Rede · Christian Dirschauer · 25.03.2021 Der große Bereich „Soziales“ gehört hauptsächlich in die öffentliche Hand

„Soziales, insbesondere die klassische Daseinsvorsorge, gehören zuallererst in die öffentliche Hand. Eine Strategie zur Weiterentwicklung des sozialen Unternehmertums ist dennoch eine sinnvolle Sache; es wird dann zu Anfang 2022 darauf ankommen, wie die Details und die konkrete Umsetzung aussehen sollen.“

Christian Dirschauer zu TOP 33 - Eine Social Entrepreneurship und Social Innovation-Strategie für Schleswig-Holstein entwickeln (Drs. 19/2871)

Wirtschaftlicher Erfolg und positive gesellschaftliche Wirkung: Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer wollen diese beiden Ziele kombinieren und gleichermaßen erreichen. Sie sind „Social Entrepreneurs“, ordnen ihre Produkte oder Dienstleistungen also dem sozialen Unternehmertum zu. Eigener Erfolg wird hier auch daran gemessen, dass gesellschaftliche Verantwortung übernommen und gelebt wird. Dies ist grundsätzlich eine positive Einstellung. 

Denn Tatsache ist: Wir stehen als Gesamtgesellschaft vor immer drängender werdenden, komplexen Herausforderungen, die neue Wege erforderlich machen. Hinzu kommt, dass auch und gerade in Krisenzeiten, wie wir sie ja zurzeit durch die Coronapandemie erleben, neue kreative Ansätze und Lösungen gesucht und gefunden werden müssen. Diese Krise wird nachhallen und auch unsere Wirtschaftslandschaft verändern. Darauf müssen wir uns vorbereiten und dazu gehört, dass dann eben auch die Möglichkeiten für sozialunternehmerische Ideen und innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle klug ausgebaut werden. Eine Strategie zur Weiterentwicklung des sozialen Unternehmertums und des gesamten Netzwerkes, das ja dahintersteht, unter Federführung des Landes ist daher eine sinnvolle Sache. Die Haushaltsmittel dafür sind ja auch schon bereitgestellt worden. 

Und natürlich ist klar, dass es in diesem Prozess noch so einige Unklarheiten gibt.
Das fängt ja schon bei den Begrifflichkeiten an: Wie wird „Social Entrepreneurship“ denn konkret definiert? Wer fällt in diese Kategorie, wer aus welchen Gründen nicht? Dies hat ja auch Auswirkungen auf potenzielle Förderprogramme und -summen. Und wer wird in den erlesenen Kreis der „relevanten Stakeholder“ aufgenommen, die laut Antrag an der Ausarbeitung mitwirken sollen? Teilweise findet man immerhin schon mal Halbantworten.
So merkte die Landesregierung bei der Beantwortung einer entsprechenden Kleinen Anfrage der Kollegin Ünsal von August 2020 (Drs. 19/1603) ja zurecht an, dass es „unterschiedliche Ansätze zur Definition des Begriffs ‚Sozialunternehmen‘“ gibt. Weiter wird in der Vorbemerkung notiert, dass Sozialunternehmen „von Unternehmen der Sozialwirtschaft und Inklusionsunternehmen abgegrenzt“ werden müssten, ebenso wie von „Unternehmen bzw. frei-gemeinnützige Institutionen der Sozialwirtschaft, z.B. Betreiber von Pflegeeinrichtungen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder Kindertagesstätten“. Eine Förderung von Sozialunternehmen im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsförderungsprogramme ist zudem laut Auskunft nur möglich, wenn diese „auf Dauer mit der Absicht zur Gewinnerzielung betrieben“ werden. 
    
Hier kommen wir zu einem für mich ganz entscheidenden Punkt: Soziales, insbesondere die klassische Daseinsvorsorge, gehören zuallererst in die öffentliche Hand, denn grundsätzlich sollte bei sozialen Themen eben nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund stehen. Dies kann letztendlich nur der Sozialstaat leisten. Unternehmen – auch Sozialunternehmen – werden immer auch gewinnorientiert denken und handeln müssen. Selbstverständlich können diese gern die vorhandenen Strukturen nutzen, ergänzen und vorhandene Lücken identifizieren und erschließen – genau hier ist ja gerade innovatives, unternehmerisches Denken und proaktives Gestalten gefragt. Und natürlich kann das soziale Unternehmertum erfolgreich und nachhaltig zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen und sollte daher passgenau unterstützt werden. Aber eben als Einbettung in die bestehenden Strukturen, denn grundsätzlich wird der große Bereich „Soziales“ immer hauptsächlich in die öffentliche Hand gehören.
    
Noch ein Satz zu der Lobpreisung auf unsere skandinavischen Nachbarn in diesem Punkt: In Dänemark setzen beispielsweise die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) den natürlichen Rahmen für die Arbeit aller Sozialunternehmen, die im Verband „Sociale Entreprenører i Danmark“ organisiert sind; ein Ansatz, den wir nur begrüßen können. Hier sollte sich Schleswig-Holstein bei der Strategieerstellung gern inspirieren lassen.

In der Summe sind wir dem vorliegenden Gesamtantrag also durchaus positiv gesonnen, aber es wird letztendlich darauf ankommen, wie die Details aussehen und wie die Gesamtstrategie dann umgesetzt werden soll. Aber dann werden wir sicherlich auch noch einmal darüber sprechen.

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