Rede · Lars Harms · 14.06.2023 Steuergerechtigkeit gibt es nicht zum Nulltarif!

„Der allergrößte Knackpunkt ist und bleibt – wenig überraschend – das Thema „Personal“. Das Land muss hier als Arbeitgeber attraktiver werden im Wettbewerb um Fach- und Nachwuchskräfte. Eine funktionierende und serviceorientierte Steuerverwaltung sowie Steuergerechtigkeit gibt es nun mal nicht zum Nulltarif.“

Lars Harms zu TOP 9 - Länderfinanzverwaltung in Schleswig-Holstein (Drs. 20/209; 20/779)

Die Antworten auf unsere Große Anfrage samt Anlagen sind ja wahrlich ausführlich – vielen Dank dafür an alle, die an der Beantwortung mitgearbeitet haben! Es gibt zwar auch einige Antworten, die darauf verweisen, dass entsprechend erfragte Angaben und Zahlen leider nicht erhoben werden oder nicht zu ermitteln waren, aber mit den meisten Antworten kann man ja durchaus weiterarbeiten.

Der allergrößte Knackpunkt ist und bleibt – wenig überraschend – das Thema „Personal“. Die Steuerverwaltung ist chronisch und inzwischen alarmierend unterbesetzt. In ihrer Vorbemerkung verweist die Landesregierung zwar auf den im Jahr 2011 beschlossenen Stellenabbaupfad, in dessen Zuge bis zum Jahr 2020 ganze 321 Stellen abgebaut worden waren. Aber allein durch diese Vorgabe lässt sich der akute Personalmangel nicht erklären. Dem in der Anlage (Anlage I.1) dargestellten Personal-IST zufolge hat die Steuerverwaltung nämlich im selben Zeitraum ganze 670 Vollzeitäquivalente (VZÄ) verloren. Erst im vergangenen Jahr 2022 konnte zum ersten Mal wieder mehr Personal eingestellt werden, als die Verwaltung verlassen hat. Allerdings ist dies nur ein winziger Lichtblick. Insgesamt klafft zwischen dem Personal-IST und dem Personal-Bedarf nämlich inzwischen eine Lücke von ca. 1.250 VZÄ! Das entspricht einer Fehlbedarfsquote von rund 30%! Allein die Besetzung der aktuell freien Haushaltsstellen (740 Stellen) würde laut Steuergewerkschaft vermutlich die nächsten 30 Jahre in Anspruch nehmen. Der Personalaufbau wird sich also über die nächsten Jahrzehnte ziehen, was für die aktuell Beschäftigten bedeutet, dass sie diesen Kollegenmangel bis dahin ja irgendwie mitauffangen müssen. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. 
Mir ist bewusst, dass das Land ja durchaus versucht, qualifiziertes Personal anzuwerben und auszubilden – Stichwort „Ausbildungsoffensive“. Aber die Herausforderungen bleiben leider riesig: Es mangelt an Ausbildern und Dozenten, an Platz innerhalb der Bildungseinrichtungen, an der Ausstattung und letztlich leider auch an Auszubildenden, die auch tatsächlich ihre Ausbildung abschließen und übernommen werden können. Die Zahlen an Abgängen ohne Abschluss sind zuletzt ja leider gestiegen; hier muss Ursachenforschung betrieben werden, damit sich dieser Trend wieder umkehrt. 

Der Personalmangel zieht sich ja überdies auch durch weitere Abteilungen, beispielsweise im Bereich der Betriebs- und Sonderprüfungen und bei der Steuerfahndung. Betriebs- und Sonderprüfungen werden insgesamt immer komplexer und dauern durch den Personalmangel länger. Zudem finden Prüfungen dadurch natürlich insgesamt auch seltener bzw. in deutlich längeren Zeitabständen statt. Auf Dauer schneiden wir uns hier leider sehr schmerzhaft ins eigene Fleisch. Gerade in diesen Abteilungen bringt jeder Prüfer dem Land ein Vielfaches dessen ein, was er bzw. sie kostet. Es ist daher ja in unserem Interesse, dass gerade diese Bereiche mit ausreichend Personal ausgestattet werden – andernfalls entgehen dem Land hier jährlich Steuereinnahmen in hoher zweistelliger Millionenhöhe. Hier müssen wir also verstärkt aktiv werden. Steuergerechtigkeit gibt es eben nicht zum Nulltarif!

Positiv hervorzuheben sind allerdings die Sachstanderhebungen in puncto Steuerhinterziehungs- und Geldwäschebekämpfung. Es gibt zwar nach wie vor Fälle zu vermelden – wir müssen also dranbleiben – aber hier scheinen die Arbeitsabläufe und Maßnahmen ja zu wirken und auch von den Beschäftigten aus den verschiedenen beteiligten Behörden gut angenommen zu werden; beispielhaft sei der eingerichtete Verbindungsbeamte im LKA genannt, der für alle beteiligten Einheiten als sogenannter „Informationsknotenpunkt“ fungiert, wie es so schön in der Antwort zum Thema „Repressive Geldwäschebekämpfung“ heißt.

Enttäuschend war hingegen die Antwort auf unsere Nachfrage nach sogenannten „Share Deals“ in Schleswig-Holstein. Die Landesregierung gibt an, dass ihr hierzu keine Zahlen über entsprechende Transaktionen vorliegen, sodass auch keine Aussage über potenziell entgangene Grunderwerbsteuersummen gemacht werden können. Dies ist schade und auch ärgerlich – denn hier gehen dem Land sicherlich so einige Millionen verloren. Womöglich könnte man derartige Transaktionen künftig doch endlich auch erfassen, um schließlich Lösungen auf Bundesebene für eine gerechtere Besteuerung finden zu können. Da darf dann auch gerne der Anstoß einmal aus Schleswig-Holstein kommen.

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