Speech · 19.02.2004 Natura 2000 oder Infrastruktur und Wirtschaftswachstum

Die Überschrift des FDP-Antrages macht deutlich, wie das Programm Natura 2000 derzeit in unserem Land diskutiert wird: Natura 2000 oder Infrastruktur und Wirtschaftswachstum. Leider ent­wic­kelt sich die Umsetzung des Programms Natura 2000 immer mehr hin zu einem Gegensatz zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Entwicklung. Wir waren in der Diskussion aber schon wesentlich weiter. In früheren Jahren handelten wir mehr nach der Maxime: Natura 2000 und Infrastruktur und Wirtschaftswachstum.

Das Ziel des Ausgleiches zwischen Naturschutz und wirtschaftlichen Interessen sowie sozialen Belangen, wie es die Agenda 21 vorsieht, scheint der Umweltminister immer mehr aus den Augen zu verlieren. Diese Tatsache alleine, wirft uns in unseren Diskussionen meilenweit zurück. Das Programm Natura 2000 ist in diesem Zusammenhang nun der Stein des Anstoßes. Grundsätzlich muss man sagen, dass derzeitige Art der Betrachtungsweise von Naturschutz immer mehr in eine einseitige Betrachtungsweise abgleitet. Gleiches würde aber natürlich auch gelten, wenn wir uns einer rein wirtschaftsorientierten Betrachtungsweise hingeben würden.

Wir werden nun heute vom Umweltminister einen Bericht erhalten, in dem er auf die Internetveröffentlichungen des Umweltministeriums verweist und darauf hinweisen wird, dass durch das Programm Natura 2000 nur ein Verschlechterungsverbot verankert wird und nach einer naturschutzfachlichen Prüfung von Projekten auch eine wirtschaftliche Betätigung in den Natura-Gebieten weiterhin möglich sein kann. Das ist auch alles richtig und oft wird es so sein, dass tatsächlich Infrastrukturprojekte und Projekte, die die Wirtschaftskraft verbessern sollen, auch nach einer besonderen naturschutzfachlichen Prüfung durchgeführt werden können.

Allerdings Sicherheit haben wir hierfür nicht. Und genau diese Sicherheit brauchen wir, wenn wir geplante Infrastrukturprojekte durchführen wollen. So ist in Nordfriesland der Ausbau der Bundesstraße 5 im Bundesverkehrswegeplan angemeldet und soll nun vorangetrieben werden. Gleichzeitig soll in Husum ein Offshore-Wind-Hafen entstehen, was nicht nur zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region enorm beitragen wird, sondern auch der durch die Landesregierung vorangetriebenen nachhaltigen Energiegewinnung dienen wird. Hierfür vorgesehene Flächen sollen nun Vogelschutz­gebiete werden.

Wir haben also keine Sicherheit mehr, ob die politisch gewollten Projekte noch durchgeführt werden können. Diese Sicherheit hätten wir nur dann, wenn man diese Flächen nicht ausweisen würde. Und genau hier setzt die Kritik an. Wenn es so ist, dass wir die Region wirklich weiterentwickeln wollen, warum werden die jetzt schon für wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung verplanten Gebiete nicht von der Ausweisung als Vogelschutzgebiet freigehalten? Genügend Auslegungsspielraum haben wir ja. Denn bei der Ausweisung von Vogelschutzgebieten hat das Umweltministerium eigene Kriterien für die Ausweisung dieser Schutzgebiete zugrunde gelegt, die dazu führten, dass von der EU-Kommission konkret genannte Gebiete nicht ausgewiesen wurden.

Wenn man also über die Empfehlungen und Wünsche der EU-Kommission hinweggehen kann, muss es auch möglich sein, Vogelschutzgebiete gebietsmäßig so zu schneiden, dass die infrastrukturellen Planungen nicht in Frage gestellt werden. Oder soll da doch das eine oder andere Projekt verhindert werden?

Genau diese Sorge geht jetzt um. Können die Offshore-Wind-Projekte noch realisiert werden, wenn in den Seegebieten, in denen „Vogelschredder“ aufgestellt werden sollen, plötzlich ein Vogelschutzgebiet ist? Das eine schließt das andere sicherlich aus. Wir haben keine Antwort auf solche Fragen und deshalb haben viele ein Problem mit der Schutzgebietsausweisung. Vor diesem Hintergrund müssen wir vorsichtig mit großflächigen Schutzgebietsausweisungen sein.

Um es klar zu sagen: Wir als SSW wollen Schutzgebiete und wir wollen Natura 2000. Aber wir wollen beides im Einklang mit den Interessen der Menschen und wir wollen vor allem, dass dies nach den allgemein anerkannten Prinzipien der Agenda 21 durchgeführt wird. Belange des Naturschutzes und Belange, die sich auf die wirtschaftliche Entwicklung und auf soziale Komponenten beziehen, haben gleichrangig behandelt zu werden. Und das ist möglich. Es liegt auch in unserem Interesse, dass wir die Wogen glätten und deshalb werden wir dem Änderungsantrag von SPD und Grünen zustimmen, weil er sachlich richtig ist und keinerlei Vorabbewertungen beinhaltet. Wir sehen aber auch, dass die Befürchtungen der FDP nicht von der Hand zu weisen sind. Es gibt, wie ich gerade eben deutlich gemacht habe, genügend Gestaltungsspielraum und dieser Gestaltungsspielraum muss genutzt werden. Deshalb, Herr Minister Müller, nutzen Sie ihren Gestaltungsspielraum, dann tun Sie dem Naturschutz und den Menschen in unserem Land einen großen Dienst.

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