Rede · Christian Dirschauer · 26.08.2021 Christian Dirschauer: Berlin muss endlich was tun in Sachen Munitionsaltlasten
„Es darf nicht sein, dass allein Schleswig-Holstein und die anderen Küstenländer diese Bürde finanziell tragen müssen.“
Christian Dirschauer zu TOP 59 - Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee (Drs.19/3188)
Der Bericht zu Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee gibt einen Gesamteindruck über den derzeitigen Stand in Sachen Munitionsaltlasten in unseren Meeren. Soll heißen, es gibt eine Einschätzung über die Art und Menge sowie das Gefahrenpotential von Kampfmitteln, ein Überblick über die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung, Auswirkungen auf die Meeresumwelt und schlussendlich ein Konzept für das weitere Vorgehen.
Leider stelle ich fest, dass der Bericht nicht so viel Neues beinhaltet, was wir nicht vorher schon wussten. Richtig ist, dass alles was mit den Munitionsaltlasten zu tun hat, einer ständigen wissenschaftlichen Begleitung bedarf. Die Untersuchungen müssen entsprechend ausgewertet werden, gerade im Hinblick auf Umweltbelastungen und Gefahren. Und selbstverständlich braucht es dafür auch eine Aktualisierung des Munitionskatasters.
Aber die eigentliche Frage, die sich jeder im Zusammenhang mit den Altlasten stellt, ist doch, wann sie endlich geborgen werden? Wieviel Zeit muss noch verstreichen? Hierzu ist dem Bericht leider nichts Konkretes zu entnehmen.
Letzte Woche war der Presse zu entnehmen, dass die Standorte der Munitionsaltlasten gerade für unsere Fischer relevant sind. Zum einen, weil von der Munition immer noch eine tödliche Gefahr ausgeht. Und zum anderen ist eine toxische Belastung der Meeresorganismen gerade bei Muscheln zu verzeichnen, wenn sie offenliegenden Sprengstoffen direkt ausgesetzt waren, was zu einem deutlich erhöhten Krebsrisiko führen kann. Auch wenn gerade dieses Beispiel als Worst-Case-Szenario im Bericht beschrieben wird, macht es deutlich, welche zusätzlichen versteckten Gefahren die Munitionsaltlasten in sich bergen. Daher ist die Forderung der Fischer eindeutig: Sie wollen endlich eine munitionsfreie Nord- und Ostsee.
Natürlich sind auch andere Bereiche der Meeresnutzung einem stetigen Risiko ausgesetzt. Ob es in der Seeschifffahrt ist, die Nassbaggerei oder bei der Errichtung von Offshore-Anlagen. Das heißt, Personengruppen, die im marinen Bereich mit Grundberührung zu tun haben, sind einer besonderen Gefährdung ausgesetzt. So geht es auch aus der Gesamtbewertung zur Munitionsbelastung der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee (BLANO) hervor. So hat die Umweltministerkonferenz zuletzt im Februar dieses Jahres die aktualisierte Gesamtbewertung zur Kenntnis genommen.
Und damit sind wir schon bei dem Punkt: wer ist verantwortlich, dass das Zeug entfernt wird, beziehungsweise, wer solls bezahlen. Da sage ich ganz deutlich, es darf nicht sein, dass alleine Schleswig-Holstein und die anderen Küstenländer diese Bürde finanziell tragen müssen. Auch wenn sich keine abschließende Summe definieren lässt, aber angesichts der Mengen an Altmunition in Nord- und Ostsee, reden wir hier nicht über Kleinigkeiten. Darum sehen wir ganz klar den Bund in der Pflicht. Das gilt dann auch für die Anschaffung der entsprechenden Bergungs- und Entsorgungseinrichtungen. Hier spricht sich auch der Bericht entsprechend deutlich aus.
Wir begrüßen, dass Schleswig-Holstein sich im gesamten Verlauf, bei entsprechenden Koordinierungen oder Initiierungen so aktiv eingebracht hat und die Position unseres Küstenlandes vertritt. Dabei kann ich mir gut vorstellen, dass dafür auch viel Überzeugungsarbeit notwendig ist, um in Berlin Gehör zu finden. Wir sehen uns durchaus auf einem guten Weg, es hat auch Zeit genug gekostet. Was wir jetzt aber brauchen ist endlich ein Termin, für die Bergung und Entsorgung. Frühestens ab 2025, wie das Umweltministerium schätzt, kann keine Option sein. Dies muss deutlich früher geschehen und darauf müssen wir gleich nach der Bundestagswahl drängen. Wir erwarten, dass die Landesregierung zügig nach der Wahl entsprechend Kontakt aufnimmt mit der neuen Bundesregierung.
Dass zügig etwas geschehen muss, ist nicht nur auf nationaler Ebene Konsens. Auch international ist der politische Druck seit langem vorhanden. Die Beschlüsse des Europäischen Parlaments oder der Ostseeparlamentarierkonferenz machen die Dringlichkeit deutlich.
Die Expertise ist vorhanden und es muss weiter untersucht werden, das ist unstrittig. Munitionskataster helfen die Gebiete zu lokalisieren in denen die Gefahren in der Tiefe lauern. Aber wirkliche Sicherheit erreichen wir nur, indem wir das Zeug rausholen.