Speech · Jette Waldinger-Thiering · 20.07.2017 Nicht über die Köpfe hinweg entscheiden - sondern die Menschen mitnehmen
Jette Waldinger-Thiering zu 13 - Umstellung des Schulsystems nur mit Dialog und Unterstützung
Keine Frage: Gerade im Bildungsbereich liegen Anspruch und Wirklichkeit oft deutlich auseinander. Ich will damit sagen, dass es natürlich auch der Küstenkoalition längst nicht immer gelungen ist, alle Betroffenen bei bildungspolitischen Entscheidungen mitzunehmen. Und doch haben wir immer versucht, die Menschen zu hören und ihre Wünsche zu berücksichtigen.
Das haben wir vor allem dann getan, wenn es um wichtige Weichenstellungen im Bildungsbereich ging. Und mein Eindruck war, dass viele der heute Verantwortlichen zwar erst zögerlich waren, aber diesen Ansatz dann doch ganz gut fanden. Wie so oft, wenn es nicht die eigene Idee ist. Doch wie dem auch sei. Eines sollte man aus meiner Sicht jedenfalls nicht unterschätzen: Der Bildungsdialog hat nicht nur gute inhaltliche Ergebnisse geliefert. Sondern auf diesem Weg wurde vor allem auch sehr viel Vertrauen in die Politik insgesamt zurückgewonnen. Ich frage mich also, was denn eigentlich dagegen spricht, die positiven Erfahrungen mit diesem Format mitzunehmen und diesen Weg weiterzugehen?
Uns allen ist bewusst, dass längt nicht jede Entscheidung auf eine so breite Basis gestellt werden kann. Viele Dinge im Bereich Schule sind sehr kleinteilig oder betreffen nur wenige. Und vieles muss ganz einfach auch sehr kurzfristig entschieden werden. Deshalb ist es auch nur folgerichtig, wenn die SPD fordert, dass vor allem „wesentliche Änderungen des Schulgesetzes“ im Dialog entschieden werden müssen. Als Beispiel wird die geplante Rückkehr zu G9 an Gymnasien genannt. Das ist tatsächlich eine sehr gravierende Änderung, die längst zu großer Verunsicherung an unseren Schulen führt. Deshalb kann der SSW dieses Ansinnen nur unterstützen.
Unabhängig von der Einordnung der Frage G8/G9 lässt sich natürlich darüber streiten, was genau unter den Begriff: „wesentliche Änderung“ fällt. Ich persönlich würde mir im Sinne der Betroffenen wünschen, dass man diesen Begriff eher weiter fasst und damit eine möglichst umfassende Mitsprache ermöglicht. Die Erfahrungen der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler aber auch der Eltern und der anderen, am Schulalltag Beteiligten sind für uns Bildungspolitiker doch sehr wertvoll. Diese zumindest anzuhören und auf dieser breiteren Basis zu entscheiden, sollte eigentlich auch im Eigeninteresse der jetzigen Regierung sein. Schon allein aus Akzeptanzgründen.
So wie es derzeit aussieht, ist aber nichts dergleichen geplant. Die Betroffenen erfahren vielmehr aus Parteipapieren oder Medien, dass nun zum Beispiel im Grundschulbereich oder beim Thema Inklusion umfassende Änderungen vereinbart wurden. Und wenn es nicht so aussichtslos wirken würde, könnte man ganz ähnliches auch über die aktuellen Ideen von Frau Prien zum Thema Bildungsföderalismus sagen. Bei all diesen Fragen sind natürlich gravierende Auswirkungen auf die Abläufe vor Ort und den Schulalltag insgesamt zu erwarten. Auch hier wäre es aus meiner Sicht mehr als sinnvoll, wenn man erst mal mit möglichst vielen Menschen spricht, die diese Auswirkungen direkt spüren werden. Denn oft haben sie sehr wertvolle Hinweise, die zu einem weit besseren Ergebnis führen können.
Ich habe natürlich großes Verständnis dafür, wenn die neue Regierung zügig eigene Akzente setzen will. Gerade in der Bildungspolitik. Und doch halte ich es für unverzichtbar, die Meinung der Menschen vor Ort nicht nur zu hören, sondern berechtigte Einwände und Wünsche auch zu berücksichtigen. Dies gilt ganz besonders für Fragen der Konnexität, die sich ja bekanntlich im Zusammenhang mit der Rückkehr zu G9 an Gymnasien stellen. Wenn man Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Schulträgern und Eltern diesen massiven Eingriff in die Schulstruktur schon zumutet, müssen die entstehenden Fragen zumindest mit ihnen geklärt werden. Hier erwarten wir gemeinsam mit den Betroffenen verlässliche Zusagen und Planungssicherheit.