Rede · Lars Harms · 25.09.2024 Die Grundsteuerreform ist ein chaotisches Desaster
„Ich kann Ihnen sagen, dass ich es bis zur Anhörung zu diesem Thema nicht erlebt habe, dass ein Gesetzentwurf von wirklich allen Anzuhörenden so dermaßen zerrissen wird.“
Lars Harms zu TOP 2 - Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Schleswig-Holstein (Drs. 20/2221; 20/2413)
Es ist ja wahrlich erstaunlich, welch unterschiedliche Schlüsse man aus einer Anhörung ziehen kann. Diplomatisch gesprochen gab es an dem vorliegenden Gesetzentwurf „durchaus auch viel Kritik“. Es gab Aufrufe zur Umsteuerung – oder zumindest zur nachträglichen Schadensbegrenzung. Tatsächlich bin ich selbst seit über 20 Jahren Mitglied dieses Landtages und kann Ihnen sagen, dass ich es bis zur Anhörung zu diesem Thema nicht erlebt habe, dass ein Gesetzentwurf von wirklich allen Anzuhörenden so dermaßen zerrissen wird. Dennoch wollen Sie diesen nun so beschließen. Das ist mindestens ignorant, mittelfristig aber auch fatal, denn die Klageflut baut sich ja bereits auf. Der SSW lehnt den Gesetzentwurf ganz entschieden ab.
Das Bundesmodell ist für Schleswig-Holstein das falsche Modell. Das haben wir vom SSW von Anfang an so eingeschätzt, das haben nun auch die Anhörungen so ergeben und das zeigen die vielen Klagen, die bereits anhängig sind. Als SSW haben wir stets betont, dass die neue Berechnungsmethode grundsätzlich rechtssicher, möglichst einfach und möglichst gerecht sein sollte und dass die Reform letztendlich nicht zu einer versteckten Steuererhöhung in den Kommunen führen dürfe. Zusätzlich haben wir uns ja auch stets für ein aussagekräftiges Transparenzregister eingesetzt. Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt nichts von alledem. Stattdessen hat Schwarz-Grün das Bundesmodell nun noch mit ein paar ungebetenen Ergänzungen quasi verschlimmbessert und präsentiert nun ein Modell, bei dem man die ganz wenigen „Gewinner“ mit der Lupe suchen muss und sich ansonsten gegen die flächendeckende Klagewelle der „Verlierer“ wappnen muss.
Denn: Nach Nordrhein-Westfalen sollen mit dem Gesetzentwurf auch in Schleswig-Holstein differenzierte Hebesätze für die Grundsteuer ermöglicht werden, sprich: Die Kommunen könnten für Wohn- und Nichtwohngrundstücke künftig unterschiedliche Grundsteuerhebesätze festlegen. Sowohl von Seiten der Landesregierung als auch von den Kollegen der regierungstragenden Fraktionen hieß es dazu ja, die kommunalen Landesverbände hätten diese Möglichkeit explizit gewünscht. Ich erinnere an dieser Stelle gern daran, dass ich daher in der Anhörung im Finanzausschuss die explizite Nachfrage an die neue Finanzministerin gerichtet hatte, ob sich mindestens eine Kommune tatsächlich mit diesem Wunsch an das Ministerium gewandt hatte – und die Antwort lautete: „Nein.“ Wenig überraschend, schließlich hatten die kommunalen Landesverbände die mündliche Anhörung im Finanzausschuss medienwirksam sausen lassen und mussten offensichtlich erst massiv dazu gedrängt werden, ein knapp einseitiges diplomatisches Schreiben zu verfassen, in dem differenzierte Hebesätze als „ein Instrument“ bezeichnet werden, welches „grundsätzlich in Betracht“ käme. Eine „ausdrückliche Begrüßung“ klingt ja doch deutlich anders. Überraschen kann diese zähneknirschende Rückmeldung kaum, schließlich ist allen bewusst, dass dieses Instrument verfassungsrechtlich hochproblematisch und zudem verwaltungstechnisch extrem aufwendig ist.
Dazu gibt es ja nun endlich auch das lange von uns gewünschte Transparenzregister. Jeder und jede kann sich nun genau ausrechnen, wie viel Grundsteuer er zahlen muss. So wäre es ja gedacht gewesen – Transparenz, Vergleichbarkeit, Planbarkeit. Eigentlich. Die neuen Hebesätze und Berechnungskriterien werden sehr viele Verlierer hervorbringen, das ist inzwischen sicher. Wohnen wird teurer, vor allem für Mieterinnen und Mieter. Und wenn nun auch nur eine Kommune die differenzierte Hebesatzmöglichkeit nutzt, dann ist das Transparenzregister dort vollkommen wertlos und stattdessen steigen Verwaltungsaufwand und Unmut.
Und die Krönung dazu: Mit dem Gesetzentwurf wälzt die Landesregierung die Verantwortung für dieses erwartbare Chaos, den Unmut und die Klagen auf kommunaler Ebene bequem auf eben diese Kommunen ab. Keine Spur von Verantwortlichkeit und dem Eingeständnis, dass man hier Murks niedergeschrieben hat und diesen korrigieren wird. Nein, mit dem Ärger sollen sich die kommunalen Vertreter auseinandersetzen. Das ist wirklich unredlich! Man kann den Kommunen daher wirklich nur ausdrücklich davon abraten, von diesem Instrument der differenzierten Hebesätze Gebrauch zu machen – quasi zum Selbstschutz.
Insgesamt ist die Grundsteuerreform in ein chaotisches Desaster ausgeartet, bei dem die Landesregierung trotz besseren Wissens und trotz massivster Bedenken und Klagen dennoch stur auf dem eigenen Gesetzentwurf beharrt. Und mit diesem Gesetz werden wir noch richtig viel Ärger haben. Von daher: Wir lehnen den Gesetzentwurf ab – und die nächste Grundsteuer-Debatte kommt bestimmt.