Rede · Sybilla Nitsch · 21.06.2024 Die Landesregierung unterläuft das Parlament!

„Die Landesregierung hält sich nicht an politische Beschlüsse des Parlamentes. Dadurch werden Machtverhältnisse der Gewaltenteilung verschoben. Gerade in einer Zeit, wo immer stärker um die Werte der Demokratie gerungen und gekämpft werden muss, darf man sich so nicht angreifbar machen.“

Sybilla Nitsch zu TOP 25 - Konsequente Umsetzung von Landtagsbeschlüssen durch die Landesregierung (Drs 20/2227)

Als Oppositionsfraktion sind wir es durchaus gewohnt, dass die regierungstragenden Fraktionen unseren Anträgen die Zustimmung verweigert – da sind wir leiderprobt. Nicht weil die Anträge schlecht oder verkehrt sind, nein, einfach nur, weil sie von der Opposition kommen. Das muss ich nicht gut oder richtig finden, so ist nun mal das politische und parlamentarische Geschäft. Damit können wir als Oppositionsfraktion arbeiten und wir werden nicht lockerlassen und werden im Parlament auch weiterhin gute Anträge und Initiative einreichen. Und wenn sie, von der Koalition, unsere Anträge ablehnen, dann fällt das auf sie zurück.
Der vorliegende Antrag der SPD greift nun einen Sachverhalt auf, der sich in Bezug auf Parlamentsanträge anders darstellt, als eingangs beschrieben. Dort ist die Rede von einem Antrag der Koalition, um dem Fachkräftemangel im öffentlichen Verkehr effektiv entgegenzuwirken. Dieser Antrag wurde im Parlament seinerzeit einstimmig angenommen und damit war die politische Zielrichtung klar. Alle Fraktionen hier im Landtag sind sich dahingehend einig, dass wir mehr Personal im ÖPNV und SPNV brauchen, das haben im Vorfeld gerade auch die Gespräche mit den Eisenbahnverkehrsgesellschaften ergeben. Die Landesregierung wurde im Rahmen des Antrages gebeten ein Konzept für Aus- und Fortbildung vorzulegen. Dieses Konzept wurde bisher von der Landesregierung nicht erarbeitet beziehungsweise dem Parlament vorgelegt. Wir reden hier von einem politischen Auftrag, der vor einem Jahr einstimmig verabschiedet wurde. Angesichts der allgemeinen Situation um den Fachkräftemangel mag so ein Konzept nicht einfach sein, aber Raketenphysik ist es auch nicht.
Ein anderes Beispiel, wo die Landesregierung einen gemeinsamen Beschluss politisch unterlaufen hat, beziehungsweise dem sogar entgegenarbeitet hat, ist der interfraktionelle Antrag „Kein CCS in Schleswig-Holstein“, Drucksache 20/24. Alle Fraktionen haben zu Beginn dieser Legislaturperiode dem Antrag zugestimmt und damit ihre ablehnende Haltung gegenüber der Nutzung der CCS-Technologie in Schleswig-Holstein sowie in den deutschen Küstengewässern in der AWZ deutlich zum Ausdruck gebracht. Das war im Juni 2022. Einen Monat später hat der Vertreter von Minister Madsen in der Wirtschaftsministerkonferenz für die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid gestimmt. Ministerin Prien hat sich dann gegen „Denkverbote“ in Bezug auf CCS ausgesprochen. Und zu guter Letzt kam die Aussage des Ministerpräsidenten, die Reduzierung des Eintrages von Treibhausgasen „unideologisch“ zu prüfen; dies gelte für Kernenergie genauso wie für CCS. Daher wolle der Ministerpräsident an das Thema CCS pragmatisch und offen herangehen. Als SSW haben wir unsere Kritik an den Aussagen und der Vorgehensweise der Landesregierung klar zum Ausdruck gebracht. Der Ursprungsantrag, „Kein CCS in Schleswig-Holstein“, war aus unserer Sicht unmissverständlich formuliert. Und das Abstimmungsergebnis hier im Parlament konnte nicht deutlicher sein. Auch die Koalition hat dem Antrag zugestimmt und damit geht ganz klar eine politische Bindung – auch für die Landesregierung – einher. Eine solche Unterminierung von Seiten der Landesregierung ist aus Sicht des SSW ein Zeichen mangelnden Respekts vor dem Parlament. Einen gemeinsamen politischen Beschluss so zu unterlaufen, kommt der Missbilligung eines Parlamentsbeschlusses gleich. Das haben wir in einer Dringlichkeitsdebatte dann auch deutlich zum Ausdruck gebracht. 
Ich frage mich dann auch, wie die regierungstragenden Fraktionen mit dieser Art der Missbilligung umgehen – denn schließlich haben sie den politischen Beschluss mitgetragen. Da haben sich CDU und insbesondere Die Grünen von ihrer eigenen Regierung hinter die Fichte führen lassen und wurden zum Narren gehalten. 
Hinter verschlossenen Türen mag es anschließend zwischen den Fraktionen und der Landesregierung durchaus Bereinigungen gegeben haben, aber die Außenwirkung ist meines Erachtens fatal. Das Bild, das den Wählerinnen und Wählern damit vermittelt wird, ist demokratieschädigend. Die Landesregierung hält sich nicht an politische Beschlüsse des Parlamentes. Dadurch werden Machtverhältnisse der Gewaltenteilung verschoben. Gerade in einer Zeit, wo immer stärker um die Werte der Demokratie gerungen und gekämpft werden muss, darf man sich so nicht angreifbar machen. 
Es mag durchaus sein, dass es politische Themen gibt, auf die neue Antworten gefunden werden müssen, beziehungsweise wo Anträge sich nicht eins zu eins umgesetzt lassen. Dann erwarte ich aber, dass die Landesregierung proaktiv auf das Parlament zugeht und entsprechend informiert, warum dies oder jenes nicht umgesetzt wird. 
Wie gesagt, ein solche Verhalten von Seiten der Landesregierung ist aus Sicht des SSW nicht tolerierbar, denn es widerspricht unserer Auffassung nach den parlamentarischen Regeln. Sollte festzustellen sein, dass diese nicht ausreichen, dann sollte über weitergehende parlamentarische Kontrollmöglichkeiten nachgedacht werden.

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