Rede · 26.01.2011 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes u. a.

CDU und FDP verabschieden heute eine Schulgesetznovelle, die so überflüssig ist wie ein Kropf. Als Evaluation des jetzigen Schulgesetzes kommt sie zu früh und als Neuausrichtung der schleswig-holsteinischen Schulpolitik hat sie nur die Sichtweisen von Vorgestern zu bieten. Schon als der Referentenentwurf in die Anhörung ging, wurde Protest laut. Und sowohl die schriftliche als auch die mündliche Anhörung haben ergeben, dass dieses Schulgesetz so nicht gewollt ist. Lehrer, Eltern, Schüler, Verbände, Wissenschaftler, Gewerkschaft, Schulträger, Bürgermeister und eine Volksinitiative, die dem Parlament mittlerweile 25.000 Unterschriften überreicht hat, versuchen seit Monaten, diese Schulgesetznovelle zu verhindern. Doch statt den Dialog zu suchen, wird durchregiert. Dass die FDP-Fraktion kurz vor Torschluss eine Pro-Schulgesetz- Erklärung von schulpolitisch befreundeten Verbänden und Personen unterzeichnen lässt, wirkt vor diesem Hintergrund eher niedlich.

Fakt ist, dass sich CDU und FDP aus ihrer Verantwortung für ein verkorkstes Schulgesetz stehlen, indem sie behaupten, sie würden ja nur Möglichkeiten schaffen, aber niemanden zwingen. Sie schaffen Beliebigkeit unter dem Deckmantel der Liberalität und geben damit die schulpolitische Gestaltungskraft und Verantwortung aus den Händen. Mit anderen Worten sagt die Landesregierung den Schulen: Macht doch was ihr wollt! Dass sie aber gleichzeitig, sozusagen hinter den Kulissen über den Weg der Verordnungen, Tatsachen schafft, die nur in eine Richtung zeigen, dass ist der wirkliche Skandal.

Was übrig bleibt, ist eine schleswig-holsteinische Schullandschaft, die von der Politik nicht nur die schlechtesten Ausgangsbedingungen erhält, sondern auch noch im Stich gelassen wird.

Aus Sicht des SSW gibt es keinen Grund, das Schulgesetz von 2007 über den grünen Klee zu loben, denn es bescherte uns keine Schulreform aus einem Guss: Gymnasien mit G8, Gemeinschaftsschulen mit G9 und dazu noch die Regionalschulen als faulen Kompromiss, weil sich die CDU nicht traute. Alles dies ist auch vom SSW kritisiert worden. Unser Ziel ist weiterhin die flächendeckende Einführung der Gemeinschaftsschule. Dass wir damit nicht allein stehen, haben die letzten Jahre zu genüge belegt. Die Gemeinschaftsschule ist in Schleswig-Holstein ein Erfolgsmodell; die Regionalschule ist es nicht. Nur machen die Gemeinschaftsschulen auch den Gymnasien Konkurrenz, so dass CDU und FDP mit dieser Schulgesetznovelle versuchen zu retten, was zu retten ist und eine bildungspolitische Rolle rückwärts vollführen. Man ist gegen die Benachteiligung des Gymnasiums, heißt es ausdrücklich im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen. Und plötzlich sind wir wieder an einem Punkt angelangt, den wir längst überwunden hatten: Statt sich endlich für eine neue Lehrerausbildung stark zu machen und die Qualität des Unterrichts und der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern in den Mittelpunkt zu stellen, bindet uns die Landesregierung eine neue Schulstrukturdiskussion ans Bein.

