Speech · Sybilla Nitsch · 31.01.2025 Machen, was hier in Schleswig-Holstein möglich ist!
„Damit wir wieder in Gang kommen, braucht es neuen Schwung. Und genau das ist wohl das Einzige, was ich an den vorgelegten Wirtschaftspapieren teile: den Wunsch, dass die Menschen in Schleswig-Holstein wieder optimistisch in die Zukunft blicken, die Unternehmen wieder zuversichtlich investieren können und die wirtschaftliche Lage dem Land wieder größere Spielräume ermöglicht. Was ich nicht teile, sind einerseits ideologische Attacken, die wenig bis gar nichts mit der Situation in Schleswig-Holstein zu tun haben, und andererseits zusammen getackerte Spiegelstriche, die kaum substanziell Neues zu bieten haben. Wir müssen aus diesen Routinen aussteigen.“
Sybilla Nitsch zu TOP 21+34 - Neuer Schwung für die Wirtschaft – Zeit für einen neuen wirtschaftspolitischen Kurs (Drs. 20/2744; 20/707; 20/749; 20/2856; 20/2748 (neu))
Deutschland befindet sich in der Rezession. Das heißt, dass wir mitten im Abschwung in einer schlechten Konjunkturphase stecken. Damit wir wieder in Gang kommen, braucht es neuen Schwung. Und genau das ist wohl das Einzige, was ich an den vorgelegten Wirtschaftspapieren teile: den Wunsch, dass die Menschen in Schleswig-Holstein wieder optimistisch in die Zukunft blicken, die Unternehmen wieder zuversichtlich investieren können und die wirtschaftliche Lage dem Land wieder größere Spielräume ermöglicht.
Was ich nicht teile, sind einerseits ideologische Attacken, die wenig bis gar nichts mit der Situation in Schleswig-Holstein zu tun haben, und andererseits zusammen getackerte Spiegelstriche, die kaum substanziell Neues zu bieten haben. Wir müssen aus diesen Routinen aussteigen.
Ich bezweifle, dass einer Friseurmeisterin oder einem Lagerarbeiter mit den vorliegenden Anträgen klar wird, wohin die Reise gehen soll.
Mein ehemaliger Kollege Lars Harms hat letzte Woche seine Gäste daran erinnert, dass Abgeordnete gewählt werden, um Probleme zu lösen. Dazu sind wir angetreten. Und das sollten wir jetzt auch tun. Darum möchte ich Bereiche hervorheben, in den wir gemeinsam steuern sollten:
Vernetzung: Schleswig-Holstein hat intensive wirtschaftlichen Beziehungen zu seinen Nachbarn Hamburg und Dänemark. Diese muss die Landespolitik mit ihren Maßnahmen unterstützen stabilisieren und ausweiten. Leider scheint der Blick in den Norden vernebelt: keines der Anträge hat den Nachbarn Dänemark im Blick. Dänemark verzeichnet das sechsthöchste Wirtschaftswachstum in der EU. Schleswig-Holstein kann von einer intensiveren Verbindung also nur profitieren. Hier müssen wir besser werden. Gerade im Maschinenbau und in der Lebensmittelproduktion sind nachhaltige Vorteile durch die Kooperation zu erwarten.
Eine gemeinsame Arbeitsmarktpolitik muss vorangetrieben werden und die Barrieren für Pendler nach jahrzehntelanger Debatte endlich verschwinden.
Gerechtigkeit: Jeder Steuercent sollte so ausgegeben werden, dass der hiesige Anbieter nicht benachteiligt.
Das Vergaberecht muss Betriebe mit Tarifverträgen gegenüber bevorzugen, hier läuft der Kurs an der Gerechtigkeit vorbei.
Zur Gerechtigkeit in der Wirtschaft gehört ausdrücklich eine faire Regelung in Sachen Vermögenssteuer. Diese führt dann gerade nicht zur von der FDP beschworenen Verunsicherung, sondern wäre nachlesbar und klar.
Genauso wie der Vorschlag, den Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel zu senken, wird eine Vermögenssteuer auf Bundesebene entschieden.
Neben dem Aufbau eines nachhaltigen Wirtschaftskreislaufes ist das Arbeitszeitrecht ein großer Faktor. Die Debatte zu dem entsprechend vorliegenden gesonderten Antrag hatten wir schon und sind im Ausschuss zu einer Lösung gekommen, der den Dialog mit den Arbeitgeberverbänden beinhaltet.
