Rede · Jette Waldinger-Thiering · 17.06.2020 Die berufliche Bildung gehört ins Bildungsministerium
Wir brauchen eine Politik für die berufliche Bildung, nicht für den Koalitionsfrieden!
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 9 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes (Drs. 19/1965 + 19/2230)
Wir widmen uns in dieser Änderung des Schulgesetzes zwei Themenbereichen, die nichts miteinander zu tun haben.
Ich möchte mit dem beginnen, den ich schneller abhandeln kann. Mir behagt die Debatte um Schleierverbote an Bildungseinrichtungen nach wie vor nicht. Für mich bleibt sie eine Stellvertreterdebatte, in der man wirklich vorsichtig in der abwägenden Argumentation bleiben sollte. Auch an Schulen. Denn weder, das wissen wir aus der Anhörung, in schulrechtlichen Belangen, noch bei der Antidiskriminierungsstelle des Landes hat es bisher Fälle der Gesichtsverhüllung in Schleswig-Holstein gegeben.
Tatsächlich sind für mich aber ganz klar neben der rechtlichen Situation, auch aus meiner eigenen Berufstätigkeit heraus, die Schule und die Universität voneinander zu unterscheidende Einrichtungen. Wir haben an Schulen einen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag, andere pädagogische Mittel und andere Formen der Kommunikation. Und deswegen kann ich auch mit einem Verhüllungsverbot an Schulen leben.
Damit möchte ich aber zur anderen Frage kommen. Die Errichtung eines Schleswig-Holsteinischen Instituts für Berufliche Bildung. Es ist wirklich an der Zeit, die berufliche Bildung zu stärken und sie zukunftsfest aufzustellen. Die Interessen der beruflichen Bildung sollten einheitlich vertreten werden.
Nur: Wird das mit dem SHIBB, wie Jamaika es umsetzt, gelingen?
Ich habe daran große Zweifel.
Ein SHiBB nach Hamburger Vorbild, wie wir es uns damals vorgestellt haben, das wäre was gewesen! Berufliche Bildung im Bildungsministerium.
Aber das, was Jamaika präsentiert, ist stattdessen praktischer Koalitionsproporz, wie er im Buche steht.
Ich möchte einmal aus dem Gesetz direkt zitieren:
„§ 129
Schulaufsichtsbehörden
(1) Untere Schulaufsichtsbehörde ist das Schulamt. Obere Schulaufsichtsbehörde ist das Schleswig-Holsteinische Institut für Berufliche Bildung - Landesamt - (SHIBB).
Oberste Schulaufsichtsbehörde ist das für Bildung zuständige Ministerium; es führt den Begriff Bildung in der Ressortbezeichnung.“
So ein Durcheinander! Sie verfolgen hier nicht die Interessen der Beruflichen Bildung!
Berufliche Bildung und Ausbildung gehören ins Bildungsministerium und nicht zur Wirtschaft! Das SHiBB sollte effizient sein, anpassungsfähig und schnell auf unterschiedliche Bedarfe nach Region und Berufssparte reagieren können. Die vielen verschiedenen Ausbildungen bei uns im Land verändern sich so schnell, sei es zum Erzieher oder zur Mechatronikerin. Da braucht es Schlagkraft, da braucht es Kampagnenfähigkeit!
Wie soll das gehen in den Doppelstrukturen, die Sie schaffen? Wie soll das gehen, wenn das Wirtschaftsministerium nichts alleine entscheiden kann?
Oder auch: Wie soll das funktionieren, wenn schon jetzt klar ist, wie viele Betroffene sich von Ihnen nicht mitgedacht fühlen? Das muss Ihnen doch spätestens seit der mündlichen Anhörung klar sein und es ist mir unbegreiflich, warum Sie hier die Hände in den Schoß legen.
Auch die Besetzung des Kuratoriums haben Sie nicht regeln können.
Das, was Sie wirklich sicherstellen wollten war, dass jede Koalitionspartei mit ihrem Ministerium ihre Plätze sicher hat. Sie verfolgen hier nicht die Interessen der beruflichen Bildung, sondern Ihre eigenen. Das ist zwar typisch für Jamaika, aber so sollte Politik nicht funktionieren!
An Ihrer Stelle hätte ich mich für eine Sache besonders stark gemacht, die ich so nur aus der Opposition heraus einbringen konnte:
Unser Beauftragter für Menschen mit Behinderungen muss in diesem Kuratorium einen Platz haben. Ausbildung und vor allem aber der Übergang von der Schule in den Beruf muss inklusiv gedacht werden!
Ich kann einfach nur sagen: wir sind hier noch nicht fertig. Es gibt zu viele Widersprüche, zu viele offene Fragen, zu viele ungehörte Expertisen.
Wir brauchen eine dritte Lesung und wir brauchen eine Politik für die Berufliche Bildung, nicht für den Koalitionsfrieden!