Rede · Jette Waldinger-Thiering · 05.09.2018 Wahlfreiheit zwischen Religions- und Philosophieunterricht

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 15 - Religionsfreiheit an öffentlichen Schulen sicherstellen

„Für uns gehört die freie Wahl beim Religions- oder Philosophieunterricht nun mal aber auch zur Religionsfreiheit und damit zu nicht weniger als einem Grundrecht.“

Eigentlich ist die Frage des Religionsunterrichts ja ziemlich klar in unserem Schulgesetz geregelt. 

Die Teilnahme am Religionsunterricht in Schleswig-Holstein ist freigestellt. Ab 14 Jahren können sich Jugendliche abmelden, bei jüngeren Kindern können das die Eltern für sie übernehmen. Damit soll natürlich keine Freistunde entstehen, sondern Kinder und Jugendliche sollten stattdessen an einem gleichwertigen Unterricht teilnehmen können. In unserem Bundesland ist das der Philosophie-Unterricht. 

Und weil wir von verschiedenen Seiten angesprochen worden sind, dass dem nicht so ist, haben wir als SSW uns mir unserer kleinen Anfrage an das Bildungsministerium gewandt. 

Wir wollten wissen, an wie vielen öffentlichen Schulen und für wie viele Schülerinnen und Schüler evangelischer, katholischer, jüdischer, muslimischer oder anderweitiger Religionsunterricht erteilt wird. 

Wir wollten wissen, an wie vielen öffentlichen Schulen und für wie viele Schülerinnen und Schüler anstelle des Religionsunterrichts gleichwertiger Unterricht in der gleichen Klassenstufe erteilt wird. Und um alle möglichen Eventualitäten mit ins Gesamtbild der Situation aufnehmen zu können, fragten wir schließlich nach der Erteilung nicht gleichwertigen Unterrichts in anderen Fächern und nach Fällen, in denen die Beschulung komplett anderweitig gelöst wird.

Und durch die Antworten der Landesregierung wissen wir jetzt:

Die meisten von uns erfragten Daten werden nicht erhoben und was nicht erhoben wird, stellt sich nicht als Problem für die Landesregierung dar.

Dabei ist das Missverhältnis ja ganz offensichtlich, wenn an 715 öffentlichen allgemeinbildenden Schulen und beruflichen Gymnasien evangelischer Religionsunterricht erteilt wird, aber nur an 314 Schulen anderer gleichwertiger Unterricht. Da würde ich jetzt erstmal die Vermutung wagen, dass es auch an den andern 401 Schulen Schülerinnen und Schüler geben wird, die lieber Philosophie- als Religionsunterricht hätten. Aber – aus welchen Gründen auch immer- wird dieser eben nicht erteilt.

Fakt ist an unseren Schulen wird Philosophie-Unterricht nicht im vorgeschriebenen Umfang angeboten, obwohl das im Schulgesetz so festgeschrieben ist. Und damit gibt es auch keine echte Wahlfreiheit gegenüber dem Fach Religion. 

Wir sind der Meinung, dass es ein Fehler ist, den Philosophieunterricht stiefmütterlich zu behandeln. Wir sollten ihn hier nicht nur als Ersatz des Religionsunterrichts besprechen, sondern müssen ihn würdigen als das schwierige Fach, die Schule des Denkens, das es ist. 

Uns ist in persönlichen Gesprächen auch zu Ohren gekommen, dass Eltern sich zieren, das Recht ihrer Kinder auf Philosophie-Unterricht einzufordern, weil sie nicht diejenigen sein wollen, die für den Extraaufwand sorgen. Das ärgert einen dann doch zu hören, dass scheinbar eine Art Gruppenzwang auf den Eltern oder Kindern liegt, der sie in ihrer Entscheidungsfreiheit eingrenzt. 

Und vom Landeselternbeirates der Gemeinschaftsschulen wissen wir, dass viele Eltern direkt an den Schulleitungen scheitern, die keinen Bedarf sehen oder sehen wollen, Philosophieunterricht anzubieten.

Für uns gehört die freie Wahl beim Religions- oder Philosophieunterricht nun mal aber auch zur Religionsfreiheit und damit zu nicht weniger als einem Grundrecht. Und das macht es für uns durchaus zu einem ernst zu nehmenden Thema.

Deswegen fordern wir jetzt die Landesregierung auf, sicherzustellen, dass ab dem Schuljahr 2019/2020 in jeder öffentlichen Schule, in der

Religionsunterricht erteilt wird, parallel auch Unterricht in Philosophie als

gleichwertiger Unterricht angeboten wird und dass in den Schulen rechtzeitig auf die Wahlfreiheit zwischen Besuch des Religions- und des Philosophieunterrichts hingewiesen wird. 

Wir bitten Sie daher dieses Problem nicht kleinzureden. 

Denn um es mit dem dänischen Philosophen und Theologen Søren Kierkegaard zu sagen: „Die Wahrheit ist immer in der Minderheit.“

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