Gut ist, dass wir auf der Grundlage tarifgebundene Arbeit diskutieren wollen. Grundsätzlich bieten die jetzigen Regelungen genug Spielraum, um flexible Arbeitsmodelle mit den Mitarbeitenden zu entwickeln.
Auch wir sind pro Flexibilisierung, aber eben nur im Rahmen bestimmter Grenzen und im Sinne der Arbeitnehmer.
Und da reicht uns die Aussage der Gewerkschaften, die die jetzigen Regelungen für ausreichend flexibel erachten und keinen Korrekturbedarf sehen. Insofern ist dieser Punkt erledigt.
Und noch ein Kommentar zur geforderten Steigerung der Attraktivität von Arbeit: Ja, Arbeit muss sich lohnen. Arbeit muss sich vor allem immer deutlich mehr lohnen als der Bezug von Sozialleistungen.
Und das bekommt man hin durch – Sie ahnen es – gerechte Löhne!
Ich würde nicht von einem Lohnkeller sprechen, sehe aber, dass der durchschnittliche Bruttostundenverdienst sehr niedrig liegt, bei Frauen 19,77 Euro, bei Männern 22,51 Euro. D.h. etwa 20 Prozent der Beschäftigten in unserem Land liegen im unteren Entgeltbereich. Der Weg zu gerechten Löhnen ist also noch weit - wenn wir uns auf eine Besserung verständigen könnten, dann wäre viel gewonnen. Dann müssten wir nicht länger über Welcome-Center und deren auskömmliche Finanzierung spekulieren. Gute Löhne sind der entscheidende Faktor zur Behebung des Fachkräftemangels: Sie machen Schleswig-Holstein attraktiv auch für ausländische Bewerberinnen und Bewerber und motivieren zur Qualifikation und Wiedereinstieg.
Nachhaltigkeit: Ich möchte gerne auf die Gemeinsamkeiten verweisen, aber bei der Rückschrittspolitik der FDP fällt mir das schwer.
LNG, Atomenergie, CCS – nicht mit uns, nicht mit dem SSW!
Hierzu gibt es unsererseits eine ganz klare Ablehnung.
Wir sollten uns gerade in Schleswig-Holstein zu den Erneuerbaren Energien bekennen.
Mit starrer Ideologie kommt man in der Tat nicht weit; mit einem Sammelsurium a la SPD allerdings auch nicht.
Eine kluge Innovationsförderung, die Anreize für Innovationen schafft und die für ein positives Image von nachhaltigem Unternehmertum und Start-ups wirbt, ist in unseren Augen sinnvoll.
Denn ja, wir brauchen kluge Menschen, die motiviert sind oder sich motivieren lassen, mit innovativen Ideen an der Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft mitzuarbeiten.
Wir brauchen gute regionale Lösungen für die Wirtschaft, mit z.B. grünem Wasserstoff und dem Fokus auf die Kreislaufwirtschaft. Unternehmen wie Holcim zeigen vor Ort, was möglich ist.
Stärken wir diese Entwicklungen; ebenso wie den Weg zu Recyclingbaustoffen, die die hiesigen Unternehmen unabhängiger von international gehandelten Rohstoffen machen können.
Der Rohstoffmangel ist für das verarbeitende Gewerbe ein absolutes Prioritätsthemen!
Das höre ich immer wieder – dazu fehlt noch eine Antwort seitens des Ministers.
Zur Nachhaltigkeit gehören auch die Bürgerinnen und Bürger hier im Land. Sie sind fleißige Rohstoffverwerter und haben im letzten statistisch erfassten Jahr weniger Müll erzeugt.
Sie tragen auch aktiv die Energiewende mit. So hat nach Angaben der Heizungsinnung die Zahl der verkauften Wärmepumpen in Schleswig-Holstein zugenommen und befindet sich damit klar im Gegensatz zum Bundestrend.
Die Zahl der privaten PV-Anlagen wächst kontinuierlich. Diese privaten Entscheidungen belegen doch, dass Klimaschutz ein großes Anliegen ist. Die Netze müssen allerdings mitwachsen. Das ist eine Investition in die Zukunft.
