Speech · Christian Dirschauer · 22.11.2023 Ein starkes Signal gegen Ausgrenzung und Stigmatisierung
„Ein Landesantidiskriminierungsgesetz schließt wichtige Regelungslücken“
Christian Dirschauer zu TOP 6 - Entwurf eines Gesetzes für ein Landesantidiskriminierungsgesetz Schleswig-Holstein (LADG) (Drs. 20/1544)
Menschen vor Diskriminierung zu schützen ist eine absolute Kernaufgabe unseres Rechtsstaats. Kein Mensch darf auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen oder antisemitischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit oder Volksgruppe, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status diskriminiert werden. Dieser Grundsatz muss auch und gerade im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns gelten. Und um ihn zu stärken, haben wir einen Entwurf für ein landeseigenes Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt. Ziel ist die tatsächliche Herstellung und Durchsetzung von Chancengleichheit, die effektive Verhinderung und Beseitigung jeder Form von Diskriminierung sowie die konsequente Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt.
Dieser erweiterte Schutz vor Diskriminierung ist bei weitem nicht überflüssig. Er ist im Gegenteil sogar sehr wichtig. Denn der Bund hat mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zwar vier EU-Richtlinien gegen Diskriminierung umgesetzt. Doch das AGG ist bekanntlich auf die Erwerbstätigkeit und den Privatrechtsverkehr beschränkt. Bei öffentlich-rechtlichem Handeln, wie zum Beispiel im Bereich des öffentlichen Bildungswesens oder den Sicherheitsbehörden, fehlt ein vergleichbarer Schutz vor Diskriminierung. Unser Entwurf für ein Landesantidiskriminierungsgesetz schließt nicht nur diese Regelungslücke, sondern er erweitert auch den Katalog der Diskriminierungsmerkmale zum Beispiel um die Punkte nationale Minderheiten, sozialer Status sowie chronische Erkrankung. Auch das ist wichtig. Denn aus allen 3 Gründen findet Diskriminierung nachweislich statt. Und mit einem Landesgesetz hätten wir hiergegen endlich ein wirkungsvolles Mittel an der Hand.
Ich denke, alle kennen die Diskussion um das 2020 in Kraft getretene Landesantidiskriminierungsgesetz in Berlin. Hier wurden nicht nur Hoffnungen, sondern vor allem Bedenken und Sorgen geäußert. Einige, etwa von Seiten der Polizeibehörden, sicher auch nicht unberechtigt. Denn es gab deutschlandweit nun mal keinen vergleichbaren Vorstoß. Mittlerweile machen sich aber nicht nur andere Bundesländer auf den Weg, sondern wir haben auch wertvolle Erfahrungswerte aus Berlin. Und die sind ziemlich eindeutig: Durch das Berliner LADG wurde Rechtsklarheit für die öffentlich Bediensteten geschaffen. Und die damalige Justizsenatorin Lena Kreck hat schon Ende 2022 bestätigt, dass zwar über 1000 Beschwerden eingegangen sind, die befürchtete Klagewelle aber ausgeblieben ist. Denn die meisten Beschwerden wurden und werden im außergerichtlichen Verfahren mit Hilfe der Ombudsstelle geregelt. Diese kann schlichten und vermitteln und Handlungsempfehlungen geben. Häufig zum Vorteil aller Beteiligten.
Gerade diese Möglichkeit des Ausgleichs statt der Konfrontation ist ein ganz zentraler Bestandteil unseres Gesetzentwurfs. Wir haben uns auch deshalb eng am Berliner Gesetz orientiert, weil wir gerade kein Klagegesetz, sondern ein LADG wollen, dass Chancen durch niedrigschwellige Vermittlung ermöglicht. Für uns stehen Schlichtung und Interessenausgleich im Vordergrund; und nicht etwa die gerichtliche Auseinandersetzung. Und mit unserer Antidiskriminierungsstelle haben wir als Land ja bereits Strukturen, die über die entsprechende Erfahrung und Expertise verfügen. Aus Sicht des SSW können wir im Rahmen der Anhörung also auch gerne darüber sprechen, die im Gesetz vorgesehene Ombudsstelle hier anzudocken.
Nicht zuletzt die aktuellen antisemitischen Vorfälle auf Schulhöfen zeigen, dass unsere gesetzlichen Grundlagen zur Bekämpfung von Diskriminierung auf Landesebene nicht immer ausreichen. Ein Landesantidiskriminierungsgesetz ist auch vor diesem Hintergrund ein wichtiges und starkes Signal gegen Ausgrenzung und Stigmatisierung. Und es ist eben auch aus vielen anderen Gründen sinnvoll. Denn Diskriminierung ist leider ein Alltagsphänomen, von dem längst nicht nur Minderheiten, sondern auf die eine oder andere Weise viele Menschen betroffen sind. Deshalb ist es höchste Zeit, den Betroffenen verbesserte und erweiterte Rechtsschutzmöglichkeiten zu geben. So stellen wir sicher, dass die Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung auch faktisch durchsetzbar sind. Und durch ein LADG sorgen wir auch dafür, dass Diskriminierung auch in den Bereichen verhindert wird, in denen wir als Land vorrangig zuständig sind.