Rede · 24.01.2001 BSE: Kontrollen und Verbraucherschutz
Die letzten Wochen haben nicht zur Beruhigung der Situation in der Landwirtschaft beigetragen. Das Gegenteil ist der Fall, es ist eher noch komplizierter geworden. Tag für Tag treffen neue Meldungen über BSE-Fälle aus Deutschland und aus anderen EU-Ländern ein. Bis zum Jahresende werden in Deutschland bis zu 500 BSE-Fälle erwartet. Die Verbraucher sind verunsichert und den Landwirten geht die BSE-Krise an die Substanz. Aber auch fleischverarbeitende Unternehmen haben deutlich spürbare Rückgänge verzeichnet und hieraus schon ihre Konsequenzen gezogen.
Um diese Talfahrt zu bremsen, müssen konsequente Maßnahmen ergriffen werden. Es müssen zum Beispiel verschärfte Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen durchgeführt werden. Augenscheinlich zeigen Funde von Rindfleisch, die als "rindfleischfreie" Lebensmittel deklariert sind, dass akuter Handlungsbedarf besteht. Es zeigt aber auch, dass in Schleswig-Holstein gehandelt wird.
Daher ist es auch zu begrüßen, dass die FDP in einem Bericht genaueres erfahren will und wissen will, wie die Landesregierung in Zukunft die Kontrolle der Lebens- und Futtermittel regeln will. Wenn wir es nicht schaffen, genaue und umfangreiche Kontrollen im Lebensmittel- und Futtermittelbereich zu schaffen, wird es schwierig das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen. Der Verbraucher ist auf einwandfreie Kontrollen des Staates angewiesen und muß sich auf diese auch verlassen können. Dies gilt im übrigen auch für die BSE-Schnelltests. So hat ein Fall in Bayern für Aufsehen gesorgt, bei dem die Schnelltests versagt haben. Derartige Fehlerquellen gilt es künftig zu vermeiden.
Im Bereich der Futtermittel ist eine ausschlaggebende Grundvoraussetzung, dass man weiß, was in Futtermitteln enthalten sein darf. Daher muß in einer Positivliste abschließend erfasst sein, was im Bereich der Futtermittel gebraucht werden darf. Eine Positivliste wäre klar und übersichtlich und vor allem leicht zu kontrollieren. Daher ist es gut und richtig, dass sowohl in dem Antrag von SPD und Grünen, als auch im Antrag der CDU die Forderung nach einer Positivliste enthalten ist.
Die neue Verbraucherministerin Künast hat schon angekündigt, dass sie diese Forderung schnellstmöglich umsetzen will. Somit werden wir hier einen Schritt vorankommen
Gleichwohl werden wir in dem von der FDP geforderten Bericht, was die Futtermittel angeht, nicht viel neues erwarten können. Die Situation ist derzeit so, dass bestimmte Zusätze in Futtermitteln enthalten sein dürfen, von denen man eigentlich meinen sollte, dass sie dort nichts zu suchen haben. Die rechtliche Situation ist hier nicht eindeutig und daher auch nicht zufriedenstellend und dürfte auch im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft nicht tragbar sein.
Der neue Kurs der Bundesregierung in Sachen Verbraucherschutz und Landwirtschaft, führt bei vielen zu Mißverständnissen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundes- oder die Landesregierung jetzt komplett auf eine ökologische Landwirtschaft umschwenken will. Jedoch wenn es darum geht, den Anteil dieser Art von Landwirtschaft zu erhöhen, halte ich den neuen Kurs für legitim und sinnvoll. Gleichzeitig ist es aber jedem Landwirt freigestellt auch weiterhin konventionell zu arbeiten. Konventionell wird aber in Zukunft heißen, dass nachhaltig und verstärkt im Einklang mit der Umwelt gewirtschaftet wird. Dies gilt für Landwirte genauso wie für die Lebensmittelwirtschaft.
