Rede · Lars Harms · 25.01.2023 Landeshaushalt: Das Leben muss auch dieses Jahr bezahlbar bleiben!
„Das Leben in Schleswig-Holstein muss bezahlbar bleiben und der Staat muss handlungsfähig bleiben. Es geht um Daseinsvorsorge, Entlastung, Abfederung von sozialen Härten, aber eben auch um die Gestaltung der Zukunft.“
Lars Harms zu TOP 4+5+34+36 - Haushaltsentwurf 2023, Entlastung des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein für das Haushaltsjahr 2020, Personalstruktur- und Personalmanagementbericht 2022 (Drs. 20/530; 20/531; 20/522; 20/514)
Der erste Haushaltsentwurf der neuen 20. Legislaturperiode, der zugleich der erste Haushalt einer schwarz-grünen Regierung in Schleswig-Holstein werden wird, liegt uns nun also zu einer ersten allgemeinen Debatte vor. Das Haushaltsverfahren ist angelaufen, alle Fraktionen haben erst kürzlich ihre Fragen eingereicht und wir freuen uns nun auf die Beantwortung zu Anfang Februar und die weiteren Beratungen. An dieser Stelle daher schon einmal einen herzlichen Dank an alle, die im Rahmen dieses sehr eng getakteten Verfahrens mitarbeiten, insbesondere an das stets top organisierte Finanzausschussbüro-Team sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien, die nun mit der Beantwortung all unserer Fragen befasst sind.
Zurück zum Haushaltsentwurf:
In der Pressekonferenz zur Vorstellung des Entwurfes sprach der Ministerpräsident ja selbst von einem „ambitionierten Programm“, welches hier vorgelegt werde. Der Haushalt soll für Stabilität, Innovation und Klimaneutralität stehen, Schleswig-Holstein soll „noch smarter, sicherer, digitaler und nachhaltiger“ werden. Alles schöne Schlagworte, aber gemessen wird ja letztendlich die tatsächliche Umsetzung. Auch und gerade in Krisenzeiten muss investiert und gestaltet werden, keine Frage, aber eben an den richtigen Stellen und mit einer realistischen Perspektive.
Insgesamt ist uns aufgefallen, dass wir viele Haushaltstitel so bereits aus Jamaika-Zeiten kennen. Gleichzeitig sind einige, auch größere, Titel als Leertitel ausgebracht. Und einige Stichworte und Programme, die vereinzelt in der Presse angekündigt wurden, finden sich in dem Entwurf in der Form auch noch nicht wieder – hier bleiben wir, wie gesagt, vorerst gespannt auf die Antworten auf die Haushaltsfragen und ggf. die Nachschiebeliste. Aber ich möchte den Entwurf nun auch nicht als Ganzes schlechtreden. Denn es gibt ja durchaus positive Signale und auch Erfolge, die die SSW-Fraktion jetzt bereits hat anstoßen können, die sich nun auch schon im Haushaltsentwurf wiederfinden. Und trotzdem gibt es immer noch große Herausforderungen – zum Beispiel in der Minderheitenpolitik.
Die Situation des Friesischunterrichts ist schon seit Jahren dramatisch. Trotz zunehmender Popularität ist der professionelle Unterricht stark rückläufig. Immer weniger Menschen lernen und sprechen Friesisch, weil es eben kein festes Fach ist, es keine festen Strukturen gibt und sowohl Friesischlehrer als auch moderne Lehrmaterialien fehlen. Hier muss sich endlich etwas tun! Wir brauchen professionelle Strukturen jenseits des Ehrenamtes und insgesamt die Aufwertung des Faches Friesisch. Als SSW haben wir daher die Gründung einer entsprechenden Institution vorgeschlagen, die sich hauptamtlich um den Friesischunterricht und dessen Professionalisierung kümmern soll. An diesem Friesischen Bildungsinstitut sollen dann Friesischlehrer ausgebildet und Didaktik- sowie Lehrmaterialien erstellt werden. Zudem bietet sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Nordfriesischen Institut und den Universitäten in Flensburg und Kiel an. Die Kosten dürften bei bis zu einer halben Million Euro pro Jahr liegen, aber wenn wir dadurch das Kulturgut Friesisch erhalten können, dann sollte es uns das wert sein. Wir haben daher unseren Vorschlag rechtzeitig öffentlich gemacht und werden diesen auch in die Haushaltberatungen konkret miteinbringen und wir würden uns natürlich über eine entsprechende Unterstützung für unseren Vorschlag freuen, denn dann würden wir wirklich einen minderheitenpolitischen Quantensprung machen. Und das steht unserem Land immer gut zu Gesicht.
