Rede · Lars Harms · 23.02.2018 Dünne braune Suppe
Lars Harms zu TOP 30 - Maßnahmen zur Altersfeststellung bei minderjährigen Ausländern
„Prüfungen zur Altersfeststellung sind in Deutschland zulässig und haben Konsequenzen. Mehr braucht es nicht.“
Bei manchen Anträgen der AfD fragt man sich ja: Wissen sie es nicht? Oder wollen sie es nicht wissen? Ein Blick ins Internet hätte gereicht, um zu erkennen, dass in Bezug auf die Altersfeststellung bei minderjährigen Ausländern schon alles geregelt ist.
Lassen Sie mich Ihnen deswegen klipp und klar erklären, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden:
Er ist - mal wieder- unnötig und dient nur dem Zweck, dass Sie mit einem Thema in die Nachrichten kommen, das Vorbehalte bedient und Vorurteile schürt. Die Prüfung der Minderjährigkeit bei Menschen, die Asyl beantragen, ist in Deutschland seit Oktober 2015 per Bundesgesetz zugelassen und diese Prüfungen haben auch Konsequenzen. Mehr braucht es nicht. Und Sie wissen das.
Für die Altersfeststellung sind unsere Jugendämter zuständig. Wenn bei einer Person im Asylverfahren die Ausweispapiere fehlen, beginnt die sogenannte Altersfeststellung.
Heißt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes führen ausführliche Gespräche mit der Person. Und dabei sehen sie sie selbstverständlich auch an und beurteilen das Alter nach dem äußeren Erscheinungsbild. Wenn danach Zweifel am Alter bestehen, hat das Jugendamt die Möglichkeit, medizinische Röntgen-Untersuchungen in Auftrag zu geben. Diesen Untersuchungen müssen die Person und deren Vormund zustimmen. Wird die Zustimmung verweigert, ist das Jugendamt legitimiert, die Altersfeststellung zu beenden und darf die Inobhutnahme ablehnen. Das heißt, dann gibt es keine Leistungen nach den Bestimmungen im Jugendhilfebereich und dann gibt es auch keine besonderen Regelungen im Asylverfahren.
Typisch für die Antragsstellenden ist wieder einmal der merkwürdige Umgang mit Einschätzungen der von ihnen auserkorenen Sachverständigen.
Bei Ihnen gibt es kein Abwägen. Es gibt kein Einbeziehen anderer Standpunkte und es gibt keinen ruhigen Angang an Themen. Es gibt Ihre Weltsicht und das, was sich ihr anzupassen hat. Deswegen stellen Sie nicht den wissenschaftlichen und ethischen Streit über die Altersdiagnostik dar. Sie zitieren natürlich nicht die Bundesärztekammer, die sich wegen der Ungenauigkeit und nicht gegebenen medizinischen Notwendigkeit gegen den Röntgenvorgang ausspricht und deren Ethikkommission, die eher sozialpädagogische Prüfungen empfiehlt. In Ihrem drei Seiten langen Antrag widmen Sie dem Argument, ohne das sich ihr Antrag gar nicht stellen ließe, nämlich der forensischen Altersdiagnostik, genau drei Zeilen. Das ist ein wenig Dünne!
Ich ziehe ausdrücklich die medizinischen Erkenntnisse nicht in Zweifel. Die medizinische Methode der Altersbestimmung ist die genaueste, die wir zur Verfügung haben. Und ist die medizinische Untersuchung uneindeutig, gilt, wie in jeden vernünftigen Rechtsstaat: Im Zweifel für den Angeklagten.
Der von der AfD angepriesene zweifelsfreie Nachweis der Volljährigkeit ist eben nicht immer ganz so zweifelsfrei. Eigentlich ist er es nie. Die forensischen Untersuchungen zur Altersdiagnostik liefern trotz des Hantierens mit dem sogenannten Minimalalter nicht immer unfehlbare Ergebnisse. Handknochen sind normalerweise schon ab dem 16. Lebensjahr ausgewachsen. Bei den Zähnen und dem Schlüsselbein ist dies zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr. Sind also die Handkochen ausgewachsen, aber das Schlüsselbein und die Zähne noch nicht, gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Person über 16 Jahre alt ist und je nach Ausprägung der Zähne oder des Schlüsselbeins vielleicht auch über 18 oder 21 Jahre alt. Näherungsweise lässt sich so ein vermutliches Alter ermitteln. Die Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik und das „Minimalalterskonzept" erklären hierbei das höchste Minimalalter für gültig und wenn dieses bei einem der drei Kriterien also über 18 liegt, gilt die untersuchte Person als volljährig.
Wir können also feststellen, die diagnostischen Möglichkeiten sind da, die gesetzliche Grundlage ist auch vorhanden und Regelungen, Leistungen aufgrund der mangelnden Altersfeststellung zu verweigern, sind auch da. Der Rechtsstaat hat damit alle Mittel.
Der eigentlich stattfindende Prozess müsste deshalb doch sein, darüber nachzudenken, warum Menschen sich gegebenenfalls als jünger ausgeben, als sie eigentlich sind.
Ob gewisse Leistungen nicht viel eher auf mehr Menschen ausgeweitet werden sollten. Der eigentliche Schluss müsste doch sein, dass nicht die Verfahren das Problem sind, sondern die starren Altersgrenzen in unseren asylrechtlichen Regelungen, die über Unterbringung und Bleibeperspektive entscheiden. Hier etwas zugunsten der Betroffenen und der Verwaltung zu vereinfachen wäre viel wichtiger, damit die neuen Menschen in unserer Gesellschaft auch ankommen und ihren Beitrag leisten können. Das ist die eigentliche Herausforderung und der verschließen Sie sich von der AfD völlig!