Mit der Einführung des Y-Modells an den Gymnasien, sollen diese im Wettbewerb gegen die Gemeinschaftsschulen besser bestehen. Gleichzeitig wird versucht, die fortschrittliche schleswig-holsteinische Schulpolitik zurück zu holen, indem der Wesenskern der Gemeinschaftsschulen - und zwar der binnendifferenzierte Unterricht und die damit verbundene Vorstellung, dass alle Kinder gleiche Chancen erhalten - zerstört wird. Mit der Ermöglichung von abschlussbezogenen Klassen betreibt die FDP nicht nur Klientelpolitik, sie zementiert vor allem Bevölkerungsschichten und führt das dreigliedrige Schulsystem durch die Hintertür wieder ein. Die Vorstellung, dass es dumme, nicht so dumme und schlaue Kinder gibt, die mit einem Stempel auf der Stirn in die ihnen vorgegebenen Schubladen klettern, ist so überholt, dass man sich wirklich fragt, in welchem Jahrhundert diese Partei lebt. Dazu kommt, dass die Einrichtung von Oberstufen an Gemeinschaftsschulen erschwert wird, so dass ganze Schulplanungen zunichte gemacht und insbesondere der ländliche Raum bildungspolitisch weiter geschwächt wird.

Das ganze passiert laut FDP, weil Elternproteste wahrgenommen werden. Dabei wird völlig ignoriert, dass die Eltern gegen die hohe Belastung ihrer Kinder in den G8-Jahrgängen protestieren und dass dieses Problem mit der Schulgesetznovelle in keinster Weise gelöst wird. Nach wie vor bleibt der Unterrichtsstoff in G8 und G9 der gleiche. Nur weil einige wenige Gymnasien zukünftig G8 und G9 parallel anbieten, ist die verkorkste Einführung von G8 also noch längst nicht behoben. Der SSW steht für ein Abitur nach 9 Jahren; wir stehen aber nicht für Rosinenpickerei. Daher sage ich: Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrung zwischen Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Wer für das Y-Modell eintritt, sagt nämlich auch, dass ihm das Abitur an Gemeinschaftsschulen nicht gut genug ist.

Zu diesen grundsätzlichen Kritikpunkten kommen aus Sicht des SSW eine ganze Reihe weiterer Punkte, die deutlich machen, dass die vorliegende Gesetzesnovelle nicht zu Ende gedacht ist, so zum Beispiel die unklare Vollkostenberechnung beim Schullastenausgleich. Mit den Heimatgemeinden solle es einen fairen Interessenausgleich geben, heißt es. Wie dieser aussieht und was passiert, wenn Kosten steigen oder abweichen, ist jedoch weiterhin unklar. Der schleswig-holsteinische Gemeindetag hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass die Vollkostenberechnung viele Auseinandersetzungen provozieren wird. Und auch die Formulierung zur inklusiven Beschulung ist nur auf den ersten Blick positiv. Zwar begrüßt der SSW ganz ausdrücklich, dass sich auch Förderzentren ohne Schülerinnen und Schüler zukünftig im Sinne des Gesetzes als Schule definieren können. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die inklusive Beschulung im gleichen Atemzug unter Ressourcenvorbehalt gestellt wird. Eine inklusive Beschulung kann es aber nicht zum Nulltarif geben!

Der SSW hat zum vorliegenden Gesetzentwurf einen Änderungsantrag gestellt, in dem wir für die Schulen der dänischen Minderheit die Gleichstellung fordern. Der Beschluss aus der Dezembersitzung des Landtages, einseitig bei den Schulkindern der dänischen Minderheit zu kürzen, ist ein eklatanter Bruch mit der Minderheitenpolitik des Landes. Dieser Beschluss war vor einem Monat genau so falsch, wie er es heute ist und in Zukunft sein wird.