Jedoch wird sich auf absehbare Zeit ein Teil der Landwirte hin zu einer ökologischen Landwirtschaft umorientieren und diesen Teil der Landwirte gilt es zu stärken und Grundlagen zu schaffen, dieses Marktsegment besser auszunutzen. Dass es in Europa funktioniert, beweisen Österreich, die Schweiz und Dänemark. So sind z.B. nördlich der Grenze, zugegeben bei geringeren ökologischen Standards als bisher in Deutschland, rund 20% der Landwirte inzwischen Öko-Landwirte. Sie haben zusammen einen Marktanteil von ca. 10%. Die anderen 90% sind weiterhin Produkte von konventionell arbeitenden Höfen. Was Dänemark in den letzten Jahrzehnten geschafft hat, sollte auch hier bei uns möglich sein. Die Landwirtschaft in Dänemark ist immer noch ein tragendes Element der dortigen Wirtschaftsstruktur. Man hat allerdings Informationskampagnen gestartet und frühzeitig Fördermittel in die Vermarktung von ökologischen Produkten gesteckt. Das war die Basis für den Erfolg der Produkte. Weil die Nachfrage nach ökologischen Produkten durch die Marketingmaßnahmen stieg, wurde es auch für Supermarktketten interessant, diese Produkte im Sortiment zu führen. Da wollen wir hin und ich glaube wir können es schaffen, wenn wir nicht immer auf Besitzständen verharren und meinen, es könnte immer so weiter gehen, wie in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten.
Dass es nicht wie bisher weitergehen kann, sollten wir uns auch unter Berücksichtigung der EU-Osterweiterung vor Augen halten. Wir müssen uns im klaren darüber sein, dass in den Beitrittsländern wesentlich günstiger Produziert werden kann als bei uns. Auch aus diesem Grund müssen wir jetzt in unserer Produktion einen Wandel herbeiführen, der es ermöglicht qualitativ noch besser zu produzieren, um auch künftig auf dem Markt bestehen zu können.
Diese Forderung steht durchaus auch mit den Zielen der Landwirtschaftskammer überein. Auch hier hat man schon vor längerer Zeit mit der Forschung in der Futtermittelherstellung begonnen und es gilt daher die Bereiche von Forschung und Entwicklung weiterhin zu unterstützen. Dies habe ich schon in der letzten Landtagssitzung gesagt. Wir müssen jetzt versuchen, gemeinsam zu neuen Lösungen zu kommen. Das heißt: Über konkrete Zielvereinbarungen mit der Landwirtschaftskammer, sollte das Land Forschungsaufträge an die einzelnen Institutionen unter dem Dach der Landwirtschaftskammer erteilen und so die Forschung im Land voranbringen und zum Erhalt dieser Forschungs- und Lehreinrichtungen der Landwirtschaftskammer beitragen. Den Gegensatz zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft, wie der von manch einem herbeigeredet wird, sehe ich nicht.
Ein Wandel in der Agrarpolitik muß schnellstmöglich eingeleitet werden. Dies hat an allererster Stelle mit Geld zu tun. Geld ist derzeit nun einmal das Lenkungsinstrument schlechthin in unserer Gesellschaft. Dass die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur umgewidmet werden sollen, ist eine gute Möglichkeit, gerade die eben angesprochene Vermarktung von ökologisch produzierten Erzeugnissen zu fördern. Auch die Umschichtung der EU-Fördermittel ist längst überfällig. Allerdings glaube ich nicht, dass eine Umschichtung der Mittel aus dem Marktbereich, also der eigentlichen Landwirtschaft, in die Bereiche ländliche Entwicklung und Umwelt, wie im Antrag von SPD und Grünen gefordert, ein Allheilmittel ist. Natürlich soll sich das Arbeitsspektrum der Landwirte erweitern, in dem sie sich auch, zu staatlichen Landschaftsschützern mit entsprechendem Einkommen entwickeln können. Gleichwohl wollen wir alle, dass die Landwirte nachhaltig und noch naturverträglicher produzieren. Die Betonung liegt auf produzieren. Denn das ist immer noch die eigentliche Aufgabe der Landwirte. Hierfür müssen wir ihnen auch die entsprechenden Hilfen geben, um auf dem europäischen Markt bestehen zu können. Die Frage ist nur, woran koppeln wir diese Förderungen?
Wir müssen sie in der Produktion an ökologische Auflagen binden, wir müssen sie an die gute fachliche Praxis binden und wir müssen sie an eine artgerechte und flächenbezogene Tierhaltung binden.
Allerdings müssen dem Landwirt dann auch bei der flächenbezogenen Tierhaltung Übergangsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden, die ihm die Chance zur Umstellung ermöglichen. Denn bis jetzt wurde, grob gesagt, in der EU eine mengenmäßig möglichst hohe Produktion bei teilweise festgelegten Preisen gefördert und gleichzeitig eine Politik der Flächenstilllegung betrieben. Das heißt, viele Betriebe haben ihre Produktion aufgrund der EU-Landwirtschaftspolitik umgestellt, in dem sie auf landwirtschaftliche Flächen zugunsten der Stilllegungsprämien verzichtet haben. Dieses rückgängig zu machen, bedarf einer gewissen Zeit, die man den ohnehin schon gebeutelten Landwirten für den Übergang gewähren sollte.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir an einer neuen Art der Landwirtschaft nicht vorbei kommen. Dies gilt für alle Bereiche der Landwirtschaft. Wir sollten die Chance nutzen und die gesamte Landwirtschaft nach und nach umstrukturieren. In diesem Zusammenhang freut es mich, dass im Antrag von SPD/Grüne die schon in der letzten Landtagssitzung von uns geforderte Einschränkung von Tiertransporten aufgenommen worden ist.
Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass es über die allgemeinen Diskussionen zum Thema BSE zwei wichtige Punkte gibt, über die in der nahen Zukunft entschieden werden muß. Das ist zum einen die Frage der Keulung und zum anderen die Frage der Durchführung einer EU-Aufkaufaktion von Rindern. Nach heutigem Stand des Wissens, oder eher des Nicht-Wissens, kann man sagen, dass die Übertragungswege von BSE noch völlig unzureichend ergründet sind. Das bedeutet in der Theorie, dass man davon ausgehen kann und muß, dass Tiere, die unter den gleichen Bedingungen gelebt haben, rein theoretisch auch der gleichen Ansteckungsgefahr ausgesetzt waren. BSE-Erreger sind mit den heutigen Mitteln erst bei hochinfektiösen Tieren nachweisbar. Ist die Menge zu gering, so schlägt der BSE-Test nicht an. Gleichwohl besteht aber die Gefahr, dass der Erreger im Körper des Tieres in einer bestimmten Menge vorhanden ist. BSE-getestet heißt also nicht unbedingt BSE-frei. Auf der einen Seite gibt es Indizien, die darauf schließen lassen, dass eine mögliche Übertragung gegeben sein könnte und auf der anderen Seite gibt es noch kein Testverfahren, dass die Infizierung eines Rindes ausschließt. Solange das so ist, ist es besser den gesamten Rinderbestand zu schlachten und aus dem Verkehr zu ziehen. So hart es für den einzelnen Landwirt und aus Sicht des Tierschutzes ist, so wichtig ist dies im Sinne des Verbraucherschutzes.
Darüber hinaus glaube ich auch nicht, dass es im Interesse der Landwirte sein kann, dass Teile der Herde am Leben bleiben. Ist erst mal bei einem Rind BSE nachgewiesen, wird kein fleischverarbeitendes Unternehmen und keine Molkerei mehr irgendwelche Produkte des Landwirtes abnehmen wollen, da diese verarbeitenden Unternehmen somit das Risiko einer Quarantäne eingehen. Er bleibt somit auf seiner Herde und auf seiner Milch sitzen.
Unter den derzeitigen Bedingungen hat der Landwirt keine andere Wahl, als seinen gesamten Bestand keulen zu lassen. Sollte man später Verfahren entwickeln, die BSE einwandfrei und verläßlich bei dem einzelnen Tier ausschließen können, verändert sich natürlich die Lage entsprechend. Solange dies aber nicht der Fall ist, gibt es keine andere Wahl als das Töten des gesamten Bestandes.
Was den Aufkauf von Rindern durch die EU und deren Schlachtung und Vernichtung angeht, so muß ich sagen, dass die eher technokratische Begründung, dass dies zur Marktbereinigung geschehen sollte, aus ethischen Gründen nicht tragbar ist. Doch leider sehen wir derzeit keine Alternative. Wir müssen uns aber im klaren darüber sein, dass dies nur eine einmalige Maßnahme sein kann. Damit es nicht zu einer Wiederholungstat kommt, muss auch die Landwirtschaft dafür Sorge tragen, dass die vorhandenen Strukturen nachhaltig geändert werden. Es ist unsinnig, dass die Ställe überquellen. Es darf nicht angehen, dass die Produktion wie bisher fortgeführt wird. Sollte dies nicht geschehen, sehen wir die Gefahr, dass wir binnen kurzer Zeit wieder vor einem vergleichbaren Problem stehen. Das können wir nicht akzeptieren.
In diesem Zusammenhang bin ich ebenfalls der Meinung, dass wir den Export der Tiere in andere Länder von vornherein ausschließen sollten. Unser Problem in andere Länder oder gar in die Dritte Welt zu verschieben - wo wir durch unser überschüssiges Fleisch von vornherein schon den heimischen Markt kaputt machen - wäre nicht die richtige Lösung. Daher halte ich die Verbrennung der Tiere - unter allen Vorbehalten die es gibt - unter den gegebenen Bedingungen leider für die derzeit sinnvollste Alternative. Darüber hinaus gilt es zu prüfen, ob es sinnvoll ist, die aufgrund eines BSE-Falles gekeulten Bestände mit in die entsprechende EU-Aufkaufsquote einzubeziehen, um den betroffenen Landwirten so finanziell unter die Arme greifen zu können.
