Rede · Lars Harms · 28.01.2021 Digitalisierung muss deutlich schneller werden
"Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass wir mit Blick auf die gesamte öffentliche Verwaltung im europäischen Vergleich deutlich hinterherhinken."
Lars Harms zu TOP 26 - Leistungsfähigkeit der IT-Systeme des Landes im Lichte der Corona-Pandemie (Drs. 19/2699)
Mittlerweile plagt uns die Corona-Pandemie schon seit fast einem Jahr. Kaum ein Bereich bleibt hiervon unberührt. Die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft als Ganzes, aber auch auf Teilbereiche wie unser Gesundheits- und Schulsystem und unsere digitale Infrastruktur, sind enorm. Damit ist völlig klar, dass derzeit nicht zuletzt die IT-Systeme des Landes vor großen Herausforderungen stehen. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des SSW natürlich zu begrüßen, dass wir hier über die Frage der Leistungsfähigkeit dieser Systeme beraten.
Ich denke darüber, dass unsere IT-Systeme längst an ihre Grenzen stoßen, sind wir uns weitestgehend einig. Ein Blick auf unsere Schulen macht das mehr als deutlich: Hier verzweifeln nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch Lehrkräfte und Eltern regelmäßig an den Schwächen des Systems. Egal, ob wir uns digitale Lernplattformen, Serverkapazitäten oder die Versorgung mit mobilen Endgeräten oder Breitband anschauen: Überall wird deutlich, dass unser Bildungssystem nicht mehr zeitgemäß ist. In Teilen fehlt es an Einheitlichkeit und Kompatibilität. Vor allem aber liegt es daran, dass insgesamt schon seit Jahren viel zu wenig investiert wurde. Diese Probleme wurden durch Corona zwar verdeutlicht und mitunter auch verschärft - aber sicher nicht verursacht.
Wenn wir zum Beispiel nach Dänemark schauen, zeigt sich, welche Vorteile ein konsequent digitalisiertes Bildungswesen auch in einer solchen Extremsituation hat. Hier wird schon seit Mitte der 1990er Jahre erheblich und vor allem dauerhaft investiert, um IT in den Unterrichtsalltag zu integrieren. Smartboards, Beamer und W-Lan gehören längst zum Standard. Gleichzeitig sind nahezu alle Haushalte in Dänemark mit schnellem Internet und ein Großteil der Schüler mit einem mobilen Endgerät ausgestattet. Bildungseinrichtungen und Ministerien arbeiten eng zusammen. Zum Beispiel, wenn es um den einfachen Zugang zu digitalen Lehrmitteln geht. Man hat dort schon früh ein Lehrernetzwerk zum Austausch von Erfahrungen im Bereich der Digitalisierung aufgebaut und die Effekte der digitalen Medien im Unterricht werden kontinuierlich ausgewertet und evaluiert. Außerdem gibt es in den dänischen Kommunen schon seit Jahren funktionierende Lernplattformen, die zur Planung, Durchführung und Evaluierung des Unterrichts genutzt werden. Diese Infrastruktur zahlt sich in Zeiten geschlossener Schulen doppelt aus.
Aus meiner Sicht sollten wir uns dieses dänische Beispiel endlich zum Vorbild nehmen. Und spätestens mit dem Beschluss zum Digitalpakt zwischen Bund und Ländern ist das auch durchaus realistisch. Damit stehen Schleswig-Holstein über 150 Millionen Euro für die Digitalisierung des Schulwesens zur Verfügung. Mit einem vergleichbaren Budget für diese Aufgabe ist man in Dänemark mehrere Jahre hingekommen. Umso ärgerlicher ist es, dass wir hierzulande weiterhin völlig unnötig Zeit verschwenden. Anstatt den Digitalpakt konsequent umzusetzen, wurden bis heute kaum Mittel abgerufen. Und die Probleme sind hausgemacht: Anstatt den Schulträgern offene Budgets zur Verfügung zu stellen, will die Landesregierung erst einmal umfangreiche Konzepte sehen. Und als wäre das nicht sperrig genug, fordert sie auch noch eine Co-Finanzierung durch die Schulträger. Und das, obwohl viele Kommunen ja schon vor Corona äußerst knapp bei Kasse waren.
Für den SSW steht fest, dass wir so nicht weiterkommen. Deshalb haben wir diese Punkte in einem Antrag zusammengefasst und gefordert, dass das Antragsverfahren vereinfacht und die Co-Finanzierungsvorgabe gestrichen wird. Damit würden wir bei der dringend nötigen Digitalisierung im Schulwesen deutlich schneller vorankommen. Doch während beispielsweise Sachsen bereits 100 Prozent der Bundesmittel abgerufen hat, sind es bei uns ganze 3 Prozent. Offensichtlich fehlt unserer Landesregierung der Wille, hier wirklich etwas zu bewegen. Das ist nicht nur in der aktuellen Situation ärgerlich, sondern grundsätzlich unverantwortlich. Schließlich müssen wir unsere Kinder fit machen für eine zunehmend digitale Lebens- und Arbeitswelt.
Leider ist die Leistungsfähigkeit unserer IT-Systeme bei weitem nicht nur im Bereich Schule eingeschränkt. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass wir mit Blick auf die gesamte öffentliche Verwaltung im europäischen Vergleich deutlich hinterherhinken. Zwar gibt es durchaus kulturelle Unterschiede im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern. Beispielsweise, wenn es um die Frage geht, welche Daten ich Behörden anvertrauen möchte. Aber beim Thema E-Government herrscht hier seit Jahren gefühlter Stillstand. In anderen Ländern sind digitale Behördengänge und Dienstleistungen längst selbstverständlich. Und deshalb steht für uns fest: Auch unsere Verwaltung muss in die Lage versetzt werden und sich entsprechend öffnen, um Bürgerinnen und Bürgern unkompliziert und zeitlich unabhängig Zugang zu den Leistungen des Staates zu ermöglichen.
Eins dürfte damit klar sein: Auch losgelöst von den aktuellen Herausforderungen liegt eine Menge Arbeit vor uns. Es muss dringend erheblich in die gesamte IT-Infrastruktur investiert werden. Andernfalls wird sich nicht nur unser Rückstand auf andere Länder verfestigen, wenn es um Bildung und bürgerfreundliche Verwaltungen geht, sondern wir werden auch an Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand einbüßen. Und dabei sollten wir uns am Beispiel des Nachbarn Dänemark orientieren. Es geht also um weit mehr als um kurzfristige Krisenbewältigung. Sondern schlicht darum, für die Zukunft gerüstet zu sein.