Rede · Lars Harms · 28.08.2019 Das ist alles noch viel zu schwammig!

Sie haben nichts Halbes und nichts Ganzes geschaffen; es gut gemeint, aber irgendwie nicht hinbekommen.

Lars Harms am Meer

Lars Harms: TOP 12 - Gesetz zur Integration und Teilhabe (Drs. 19/1640)

Mein Eindruck ist: Ein vernünftiger Ansatz, aber schade, dass nicht mehr daraus wurde. Ein vernünftiger Ansatz, weil die formulierten Ziele richtig sind: 
Integration, interkulturelle Öffnung, jeder Form von Rassismus und Diskriminierung entgegentreten. Menschen mit Migrationsintergrund die Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen. In Bildung, Ausbildung, Gremien.  
Und schade, weil der Gesetzesentwurf trotz des angekündigten groß angelegten Beteiligungsprozesses enttäuscht.

Wer ist hier eigentlich mit Menschen mit Migrationshintergrund gemeint? 
Die Begriffsbestimmungen sind, wenn wir das vorliegende mit anderen Integrationsgesetzen vergleichen, immer leicht variierend. In Berlin orientiert man sich beispielsweise am Jahr 1949, in NRW an 1950. Oder man bezieht sich schlicht auf das Grundgesetz; Artikel 116, Absatz 1. 
Bei uns soll es neben zugewanderten und nicht zugewanderten Ausländerinnen und Ausländern das Jahr 1955 sein. Das umfasst neben jenen, die die Bundesrepublik seit Mitte der 50er Jahre als Arbeitskräfte im Ausland angeworben hat, außerdem zugewanderte Deutsche mit dem Aussiedler- und Spätaussiedlerstatus. Die meisten kamen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und aus weiteren osteuropäischen Staaten. Somit sind Menschen mit eigener Migrationserfahrung genauso gemeint, wie hier geborene Deutsche mit zumindest einem Elternteil, das nicht in Deutschland geboren ist. Man geht davon aus, dass jede vierte Person in Deutschland einen Migrationshintergrund hat. 

Im Januar hat die Landesregierung noch die Auftaktveranstaltung mit 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gefeiert und nun dieser Gesetzesentwurf, der mir irgendwie niemanden tatsächlich glücklich zu machen scheint. Er bleibt einfach an vielen Stellen zu unkonkret. 
Ich habe an so vielen Punkten die Notiz „Wie?“, „Welche Maßnahmen?“ und „Umsetzung“ gemacht, selbst bei den spezifischen Maßnahmen unter Paragraf 11. 
Am sichtbarsten wird es aber vielleicht im Paragraf 12. 
Auf eine „angemessene“ Beteiligung sei „hinzuwirken“. Es sei sicherzustellen, dass die Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund „berücksichtigt“ werden. Das Land solle eine Beteiligung in solchen Gremien „ermöglichen“, aber nur „soweit dies den Zielen des Gesetzes dient“. Da frage ich mich doch, was ist „angemessen“, wie macht das Land das, in welchem Ausmaß soll hier überhaupt wirklich beteiligt, hingewirkt, berücksichtigt werden? Das ist alles noch viel zu schwammig!

Und, meine Damen und Herren, ganz ehrlich. Paragraf 7 Absatz 1 regt mich schon ein wenig auf. Sie betonen eine Selbstverständlichkeit, nämlich dass Gesetze einzuhalten sind. Sie betonen das aber extra für Menschen mit Migrationshintergrund. Das ist nicht nur unnötig, es ist fahrlässig. Sie unterstellen damit, dass das hier besonders nötig ist. Streichen Sie das! 
Der konkreteste Punkt, den wir beim SSW wiederum sehr gut finden, ist der Paragraf 13, die Einrichtung eines Integrationsbeirates als beratendes Gremium. Auch wenn das Nähere noch durch einen Erlass geregelt werden soll, hier möchte ich mein Lob aussprechen. 

Sie hören, von unserer Seite aus eher ein nüchternes Fazit. Aber wenn ich dann lese, wie der Konflikt innerhalb der Regierungskoalition seit Monaten läuft, kann vielleicht auch nichts anderes dabei rauskommen. 
Die einen sprechen von „Leitkultur“ und wollen Sanktionsmöglichkeiten bei mangelnder Integrationsbereitschaft, die anderen stören sich offenbar ebenso wie ich an dem Mangel konkreter Maßnahmen und deren Finanzierung. Hier wird einfach deutlich, wo die Regierungsparteien nicht zusammenpassen und Sie es offensichtlich nicht geschafft haben, einen sinnvollen Kompromiss zu finden. 
Schon jetzt kommt vom Gemeindetag der Hinweis, dass mit diesem Entwurf die Entscheidung über finanzielle Mittel der Kommunen ausgeblieben ist. Und das lässt sich meiner Meinung nach schlecht beiseite wischen. 
Ein „zähes Ringen“, so hat es gestern die KN beschrieben und es damit gut getroffen. Sie wollten große gesellschaftliche Akzeptanz und haben nichts Halbes und nichts Ganzes geschaffen; es gut gemeint, aber irgendwie nicht hinbekommen. 
Für ein weltoffenes und faires Schleswig-Holstein brauchen wir aber ein bisschen mehr. Da kann ich nur hoffen, dass Sie sich in der Anhörung zu konkreteren Formulierungen bewegen lassen und Sie irgendwie ein gemeinsames Ziel finden - gerne auch mit der Opposition.

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