Neben dieser wichtigen Forderung können wir uns aber manchmal auch über das schon Erreichte freuen. Einen wichtigen Erfolg haben wir mit unserem Antrag, die Bekämpfung von sogenannter Kinderpornographie zu einem Schwerpunkt der Polizeiarbeit zu machen (Drs. 20/28), erzielen können. Eine entsprechende Fortbildungsveranstaltung im Mai 2022, die einige Kollegen hier im Hause und ich besucht hatten, und die entsprechende Anhörung zu unserem Antrag haben uns ja deutlich aufgezeigt, wie erschütternd hoch die Fallzahlen und die entsprechende Arbeitsbelastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Polizei tatsächlich sind. Und wie wir erfahren mussten, nehmen die Fallzahlen, das Datenvolumen und die entsprechenden psychischen Belastungen bei denjenigen, die all dieses abscheuliche Material zur Fallaufklärung ja leider sichten müssen, leider stetig zu. Die Anhörung hat uns hier ganz deutlich gezeigt, wie erschreckend die Situation in ihrem vollen Ausmaß ist und dass hier ganz dringend etwas passieren muss! Daher ist es ein wichtiges Signal gewesen, dass unser Antrag direkt eine breite Unterstützung erfahren hat und sich die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Polizei darauf verlassen können, dass wir alle hier im Haus uns für weitere Stellen gerade in diesem Bereich einsetzen. Ein paar zusätzliche Stellen sind ja nun bereits im Haushaltsentwurf enthalten, was wir nur unterstützen können. Wir begrüßen die Aufstockung der Stellen bei der Polizei für diesen Bereich von 17 auf 33 Stellen und dass im Entwurf von den ersten 20 Mitarbeitern für die neue Cyber-Hundertschaft 5 explizit für den Bereich Kinderpornographie vorgesehen sind. Dies ist ein wichtiger erster Schritt! Im Bereich der psychologischen Betreuung wird die einzelne Stelle auf nunmehr 5 Stellen aufgestockt – eine riesige Hilfe, um u.a. schneller Termine vergeben zu können. Allerdings hat die Anhörung ja leider auch deutlich gemacht, dass im Bereich Kinderpornographie wohl dennoch noch um die 50 weitere Vollzeitstellen notwendig sind, um alle Fälle halbwegs schnell bearbeiten zu können. Entsprechend fordern wir die Landesregierung nun auf, hier über die Nachschiebeliste noch weitere Stellen zur Verfügung zu stellen. Diese Unterstützung und Entlastung hat diese Polizeiabteilung, die eine derart hochsensible und psychisch herausfordernde Arbeit leistet, wahrlich verdient.
Einen solchen Stellenmehrbedarf hat in der Folge auch die Justiz. Seit Jahren spricht sich der SSW in den Haushaltsberatungen für einen Stellenaufbau explizit in den Bereichen Polizei und Justiz aus, weil wir genau wissen, dass hier eine massive Arbeitsüberlastung herrscht. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass dies nun offenbar und endlich vom ganzen Haus so gesehen wird und wir bis zur 2. Lesung des Haushaltes sicherlich noch entsprechende Stellenkorrekturen zu sehen bekommen.