Subventionen: Einige Subventionen müssten definitiv auf den Prüfstand, nicht nur wegen der aktuellen Haushaltslage, sondern auch aus Prinzip. Dabei muss es immer um die Zweckmäßigkeit gehen.
Wir brauchen keine Unterscheidung in gute und vermeintlich böse Subventionen, sondern die Antwort auf die Frage: Welche Idee bzw. welche Innovation hat Zukunft und bringt die Wirtschaft voran und rechnet sich daher?
Insgesamt sollten Subventionen am Gemeinwohl gemessen werden, hier bietet die Gemeinwohlökonomie Antworten für die Zukunft, diesen Antworten sollten wir uns widmen, und ernsthaft schauen, wie diese sich in die Förderkulissen einbauen lassen.
Ich sehe allerdings Schlüsselbereiche, die für die Landespolitik so relevant sind, dass Subventionen hier nicht nur angebracht, sondern notwendig sind. Beispiel ÖPNV: In dieser Branche steckensehr viele Subventionsgelder und wenn man die radikal zusammenstreicht, dann muss man eben auch die Konsequenzen einberechnen, die da wären: Wegfall oder große Ausdünnung des ÖPNV-Angebotes. Das wäre die absolut verkehrte Weichenstellung!
Bürokratieabbau: Eine Forderung, die regelmäßig bemüht wird und natürlich absolut richtig ist.
Politiker aller Couleur fordern viel, viel wird angekündigt, bei den Unternehmen kommt jedoch nach wie vor recht wenig an und der Bürokratieberg verkleinert sich nicht.
Immer noch sieht Digitalisierung so aus, dass Anträge jetzt als pdf-Datei auf der Ministeriumsseite stehen.
Zuletzt haben die mittelständischen Branchen über Dokumentationspflichten und Antragsberge geklagt.
Sie verbringen viel zu viele Stunden im Büro statt in der Produktion oder auf Baustellen. Das erzeugt Frust und Resignation.
Und, wann und in welcher Form kommt denn diesbezüglich endlich mal was Konkretes von Landesseite?
Minister Madsen schwingt regelmäßig Reden mit unterhaltsamen, aber in der Sache eigentlich recht traurigen Anekdoten in puncto Bürokratieerfordernisse.
Er nimmt die Forderungen der Unternehmer immer brav mit ins Ministerium und verspricht, man werde sich darum kümmern, aber wo ist der konkrete Katalog?
Bislang haben wir da noch keine entsprechenden Verordnungen gesehen, die den Unternehmen auch tatsächlich im Alltag weiterhelfen. Stattdessen haben sie das EWKG novelliert, feiern das als einen ihrer großen Erfolge für die Energiewende, aber schlussendlich ersticken Kommunen und Wirtschaft in gefühlt 10.000 neuen Berichtspflichten.
Infrastruktur: Schleswig-Holstein verbindet Skandinavien mit Europa; vorausgesetzt die Infrastruktur stimmt.
Diese Woche stehen wieder umfangreiche Bauarbeiten am Nadelöhr Rader Hochbrücke an; ein Alptraum für jeden Logistiker, die Termine im Hamburger Hafen nicht mehr planen können.
Ein Alptraum sind auch die Kürzungen bei den Landesstraßen, machen Sie diese Entscheidung rückgängig. In Summe ein Riesenbremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung.
Wir müssen den Jylllandskorridor weiter stärken und in verlässliche Bahnverbindungen von und nach Dänemark investieren. Das gilt auch für die Westküste:
Der Korridor Hamburg-Esbjerg ist unterfinanziert.
Dabei liegen die Vorteile für angehende Wirtschaftsansiedlungen an der Westküste auf der Hand, wenn der Güterverkehr auf der Schiene von und nach Esbjerg abgewickelt werden könnte.
Stattdessen wird die Westküste weiter abgehängt – vom Sorgenkind Marschbahn will ich hier gar nicht erst anfangen.
Wir sollten das anpacken, was hier in Schleswig-Holstein möglich ist, denn nur auf den Bund verweisen, hilft die vielen kommenden Monate nicht. Wir brauchen jetzt die Planung der politischen Rahmenbedingungen: in Schleswig-Holstein mit Augenmaß und mit konkreten, klaren Maßnahmen.