Speech · Christian Dirschauer · 27.02.2025 Die Reform trifft vornehmlich mittlere und niedrigere Einkommen
„Der Chaos-Weg ist beschritten und es bleibt nun abzuwarten, ob ein oder mehrere Gerichte noch Korrekturen anmahnen werden. Wir können an dieser Stelle nur nochmals an die Kommunen appellieren, die Spielräume, die sie haben, sinnvoll und zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger zu nutzen und zu gestalten.“
Christian Dirschauer zu TOP 19 - Mündlicher Bericht zu den sozial- und fiskalpolitischen Zielen der Grundsteuerreform (Drs. 20/2938)
Seit diesem Jahr gilt die „neue“ Grundsteuer. Die FDP-Fraktion hat daher nun einen mündlichen Bericht über zentrale Punkte der Grundsteuerreform angefordert, die durchaus auch viele Bürgerinnen und Bürger bewegen. Wir danken der Ministerin für ihren vorgetragenen Bericht.
Vieles ist bereits gesagt worden. Die Grundsteuerreform bleibt ein aufwendiges und umfangreiches Verfahren – und ein kontroverses Thema. Inzwischen liegen die Bescheide nach der neuen Berechnungsart vor, nicht wenige Eigentümer und Mieter müssen deutlich mehr zahlen als zuvor und viele fühlen sich und ihre Immobilie ungerecht bewertet und behandelt. Zudem ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn es sind nach wie vor viele Klagen anhängig – u.a. ja auch vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Reform insgesamt. So weit, so vorhersehbar. Wir haben zahlreiche kontroverse Debatten und Ausschusssitzungen zu diesem Thema geführt und insgesamt muss die Umsetzung der Reform leider mindestens als unglücklich bezeichnet werden. Schauen wir uns die einzelnen Punkte noch mal an:
Die Finanzministerin hatte erst kürzlich nochmals bekräftigt (NDR), dass man sich sehr bewusst für das werteorientierte Bundesmodell entschieden habe. Und natürlich zieht die Ministerin nun eine einigermaßen positive Bilanz. Doch diese Einschätzung entspricht leider nicht der Realität vieler Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Wir sehen stattdessen teilweise massive Ungerechtigkeiten, steigende Belastungen für private Haushalte und einen wachsenden Unmut bei Eigentümern und Mietern.
Die Grundsteuerreform sollte ursprünglich für mehr Gerechtigkeit und Transparenz sorgen. Doch die Realität zeigt ein anderes Bild: Viele Eigentümer, insbesondere in Wohngebieten, sehen sich mit erheblichen Mehrbelastungen konfrontiert.
Dies liegt maßgeblich am gewählten Bundesmodell. Demzufolge zahlen Wohngebiete drauf, während Gewerbegrundstücke profitieren. Die Berechnung auf Basis von Bodenrichtwerten führt dazu, dass in beliebten Wohnlagen die Grundsteuer deutlich steigt, während in Gewerbegebieten mit seltenen Verkäufen die Steuerlast oft sinkt. Flensburg ist dafür ein Beispiel – hier werden nun insbesondere Einfamilienhäuser und Mietshäuser stärker belastet. Die Reform trifft nun also leider vornehmlich Haushalte mit mittlerem und niedrigerem Einkommen. Diese Problematik in der Praxis war ja vorhersehbar und darauf hatte auch mein Vorgänger Lars Harms mehrfach hingewiesen. Das Bundesmodell ist eben nicht das klügste Modell für Schleswig-Holstein.
Ein weiteres Wort, das in Verbindung mit der Grundsteuerreform von Beginn an für hitzige Debatten gesorgt hat, ist das Wort „aufkommensneutral“. Aufkommensneutralität bedeutet ja eben nicht, dass jeder gleich viel zahlt wie zuvor. Es bedeutet nur, dass die Summe der Einnahmen für die Kommunen insgesamt gleichbleiben soll – in der Praxis nun allerdings auf Kosten vieler Haushalte, die künftig höhere Steuern zahlen müssen. Besonders betroffen sind dabei Familien, Rentner und Alleinerziehende, die sich steigende Kosten eh kaum leisten können. Die versprochene – und womöglich ja sogar eingehaltene – Aufkommensneutralität ist für den einzelnen Bürger, der individuell künftig deutlich stärker belastet wird, also wenig tröstlich.
Hinzukommen Unsicherheiten in Hinblick auf die Rechtssicherheit der Reform sowie weitere Kosten, die auf Hauseigentümer und Mieter noch zukommen, weil der energetische Sanierungsstau noch lange nicht abgebaut ist. Und sobald eine Sanierungsmaßnahme abgeschlossen ist, hat dies ja womöglich auch wieder erhebliche Auswirkungen auf den Grundsteuerbescheid.
Höchstwahrscheinlich wäre es also doch sinnvoller gewesen, von Anfang an eine landesspezifische Lösung zu erarbeiten, die auf die besonderen Gegebenheiten von Schleswig-Holstein eingeht. Es gab auf dem Weg der Umsetzung ja durchaus Vorschläge, Interventionen und Ideen, wie man die Umsetzung einfacher, gerechter und transparenter hätte gestalten können. Doch diese Chancen haben Sie als Landesregierung vertan. Der Chaos-Weg ist beschritten und es bleibt nun abzuwarten, ob ein oder mehrere Gerichte noch Korrekturen anmahnen werden. Wir können an dieser Stelle nur nochmals an die Kommunen appellieren, die Spielräume, die sie haben, sinnvoll und zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger zu nutzen und zu gestalten – und solche Instrumente wie das Transparenzregister nicht wertlos zu machen.