Speech · Jette Waldinger-Thiering · 30.01.2025 Wir brauchen mehr Lehrkräfte statt weniger
„Die Herabsetzung der Unterrichtsversorgung und die Streichung von Lehrkräften ist kontraproduktiv .“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 27 und 48 - Unterrichtsversorgung statt Unterrichtsausfall und Bericht über die Unterrichtssituation 2023/24 (Drs. 20/2832, 20/2797)
Unterrichtsversorgung statt Unterrichtsausfall!
Eigentlich eine ziemlich logische und fast banale Erwartung an ein Bildungssystem.
Dass man eine verlässliche und verbindliche Unterrichtsversorgung anstrebt und den Unterrichtsausfall entgegenwirkt, wünschen wir uns auch für Schleswig-Holstein.
Deshalb frage ich mich erneut, wie man trotz aller Warnsignale in Form von Studien und wissenschaftlichen Erhebungen an Schulen und den Hilferufen der Lehrkräfte –
es trotzdem für richtig und sinnvoll erachtet, im Bildungsbereich zu sparen.
Die Herabsetzung der Unterrichtsversorgung und die Streichung von Lehrkräften ist kontraproduktiv .
Das Fazit des Berichts zur Unterrichtsversorgung der Landesregierung lautet, dass unter dem Strich mehr als genügend Lehrkräfte im System zur Verfügung stehen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass mehr als 10% der Lehrkräfte nicht fertig ausgebildet sind, langfristig erkrankte Lehrkräfte nicht rausgerechnet werden und viele Lehrkräfte nur mit befristeten Kettenverträgen teilweise Halbjahresverträgen durch das angeblich gut besetzte System wandern.
Trotzdem findet fast jede zwölfte Unterrichtsstunde nicht regulär statt oder fällt ganz aus.
Das ist eine Belastung für die Schülerinnen und Schüler, die dann statt regulären Unterrichts im besten Fall eine Vertretungslehrkraft bekommen oder sie müssen eigenverantwortlich lernen oder bekommen eben gar kein Unterricht. Letztendlich müssen Schülerinnen und Schüler den Lernausfall kompensieren, um ihren Leistungsstand zu halten.
Allein 64 % der Unterrichtsausfälle sind auf erkrankte Lehrkräfte zurückzuführen. Sowie 26 % aufgrund von Wahrnehmung anderen Aufgaben.
Das heißt, dass die Lehrkräfte die einsetzbar sind, die Ausfälle der Kollegen kompensieren müssen. Dass diese Kompensation dann wieder zu mehr Belastung der Lehrkräfte führt, sollte jedem klar sein. Es entsteht ein ewiger Kreislauf. Sobald sich eine kranke Lehrkraft erholt hat, brechen die nächsten ein, die davor den Laden am Laufen gehalten haben. Somit befindet sich das System ständig am Limit. Um die Arbeitsbelastung, die durch die Mehrarbeit der Vertretung entsteht, zu mindern, muss der realistische Bedarf an Lehrkräften vor Ort gedeckt werden. So dass auch Ausfälle im Kollegium ausreichend kompensiert werden können, ohne eine Überlastung der anwesenden Lehrkräfte und ohne Unterrichtsausfall für die Schüler und Schülerinnen. Der Verband Bildung und Erziehung mahnt, dass wir zu wenig Lehrkräfte in Schleswig-Holstein haben und die Gesundheit der Lehrkräfte ein wertvolles Gut ist.
Eine Lehrkräftebefragung des VBE 2021 ergab zusammenfassend:
Zitat: „Unter dem Strich führen der Vertretungsunterricht und die damit verbundene Mehrarbeit durch den eklatanten Lehrermangel, die Menge der zeitfressenden Sitzungen und das herausfordernde Schülerverhalten mit all seinen Begleiterscheinungen für die Lehrkräfte schon seit mehr als zehn Jahren zu einer hohen Last im Lehrerberuf.“
Auch die Professorin Frau Uta Klusmann hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Maßnahmen es braucht, um das berufliche Wohlbefinden der Lehrkräfte nachhaltig zu fördern.
Zitat: „Die Lehrerinnen und Lehrer selbst empfinden vor allem den Lehrkräften Mangel als besonders belastend. Wenn Personen durch Krankheit ausfallen oder ganz fehlen, müssen Kolleginnen und Kollegen das kompensieren.
Das belastet nicht nur zeitlich, sondern auch emotional motivational. Die Lehrkräfte können nicht das im Unterricht umsetzen, was sie sich eigentlich vorgenommen haben, müssen pädagogisch wichtiges hinten anstellen, um die Basisversorgung zu gewährleisten. Das widerspricht ihrem pädagogischen Ethos und führt zu einem Teufelskreis aus Überlastung und dem Gefühl, zu wenig zu leisten.“
Letztendlich kann man es drehen und wenden, wie man möchte. Wir brauchen mehr Lehrkräfte statt weniger.
Das heißt in erster Linie, dass die Unterrichtsbeurteilung anhand der tatsächlich besetzten Stellen erfolgen muss und vor allem darf die Unterrichtsversorgung nicht auf 100 % reduziert werden.
Wir müssen Rahmenbedingungen an Schulen schaffen, in denen es Lehrkräften gelingt, gesund zu bleiben und motiviert zu arbeiten. Das heißt eine Unterrichtsversorgung von mindestens 105% und ausreichend Lehrkräfte im System. Denn nur dann kann es gelingen, eine verbindliche Unterrichtsversorgung in Schleswig-Holstein zu gewährleisten.
Sparen müssen wir woanders, aber nicht bei der Bildung.