Speech · Christian Dirschauer · 12.10.2023 Die Umstellung zu mehr Tierwohl kostet viel Geld

„Wenn wir also Tierwohl stärker in der Produktion verankern wollen, dann müssen wir den Landwirten entsprechende Hilfen anbieten. Hier rede ich dann nicht nur vom Bund. Wir sehen auch das Land in der Verantwortung. Die bisher in den Raum gestellte Milliarde , für mehr Tierwohl bei der Schweineproduktion, darf kein einmaliger Scheck sein.“

Christian Dirschauer zu TOP 07 - Der Schweinehaltung in Schleswig-Holstein eine Zukunftsperspektive bieten (Drs. 20/1175)

Die Krise, in der unsere Schweinehalter und -züchter stecken, ist nicht neu. Aber sie hat gerade in den letzten Jahren noch mehr Fahrt aufgenommen. Das Sterben der Betriebe sehen wir seit Jahren. Laut dem Statistischen Bundesamt ist die Zahl der schweinehaltenden Betriebe in den letzten 20 Jahren von 2.540 auf 520 Betriebe gesunken. Das ist ein Rückgang von rund 80 %. Der Bestand der Schweine ist in dem Zeitraum um rund 40% zurück gegangen. Das sind dramatische Zahlen und wer heute in der Branche arbeitet, fragt sich, wie es morgen weitergehen soll. Hier schlägt wieder das alte Motto zu: Wer nicht wachsen will, der muss weichen. Ein Irrweg, der über Jahrzehnte die Landwirtschaft diktiert hat.
Die Krisen der letzten Jahre haben die Situation weiterverschlechtert. Durch die Afrikanische Schweinepest ist die Nachfrage nach Schweinefleisch eingebrochen, große Absatzmärkte wie beispielsweise China, sind weggebrochen. Und durch den Lockdown in den Schlachtzentralen während der Corona-Pandemie hat sich gar ein neuer Begriff, „Schweinestau“, gebildet. Die Energiekrise und der Krieg in der Ukraine haben, wie auch in allen anderen Lebensmittelbereichen, die Produktionskosten explodieren lassen. 
Das ist die Situation, der sich die schweinehaltenden Betriebe betriebswirtschaftlich ausgesetzt sehen. Dazu kommt, dass die Nachfrage nach Fleisch im Allgemeinen in den letzten Jahren stetig zurückgegangen ist. Insbesondere beim Schweinefleisch ist der Rückgang am stärksten zu verzeichnen. Hier ist der Verzehr allein in den letzten zehn Jahren um rund 25% zurück gegangen. 
Die Gründe für den Rückgang sind unterschiedlich. Die Inflation und die gestiegenen Preise wirken sich entsprechend auf das Kaufverhalten aus und auf der anderen Seite verzeichnen wir eine Zunahme des Verzehrs pflanzlicher Produkte. 
Für die schweinehaltenden Betriebe und ihre Familien ist diese Entwicklung verheerend. Es geht um finanzielle Belastungen, Verlustängste und eine ungewisse Zukunft. Das sind keine Voraussetzungen, unter denen man einen Betrieb gerne weiterführen möchte oder kann.
Zudem hat die Landwirtschaft mit einem Imageproblem zu kämpfen. Seit Jahren wächst der gesellschaftliche Druck, mehr für Tierwohl sowie Umwelt- und Klimaschutz zu tun. 
Diesen Forderungen versucht die Landwirtschaft seit Jahren nachzukommen. Aber dieser Transformationsprozess lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Ähnlich wie bei der Mobilitäts- oder Energiewende ist es ein Prozess, der langwierig und teuer ist. Aber diese Zeit und vor allem die nötigen Mittel können die Betriebe nicht ohne weiteres überbrücken oder zur Verfügung stellen. 
Die Umstellung zu mehr Tierwohl, also der Um- oder Neubau der Ställe, kostet Geld. Mehr Platz heißt weniger Tiere, das wiederum bedeutet weniger Einnahmen. Wenn wir also Tierwohl stärker in der Produktion verankern wollen, dann müssen wir den Landwirten entsprechende Hilfen anbieten. Hier rede ich dann nicht nur vom Bund. Wir sehen auch das Land in der Verantwortung. Die bisher in den Raum gestellte Milliarde , für mehr Tierwohl bei der Schweineproduktion, darf kein einmaliger Scheck sein. Der Bedarf geht weit darüber hinaus. Wenn wir wollen, dass Tierwohl fest verankert ist in unserer Landwirtschaft, dann müssen wir den Landwirten auch ein entsprechendes Angebot machen. Die Erhöhung der Standards –für Umwelt-, Klimaschutz oder Tierwohl –, wirken sich entsprechend auf die Produktion aus. Wollen wir Qualität vor Quantität, dann müssen wir uns das etwas kosten lassen. 
Unsere Landwirte befinden sich aber gleichzeitig in einer wirtschaftlichen Konkurrenz mit anderen europäischen Produzenten. Das heißt, langfristig müssen wir auch hierfür Lösungen finden. 
Die Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Lebensmittelhandel und Gastronomie, ist ein Weg, der gemeinsam eingeschlagen wurde, um eine schrittweise Verbesserung in Richtung Tierwohl zu ermöglichen. Die Landwirte Über einen Fond für mehr Tierwohl zu entlohnen, sichert ihre Wettbewerbsfähigkeit. Auch wenn die Initiative Tierwohl bei Tierschutzorganisationen nicht unumstritten ist, so geht sie nach unserer Auffassung doch in die richtige Richtung. Sicherlich kann und muss für Tierwohl mehr getan werden, aber sie ist ein Anfang. 

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