Daher appellieren wir noch einmal besonders an die Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen, diesen Beschluss zu korrigieren. 2007 hat der damalige und auch heutige Ministerpräsident in Verbindung mit der Schulgesetzänderung die Gleichstellung noch als alternativlos dargestellt, weil die Schulen der Minderheit quasi öffentliche Schulen für den dänischen Bevölkerungsteil sind. Heute interessiert dies anscheinend niemanden mehr. Alle unsere Argumente der letzten Monate sind ins Leere gelaufen, weil die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen nicht einmal den Willen zum Zuhören hatten. CDU und FDP haben sich bewusst auf veraltete Informationen gestützt, falsche Informationen genutzt und sich Gegenargumenten verschlossen. Dabei gibt es jenseits von Schwarz-Gelb keine Mehrheit für die einseitigen Kürzungen bei den Kindern an dänischen Schulen. CDU und FDP missachten nicht nur einen Teil der Bevölkerung, der in diesem Land lebt und Steuern zahlt, sie missachten vor allem auch die minderheitenpolitischen Grundsätze in diesem Land und führen uns zurück in die 70er Jahre.

Aber das tun CDU und FDP nicht nur in Sachen Minderheitenpolitik, sondern eben auch in Sachen Schulpolitik. Sie ignorieren eine Volksinitiative mit über 25.000 Unterschriften und ziehen eine Schulgesetznovelle durch, ohne die Anhörungen zu beachten oder die Kritik wahrzunehmen. Unter demokratischen Gesichtspunkten ist diese Vorgehensweise wirklich ein Armutszeugnis.
Mag sein, dass die CDU 2007 über ihren eigenen Schatten sprang. Sie hat es aber getan! Daher stimmt es traurig, dass sie heute nicht mehr dazu steht. Fakt ist, dass sich die CDU von der FDP am Nasenring durch die bildungspolitische Manege hat ziehen lassen, und das ist bitter. Viel schlimmer ist aber die Tatsache, dass es der FDP mit dieser Schulgesetznovelle gelungen ist, ein Salto rückwärts zu veranstalten, der das Publikum wirklich staunen lässt.
Allerdings muss ich für den SSW ganz klar sagen, dass nur die CDU/FDP-Schulpolitik vorwärts in die Vergangenheit marschiert. Die Schulen sind in ihrer Entwicklung schon sehr viel weiter und wollen einen mühevollen Prozess nicht mehr zurückdrehen, sondern endlich in Ruhe arbeiten. Wir sollten den Schulen daher Zeit geben und nur dort nachbessern, wo es wirklich hakt, wie z.B. bei der Belastung durch G8 oder der Struktur der Lehrerausbildung. Dafür benötigen wir aber keine Schulgesetzänderung! Für die Schulen in diesem Land kann ich mir nur wünschen, dass sie – trotz der Steine, die ihnen die Landesregierung mit diesem Schulgesetz in den Weg legt - den Mut nicht verlieren auf ihrem Weg für eine gute Schule!

Weitere Artikel

Pressemitteilung · Christian Dirschauer · 19.12.2024 Christian Dirschauer: LNG ist und bleibt eine Sackgasse

Zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die FSRU-Anlage in Wilhelmshaven abzuweisen, erklärt der energie- und umweltpolitische Sprecher der SSW-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Christian Dirschauer:

Weiterlesen

Rede · Sybilla Nitsch · 13.12.2024 Bürokratie-Entlastung für Schaustellerbetriebe überfällig

„Vor allem würden die Änderungen für die Schaustellerbranche einen entscheidenden Unterschied machen, damit nicht nur Besucherinnen und Besucher etwa bei künftigen Weihnachtsmärkten ein Lächeln im Gesicht haben, sondern vor allem auch die Schaustellerinnen und Schausteller bei uns im Land.“

Weiterlesen

Rede · Jette Waldinger-Thiering · 13.12.2024 Wir brauchen eine zeitgemäße Regelung für Schwangerschaftsabbrüche

„Und auch die vorgelagerte Verantwortung für die Verhütung überlassen wir den Frauen allein. Auch das ist eine Forderung aus dem Kommissionsbericht: Verhütungsmittel müssen kostenlos sein, für alle! Es kann und darf nicht sein, dass Frauen ungewollt schwanger werden, weil sie nicht genug Geld für Verhütungsmittel haben.“

Weiterlesen