In Zusammenhang mit dem Berichtsantrag der CDU zum Gütezeichen Schleswig-Holstein, möchte ich für den SSW anregen, gerade unter dem Eindruck der aktuellen BSE-Krise einmal darüber nachzudenken, ob das knapp über 35 Jahre alte Gütezeichen noch der Weisheit letzter Schluß ist. Um es vorweg zuschicken: Niemand stellt die Qualität der unter dem Gütezeichen produzierten Waren in Frage. Auch die Arbeit mit und an dem Gütezeichen wird von uns nicht in Frage gestellt.
Aber die Ziele, die wir in der Landwirtschaft mit dem Gütezeichen erreichen wollen, können, so glauben wir, so nicht mehr erreicht werden. Verkürzt dargestellt, wollen wir mit dem Gütezeichen zwei Dinge erreichen: wir wollen die Herkunft nachweisen und wir wollen einen Hinweis auf die Qualität geben.
Die Herkunft, also die Herstellung in Schleswig-Holstein, kann man auch mit einem anderen Logo dokumentieren. Beispielsweise hat man vor noch nicht allzu langer Zeit darüber nachgedacht, dass damalige Dachmarkenkonzept aus dem Tourismus auch auf andere Wirtschaftszweige auszudehnen. Etwas ähnliches ließe sich ohne Schwierigkeiten immer noch anschieben.
Der Hinweis auf die Qualität der Produkte ist ohnehin schon schwierig. Es gibt ja nicht nur das eine Gütezeichen. Es gibt viele Gütezeichen einzelner Bundesländer, einzelner Regionen und einzelner Organisationen innerhalb Deutschlands, die in irgendeiner Art und Weise dem Kunden die Herkunft und Qualität der Produkte näherbringen sollen. Niemand kennt aber die genauen Kriterien, die für die Produktauswahl für die einzelnen Gütezeichen gelten. Das kann man auch von keinem Kunden erwarten. Darüber hinaus, sind die Stellen, die die Gütezeichen gewähren, höchst unterschiedlich organisiert und bei dem Kunden kommt immer wieder die Frage nach der Unabhängigkeit der ein-zelnen Institutionen auf.
Es stellt sich daher die Frage, ob es nicht einfachere, übersichtlichere und verbraucherfreundlichere Lösungen gibt, wenn man sich mit dem Thema Qualitätsnachweis beschäftigt. Und ich sehe dieses Thema keineswegs isoliert auf Schleswig-Holstein alleine bezogen.
Ich glaube, wir sollten auch hier einmal nach Norden blicken. In Dänemark gibt es ein staatliches Gütesiegel, dass darüber Auskunft gibt, ob ein Produkt nach bestimmten Qualitätskriterien produziert wurde oder nicht. Mit Hilfe einer staatlichen Kontrollinstanz sind die Waren aus verschiedenen Regionen Dänemarks ohne Schwierigkeiten miteinander vergleichbar und der Kunde hat die Gewissheit, dass die Produkte einheitlich bestimmten Qualitätskriterien entsprechen.
Auf uns bezogen, würde dies bedeuten, dass wenn wir ein Herkunftslogo und ein deutschlandweites Gütesiegel verwenden würden, wir möglicherweise noch bessere Effekte hätten als bisher. Die Herkunft wäre immer noch ersichtlich, die Qualität wäre immer noch nachgewiesen und sogar mit Produkten aus anderen Bundesländern vergleichbar und es böte sich uns die Chance, eine unabhängige staatliche Stelle einzurichten, was sich durchaus vertauensbildend beim Verbraucher auswirken könnte. Zumindest sollten wir gemeinsam mit den anderen Bundesländern einmal darüber nachdenken, ob dies eine Lösung wäre.
Die BSE-Krise trifft das Land Schleswig-Holstein schwer. Aber dadurch, dass die Krise uns so hart trifft, haben wir auch die Chance, uns grundlegende Gedanken über die zukünftige Landwirtschaftspolitik zu machen. Diese Chance sollten wir ergreifen und für ein Umdenken, nicht nur in der Rinderhaltung, sondern in der gesamten Landwirtschaft sorgen. Dieses Umdenken wird uns anfangs schwer fallen, aber ich bin davon überzeugt, dass hieran kein Weg mehr vorbeiführt.