Speech · Lars Harms · 20.11.2024 Die Standesvorrechte des Adels sind abgeschafft!
„Das Konstrukt Sachsenwald ist aus der Zeit gefallen und gehört abgeschafft. Wir erwarten daher von der Landesregierung, dass nun zügig die entsprechenden Schritte unternommen werden, um eine Regelung zu finden, die kommunalverfassungsrechtlich und steuerrechtlich umsetzbar und rechtssicher ist.“
Lars Harms zu TOP 25 - Keine Steueroasen in gemeindefreien Gebieten (Drs. 20/2662)
Die Geschichte rund um „die Hütte im Sachsenwald“ hat bundesweit hohe Wellen geschlagen. Es klingt ja auch wahrlich abenteuerlich: Ein gemeindefreies Gebiet mitten in Schleswig-Holstein, viel Wald – und eben ein Haus, in dem viele Firmen ihren Sitz gemeldet haben sollen. Die Gewerbesteuern, die diese Firmen erst seit wenigen Jahren zahlen und die sich zuletzt auffällig „dynamisch entwickelt“ haben, fließen aufgrund des gemeindefreien Status‘ indirekt dem Besitzer des Sachsenwaldes zu – in diesem Fall der Familie von Bismarck. Das hat ein Geschmäckle: Nicht nur, weil die Standesvorrechte des Adels in Deutschland vor über 100 Jahren zu Recht abgeschafft wurden, sondern auch, weil durch diese Darstellung der Verdacht aufkommen kann, es könnte sich hier um Briefkastenfirmen handeln, sprich: eine Steueroase mitten in Schleswig-Holstein. Ich möchte im Folgenden gern erläutern, weshalb dies hier zwar nicht der Fall ist – aber auch, weshalb wir dennoch gut daran tun, dieses merkwürdige Konstrukt abzuschaffen.
Grundsätzlich haben Unternehmen verschiedene Möglichkeiten zur Steuergestaltung, beispielsweise durch die Wahl der Rechtsform und des Standortes. Und auch mit dem Betriebsstätten-Begriff lässt sich gegebenenfalls legal-kreativ arbeiten. Die Überprüfung, ob diese Gestaltungsoptionen zurecht angewandt werden oder nicht, ist Aufgabe der Steuerverwaltung. Wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, dass unsere Steuerverwaltung diese Aufgabe korrekt erledigt.
Zum Zweiten geht es in der Diskussion ja auch um den Hebesatz der Gewerbesteuer. Schon vor einigen Jahren ist ein Mindesthebesatz von 200% beschlossen worden, um damalige Steueroasen auszutrocknen. Im Sachsenwald liegt der Hebesatz bei 275%, also über der beschlossenen Schwelle – und im Übrigen auch über so manch anderer Gemeinde. Allein in Schleswig-Holstein gibt es mit den Gemeinden Hamfelde und Thumby zwei Beispiele, in denen nur 250% erhoben werden, und auch bundesweit gibt es noch weitere Gemeinden mit niedrigeren Hebesätzen. Daher kann beim Sachsenwald tatsächlich nicht von einer klassischen „Steueroase“ gesprochen werden.
Gleichzeitig haben wir es hier offensichtlich mit einem anachronistischen Konstrukt aus dem Jahre 1927 zu tun, das dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger widerspricht. Die dortigen Gewerbesteuereinnahmen sollten eigentlich einer Gemeinde zu Gute kommen – und nicht einer einzelnen vormaligen Adelsfamilie. Das macht ja das Geschmäckle aus: Wenn Steuern erhoben werden, dann müsste eine von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Gemeindevertretung darüber entscheiden, was mit diesen Steuern passiert. Die Daseinsvorsorge vor Ort, die Unterhaltung eines Schwimmbades, KiTa- oder Schulkostenanteile, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Steuern sollen den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zu Gute kommen. In diesem Fall gehen die Gewerbesteuereinnahmen aber an einen Einzelmann, der vor Ort keine komplexere Infrastruktur unterhalten muss, weil dort ja niemand wohnt. Herr von Bismarck hatte zwar zwischenzeitlich angegeben, dass quasi alle Einnahmen in die Pflege des Waldes fließen – dennoch ist diese Ausnahmeregelung mit einem „Gutsvorsteher“ sehr schräg und es erscheint sehr sinnvoll, diesen Anachronismus endgültig abzuschaffen.
In den 1990er Jahren wurde dies ja bereits versucht. Damals wollte jedoch keine Gemeinde den Sachsenwald eingemeinden – schließlich gab es damals noch keine Firmensitzanmeldungen und somit keine Gewerbesteuereinnahmen, sondern lediglich den großen Wald, der hätte unterhalten werden müssen. Heute wäre die Ausgangslage etwas anders; auch wenn man natürlich damit rechnen müsste, dass einige der Firmen bei Eingemeindung des Sachsenwaldes aus eben jenem wieder abziehen könnten. Dennoch: Wir haben die verschiedenen Optionen ja vorgestellt bekommen – von der Neubildung einer Gemeinde über eine einvernehmliche Eingemeindung bis hin zur Eingemeindung per Gesetz und gegebenenfalls ohne Einvernehmen. Und wir haben ja auch dargestellt bekommen, dass der frühestmögliche Zeitpunkt für eine entsprechende Anpassung realistischerweise zum 1. Januar 2026 wäre.
Das Konstrukt Sachsenwald ist zwar per se nicht illegal, aber aus der Zeit gefallen und gehört abgeschafft. Wir erwarten daher von der Landesregierung, dass nun zügig die entsprechenden Schritte unternommen werden, um eine Regelung zu finden, die kommunalverfassungsrechtlich und steuerrechtlich umsetzbar und rechtssicher ist. Dem vorliegenden Antrag können wir daher zustimmen.