem Ergebnis gekommen ist, dass wir in fast allen Bereichen nachbessern müssen. Und deshalb ist es gut und wichtig, dass wir diese Frage heute diskutieren.
Nicht erst mit den vergangenen Krisenjahren ist deutlich geworden, dass wir einen Mehrbedarf bei Schutzplätzen und bei bezahlbarem Wohnraum für die Betroffenen haben. Wir brauchen weitere Frauenhausplätze und wir sollten darauf achten, dass diese regional verteilt sind. Ich will deshalb deutlich sagen, dass wir uns sehr über das bald fertige Frauenhaus im Kreis Schleswig-Flensburg freuen. Und ich erwarte, dass auch die 12 neuen Plätze in Nordfriesland bald Realität sind. Vor dem Hintergrund der Bedarfsanalyse sehen wir ja auch im nördlichen Landesteil klaren Verbesserungsbedarf. Denn egal ob wir über die Unterbringung oder über die Beratung von Frauen in Not reden: Art und Umfang der Hilfe darf nicht davon abhängen, ob sie auf dem Land oder in der Stadt oder nördlich oder südlich des Kanals leben. Unser Anspruch muss sein, allen Frauen und Kindern, die von Gewalt bedroht sind, gleichermaßen zu helfen.
Es ist gut und richtig, dass wir die genannten Herausforderungen gemeinsam annehmen. Und dass wir diesen auch durch das geplante Kompetenzzentrum gegen geschlechtsspezifische Gewalt begegnen. Dieser Ansatz und der damit verbundene Paradigmenwechsel, nach dem Gewalt gegen Frauen auch als sicherheitspolitisches Thema stärker in den Fokus rücken muss, ist absolut folgerichtig. Das gilt selbstverständlich auch für das Vorhaben, Strategien zur Gewaltbekämpfung aber auch präventive Maßnahmen zu stärken. Zu bemerken bleibt, dass bisher nicht klar ist, ob und wie zum Beispiel freie Träger eingebunden werden sollen, über welche Zeitschiene wir reden oder welcher Finanzrahmen hierfür angedacht ist. Vor allem muss uns klar sein, dass nicht etwa zugunsten des Kompetenzzentrums auf die Unterstützung bestehender Strukturen verzichtet wird. Denn unsere Frauenhäuser und Beratungsstellen müssen nicht nur erhalten, sondern weiter ausgebaut werden. Hierfür müssen wir uns auch in Zukunft einsetzen.