Rede · Christian Dirschauer · 12.12.2024 Echte Vorhaltefinanzierung statt Fallpauschalen und Fallzahlen
„Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Reform des KHVVG in Schleswig-Holstein bekommen müssen bzw. eine regionale Anpassung. Um eine lückenlose flächendeckende Versorgung zu erreichen, muss das KHVVG landestauglich gemacht werden.“
Christian Dirschauer zu TOP 24 - Bericht zu den Auswirkungen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes auf Schleswig-Holstein (Drs. 20/2735)
Die Menschen in diesem Land warten schon lange auf ein klares Signal in Sachen Krankenhaus: Sie werden nämlich älter und damit steigt das Risiko, Patient in einem Krankenhaus zu werden. Doch nach der Insolvenz u. a. der Flensburger Diako ist die Angst vor einer sich verschlechternden Versorgung, einer Ausdünnung der Angebote und der Schließung von Stationen regelrecht mit den Händen zu greifen. Die Bundesregierung hat jetzt nach langen, zähen Verhandlungen ein Paket auf dem Weg gebracht. Aber ich bedaure es, dass wichtige und nötige Verbesserungen aus Seiten der Länder nicht berücksichtigt wurden. Das lang erwartete Signal ist also ausgeblieben.
In Schleswig-Holstein ging in den letzten Jahren eine enorme Modernisierung in den Krankenhäusern vor sich, die auch durch Debatten hier im Landtag und durch fachlich fundierte Beratungen im Ausschuss nach vorne gebracht werden konnten. Aber es bleiben weiterhin Versorgungslücken für seltene Erkrankungen und auch für Frühchen und Mehrfach-Erkrankte droht eine Unterversorgung.
Als absolut vordringlich sehe ich dabei die besondere geografische Situation Schleswig-Holsteins an: Unser Bundesland kann man eben wegen seiner Inseln und Halligen sowie den dünn besiedelten Geest-Gebieten und der dänischen Grenze nicht mit den Stadtstaaten oder anderen Bundesländern vergleichen. Ich möchte ein Beispiel anführen: Für Amrum ist die Notfallversorgung per Hubschrauber gesichert, aber wenn die Flensburger Perinatal-Station geschlossen werden sollte, müssen Mutter und Kind bis nach Kiel oder Lübeck geflogen werden. Das gleiche steht wohl auch bei Schlaganfallpatientinnen und -patienten an. Das wird der SSW nicht akzeptieren, weil es damit zu einer Verschlechterung kommen wird.
Ich bin mir sicher: Wenn es nach dem neuen Gesetz geht, wird es zu einer Unterversorgung im Norden und Westen des Landes kommen, weil die Berliner Vorgaben es eben so wollen. Das ist aber nicht im Sinne des Landes. Die Berliner Gesundheitspolitik muss hier vor Ort so umgesetzt werden, dass die Versorgung sich nicht verschlechtert. Das muss gemeinsames Ziel sein! Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine echte Vorhaltefinanzierung bekommen: Die DRGs haben sich nicht bewährt. Das muss man hier einmal in aller Deutlichkeit sagen: vor allem in der Geburtshilfe hat es deswegen falsche Weichenstellungen gegeben. Wir brauchen bei der Finanzierung ein echtes Lösen vom bestehenden System. Das heißt: Kein Festhalten an Fallpauschalen und Fallzahlen, sondern eine echte Vorhaltefinanzierung.
Das bedeutet auch, dass wir eine adäquate Übergangsfinanzierung ermöglichen müssen. Wir müssen den Kliniken schon jetzt unter die Arme greifen, um keine weiteren in die Insolvenz zu verlieren. Ich mache mir Sorgen um das, was in Flensburg geplant ist. Die Diako hat große Anstrengungen gemacht, um schwarze Zahlen schreiben zu können: unter anderem wurden die Leiharbeitsverträge fast vollständig beendet. Das hat zu einer erheblichen Verdichtung auf den Stationen geführt und steigenden Zahlen bei den Krankheitstagen. Aber auch so kann auch die Diako nicht aus eigenen Mitteln die Systemprobleme lösen. Was passiert, wenn die Diako wieder nicht zahlen kann? Wird es dann kein neues Haus geben? Oder muss die Diako verkaufen, einen Investor ins Boot holen oder die hälftige Trägerschaft reduzieren? Das sind allesamt keine guten Aussichten. Ich wünsche mir vom Gesundheitsministerium darum klare Signale dazu, wie der Übergang sicher gewährleistet werden kann.
Das gilt übrigens nicht nur für Flensburg. Auch andere Standorte hatten sich von der Reform viel versprochen und wurden kalt erwischt. Konkrete Folgen werden sich bald zeigen. Diese müssen mit dem Landtag kommuniziert werden; und zwar bevor ich das als Abgeordneter in den Zeitungen lesen muss.
Die geplanten Regionalgespräche könnten ein Mittel sein, um die Kommunikation zu verbessern. Manchmal glaube ich ja schon, dass man in Kiel nicht so ganz genau orientiert ist, was in den Kliniken vor Ort vor sich geht. Diese Gespräche müssen alle Akteurinnen und Akteure einbinden, damit alle Perspektiven in eine Reform einfließen können. Dazu gehören auch die Kassen und der Rettungsdienst; also alle, die mit den Kliniken zu tun haben und die die Auswirkungen der Reform unmittelbar zu spüren bekommen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Reform des KHVVG in Schleswig-Holstein bekommen müssen bzw. eine regionale Anpassung. Um eine lückenlose flächendeckende Versorgung zu erreichen, muss das KHVVG landestauglich gemacht werden.