Rede · Lars Harms · 23.02.2022 Ein paar Podiumsdiskussionen und Kleckerbeträge reichen nicht
„Der Bericht zum Aktionsplan zeigt Fortschritte... Mein größter Kritikpunkt ist allerdings die Diskrepanz zwischen vollmundigem Ankündigen und tatsächlichem Haushaltsansatz. Die Landesregierung weiß darum und peppt deswegen auch den Aktionsplan etwas auf.“
Lars Harms zu TOP 48 - Aktionsplan Echte Vielfalt (Drs. 19/2974)
Der Bericht zum Aktionsplan zeigt Fortschritte. Gut gemacht. Die Arbeit, die viele Initiativen machen, zum größten Teil im Ehrenamt, ist bewundernswert. Auch die Angebote zur Fortbildung im Schul- und Polizeidienst sind richtig. Beim näheren Hinsehen allerdings zeigt der Bericht zum Aktionsplan aber auch einige Schwächen.
Zu allererst ist da die niedrige Fördersumme, die dann auch noch in Kleckerbeträgen an viele, einzelne Projekte ausbezahlt wurde. Dass die Summe aller Maßnahmen deutlich fünfstellig ist, ist ernüchternd. Der monetäre Stellenwert muss dringend angepasst werden. Ich weiß, dass viele Initiativen mit viel Herzblut und Selbstausbeutung zu Werke gehen, aber ein bisschen mehr als eine symbolische Finanzierung dürfte es meiner Ansicht nach schon sein. 371 Euro war der Zuschuss für eine Postkartenaktion im Jahr 2017. Das sind wohl weniger als 1.000 Karten, für eine landesweite Aktion ist das äußerst sparsam. Außerdem fällt auf, dass nicht die gesamten Mittel eingesetzt wurden. Wo liegt das Problem? Sind es die Antragswege oder die fehlenden Ressourcen der Initiativen? Ich hätte gern mehr Infos über die Verfahren.
Ein weiteres Problem ist die Evaluierung. Wenn ich den Bericht richtig verstehe, ist die Sensibilisierung der Mehrheitsgesellschaft ein zentrales Ziel. Peilen wir mal über den Daumen, dass es sich in Schleswig-Holstein dabei um zwei Millionen Menschen handelt. Da kann sich die Sensibilisierung nicht in Einzelaktionen erschöpfen. Mit einer einzelnen Podiumsdiskussion ist es keineswegs getan; vor allem, weil zu einer solchen Diskussion erfahrungsgemäß sowieso vor allem Leute gehen, denen das Thema bereits vertraut ist. Der Aktionsplan kann sich nicht darin erschöpfen, die Überzeugten zu überzeugen. Wir benötigen breiter angelegte Maßnahmen. Die Landesregierung verspricht zwar Evaluierung, meint aber vor allem statistische Aufzählungen. Es geht ja nur um „echte Vielfalt“, da kann man schon mal ein bisschen entspannter sein. Nein, kann man nicht. Es geht nicht darum, wie viele Menschen welche Veranstaltungen besuchten, sondern ob die Veranstaltungen ihre Ziele erreichten. Das will ich wissen, wenn ich als Landtagsabgeordneter einen Bericht der Landesregierung lese. Ich würde mich freuen, wenn die nächsten Berichte in diesem Punkt genauer sind.
Mein größter Kritikpunkt ist allerdings die Diskrepanz zwischen vollmundigem Ankündigen und tatsächlichem Haushaltsansatz. Die Landesregierung weiß darum und peppt deswegen auch den Aktionsplan etwas auf. Das ist eigentlich ein bisschen peinlich, wenn behauptet wird, dass Fortbildungen zur interkulturellen Kompetenz in der Staatskanzlei auch irgendetwas mit sexuellen Identitäten oder Orientierung zu tun hätten. Weil ich schwimmen kann, kann ich lange noch nicht Skifahren. Dass nur ein Haus überhaupt die Verwendung des Gendersternchens angibt, und das auch nur in „geeignetem Schriftgut“, was auch immer das ist, ist ein Armutszeugnis. Wenn die Landesregierung das Sternchen ablehnt, was ihr gutes Recht ist, soll sie das schreiben. Aber doch nicht ein einziges Ministerium vorschicken. Warum stellt der Ministerpräsident der Landesregierung die Verwendung des Gendersternchens nicht frei, nach dem Motto, keine muss, aber jeder kann?
Unsere Gesellschaft profitiert von der Vielfalt. Diese Erkenntnis muss ich allerdings auch als Angehöriger einer Minderheit immer wiederholen. Das nervt. Wohlgemeinte Hilfsangebote nerven allerdings auch. Vielfalt erscheint manch Ewiggestrigem als Problem, weil es früher so etwas gar nicht gab. Das ist sachlich falsch, weil die Sichtbarkeit gar nicht gegeben war. Und vergessen wir nicht, dass Homosexualität lange eine Straftat war.
Vielfalt ist eine Chance. Eine möglichst bunte Vielfalt in Schulen, Betrieben und Vereinen hat große Vorteile. Und genauso sollte Vielfalt seitens der Landesregierung auch kommuniziert werden.