Dasselbe gilt zudem auch für den Bereich des Katastrophenschutzes. Hier fehlen bis zu 15 Stellen – und zwar bereits seit Längerem und äußerst dringend, wie uns allen ja sicherlich nicht nur durch die kürzliche Presseberichterstattung und die Diskussion im Ausschuss bewusst ist. Auch hier hat die Regierungskoalition ja aber inzwischen immerhin entsprechenden Handlungsbedarf eingeräumt und Reaktionen angekündigt, auf die wir uns dann auch bis zur 2. Lesung freuen. Andernfalls werden wir diese fehlenden Stellen selbst in unseren Haushaltsanträgen notieren. Denn ja, Sicherheit und Vorsorge kosten das Land nun mal Geld und gerade dieser Bereich sollte nicht kaputtgespart werden.
Apropos Haushaltsanträge: Ich möchte an dieser Stelle noch nicht allzu detailliert in unsere Antragspläne einsteigen, aber eines unserer expliziten Kernthemen möchte ich doch noch einmal ansprechen. So hat der SSW in den vergangenen Jahren stets einen neuen Haushaltstitel zur Förderung von Baumaßnahmen an und Neubauten von Notunterkünften für Wohnungslose gefordert. Jedes Jahr sind wir mit diesem Antrag gescheitert, auch wenn sich der Bedarf damals schon deutlich abzeichnete. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und folglich der Ankunft zahlreicher Flüchtlinge, die alle menschenwürdig untergebracht und versorgt werden müssen, hat sich die Situation für Wohnungslose in den letzten Monaten noch einmal dramatisch zugespitzt. Denn auch die seit Jahren versprochene Neubauoffensive auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt kommt ja nicht wirklich voran.
Die finanziellen Herausforderungen, die auf uns zukommen, sind aus einem regulären Haushalt nicht zu stemmen. Entsprechend hatte der SSW ja auch in der Debatte um die Aufstockung des Ukraine-Notkreditrahmens seine Zustimmung unter anderem daran geknüpft, dass wir alle diesen Notkreditrahmen gemeinsam beschließen und uns künftig entsprechend alle regelmäßig zusammensetzen und über die weitere konkrete Verausgabung gemeinsam abstimmen. Für den SSW wiederhole ich an dieser Stelle daher gern noch einmal unsere damaligen Kernforderungen: Die Wirtschaftshilfen für unsere Unternehmen sowie die Abfederung von sozialen Härten – und hier vor allem die Energieversorgungssicherheit sowie die Unterstützung von Obdachlosen. Ich hatte ausgeführt, dass der SSW wie gesagt schon seit Jahren entsprechende Finanzierungsprogramme für die Unterbringung von Obdachlosen beantragt. Entsprechend haben wir uns gefreut, dass diese SSW-Initiative am Gesprächstisch allgemeinen Anklang fand und die Landesregierung zusicherte, dass dieser Punkt in die Ausgestaltung mitaufgenommen werden wird. Wir werden entsprechend genau beobachten, wann und in welchem Umfang nun konkrete Maßnahmen anlaufen und über welche Titel diese finanziert werden. Denn die Zeit drängt – wir sind mitten im Winter und die Situation auf dem Wohnungsmarkt bleibt ja leider weiterhin sehr angespannt.
Insgesamt müssen wir ja festhalten, dass wir uns weiterhin mit mehreren Krisenherden auseinandersetzen und pragmatische Lösungen erarbeiten und umsetzen müssen. Die Krisenzeiten sind noch nicht überstanden, im Gegenteil. Wenn wir uns die großen Linien anschauen, dann müssen wir zwei Hauptherausforderungen feststellen:
1. Das Arbeiten mit sogenannten „Sondervermögen“.
2. Der Ausblick auf die Inflation.
Ein Sondervermögen ist ein Nebenhaushalt, über den bestimmte Aufgaben finanziert werden sollen. Typischerweise handelt es sich dabei um Investitionen, z.B. in Infrastrukturmaßnahmen, wie beispielsweise über IMPULS. Es kann absolut sinnvoll und nützlich sein, geplante, langjährige Infrastrukturmaßnahmen über ein Sondervermögen zu finanzieren und dadurch über Legislaturperioden hinaus abzusichern. Und wenn wir uns die Zeiten und Herausforderungen anschauen, die wir bereits managen müssen und die uns noch bevorstehen, dann braucht es eine vorausschauende finanzielle Planung, in deren Rahmen wir bereit sein müssen, viel Geld in die Hand zu nehmen. Allerdings müssen wir dabei die Anzahl und das Volumen der geschaffenen „Sondervermögen“ stets im Auge behalten und maßvoll mit Krediten, Kreditrahmen und den Landesschulden umgehen. Dies sind wir künftigen Generationen und dem eigenen Gewissen schuldig.
Denn der Ausblick auf die Inflation zeigt ja bereits jetzt, dass wir künftig mehr, womöglich deutlich mehr Zinsen auf unsere Landesschulden werden zahlen müssen. Wir kommen aus einer Niedrigzinsphase, deren Niveau nicht zu halten sein wird. Das müssen wir stets miteinkalkulieren – die Suppe wird mittelfristig dünner. Gleichzeitig werden wir Ansprüche und Leistungen finanzieren müssen, auf die die Menschen ein Anrecht haben. Dabei geht es nicht nur um die allgemeine Daseinsvorsorge vor Ort, um Sicherheit und Bürgerservice und auch um Hilfe in akuter Not. Es geht beispielsweise auch um unsere eigenen Landesbediensteten, die in künftigen Tarifrunden, u.a. aufgrund der Inflationswerte, mehr Geld verlangen werden. Und es geht in diesem Zusammenhang beispielsweise auch – ein SSW-Dauerbrenner – um das gestrichene Weihnachtsgeld für unsere Beamtinnen und Beamten. Hierzu wird sich ja nun auch bald gerichtlich zeigen, in welche Richtung es geht, aber vom Tisch sein wird dieses Thema für uns niemals endgültig, bis unsere Beschäftigten nicht das erhalten, was ihnen zusteht und wofür wir als Arbeitgeber mit in der Verantwortung stehen.
Bleibt als Fazit also festzuhalten: Die Schuldenbremse ist und bleibt eine richtige und wichtige verfassungsrechtliche Regelung, an der auch der SSW nach wie vor festhält. Hätten wir nicht jahrelang auf das Inkrafttreten der Schuldenbremse und das Haushaltsverständnis, das ihr zugrunde liegt, hingearbeitet, so würden wir uns heute in einer noch mal dramatischeren allgemeinen Haushaltslage wiederfinden; dazu brauchen wir beispielsweise nur mal in Richtung Südeuropa zu schielen. Die Zeiten sind beileibe nicht nur, aber eben auch aus haushaltsrechtlicher und finanzpolitischer Sicht herausfordernd und es ist unsere Aufgabe als Politik, Verantwortung zu übernehmen und den Menschen Sicherheit zu geben. Das Leben in Schleswig-Holstein muss bezahlbar bleiben und der Staat muss handlungsfähig bleiben. Es geht um Daseinsvorsorge, Entlastung, Abfederung von sozialen Härten, aber eben auch um die Gestaltung der Zukunft, um die Chancen und die Lebensqualität künftiger Generationen, um eine realistische Perspektive gepaart mit dem nötigen Funken Optimismus. Wir warten nun die Antworten der Landesregierung auf unsere Fragen zum Haushaltsentwurf, die intensiven Beratungen der Einzelpläne sowie die Nachschiebeliste ab und freuen uns dann darauf, unsere eigenen Haushaltsanträge einzubringen. Denn der SSW wird sich wie gehabt pragmatisch und konstruktiv in die Beratungen einbringen.