Speech · Jette Waldinger-Thiering · 12.12.2019 Die Frage der Ausbildungsfinanzierung drängt

Eine Erzieherausbildung als Privileg für Bessersituierte, können wir uns nicht leisten.

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 26 - Erzieherische und sozialpädagogische Ausbildungen attraktiver gestalten und Ausbildungsvergütung einführen (Drs. 19/1856)

Wenn Sie in den letzten Wochen die Berichterstattung um die Situation der Erzieherinnen und Erzieher im Land verfolgt haben, war ja das Fazit unüberraschend deutlich. Wir haben zu wenig Fachkräfte und einen Mangel an Auszubildenden. 
Nun ist es ja verständlicherweise vielleicht auch diese Art der Berichterstattung, die abschreckend auf junge potentielle Auszubildende wirken mag. 
Ein Beitrag im Fernsehen fing etwa so an: 
„Zwei der drei Lehrjahre sind unvergütet. Reich wird man damit also nicht. Dafür aber später im Job häufiger krank. (…) Denn die Arbeitsbelastung ist enorm.“ 
Ermutigend, wenn auch auf eine schräge Art sind wohl Sätze wie diese aus der SHZ: „Träger nehmen, wen sie kriegen können.“ Denn bei dem Mangel, den wir haben, sind die Jobaussichten relativ sicher. 
Der Arbeitsagentur sind in Schleswig-Holstein momentan schon 589 freie Stellen für Erzieher und 212 für SPA’s gemeldet. Von anderen Stellen hören wir, dass uns weit über 1000 Fachkräfte fehlen. 

Ich kann trotzdem gut verstehen, dass die erwartbare Arbeitsbelastung junge Menschen davon abhält, sich frohen Mutes für diesen Weg zu entscheiden. 
Nun wird sich ja mit der Kita-Reform, die wir gleich noch diskutieren werden, einiges ändern. Aber die Kritik vorab war ja durchaus, dass die Attraktivität für den Beruf nicht unbedingt gesteigert wird. 
Da ist ein wichtiger Punkt natürlich die Ausbildung selbst. Deswegen finde ich es allem vorangestellt auch sehr gut, dass wir diesen Antrag vorliegen haben, der die erzieherische und sozialpädagogische Ausbildung anders aufstellen soll. 

Um das einmal Punkt für Punkt durchzugehen: 
Punkt 1 wäre wirklich eine Systemveränderung für SPA‘s, aber keine, derer wir uns grundsätzlich verschließen würden. 
Über Punkt 2 würden wir gerne im Ausschuss weiter diskutieren. Denn ja, die Weiterbildung zum Erzieher und Erzieherin ist ein logischer Schritt  für SPA’s und einer, den wir auch im Land brauchen und den es ja auch schon gibt. Aber inwieweit dieser verkürzt stattfinden sollte, ob und welche Lerninhalten wegfallen können, das würde ich nur ungern jetzt so entscheiden.  
Zu Punkt 3. Bei den 15 Schulen in Schleswig-Holstein mit Ausbildungen für Kita-Berufe gibt es jetzt schon Klassen, die nicht zustande kommen, weil es zu wenige Bewerberinnen und Bewerber gibt. Das Problem liegt also nicht darin, dass wir zu wenig Ausbildungsplätze hätten. 
Und während wir Punkt 5, 6 und 7 für entweder unkritisch oder unterstützenswert halten, ist Punkt 4 der, bei dem wir anderer Auffassung sind. 
Denn wir finden eigentlich nicht, dass das Abitur derart sozial befähigt, dass ein dreimonatiges Praktikum ein Jahr berufliche Erfahrung ersetzen kann. Im Vergleich dazu wird von Menschen mit mittlerem Schulabschluss eine mindestens zweijährige Ausbildung im sozialen Bereich als Eingangsvoraussetzung gefordert. 
Jede, die mal ein Praktikum in 3 Monaten absolviert hat, weiß doch, wie es ist. Diese Praktika vermitteln einen mal sehr guten, mal weniger guten Einblick in ein Berufsfeld. Aber sie sind zu kurz, um wirkliche Erfahrung zu sammeln. Gerade im sozialen Bereich. In drei Monaten lässt sich kein Entwicklungsprozess beim Kind miterleben. 

Insgesamt bleibt die Frage der Ausbildungsfinanzierung vielleicht die drängendste. Das Schülerbafög ist am Einkommen der Eltern orientiert und – machen wir uns nichts vor – reicht allein nicht aus. Die Auszubildenden bleiben darauf angewiesen, nebenher arbeiten zu gehen. Sehr schwierig ist die Situation aber in den Praktikumszeiträumen, in denen Auszubildende zwar vollzeit arbeiten und ein Nebenjob damit nicht durchführbar ist, sie aber nicht per se dafür bezahlt werden. Hier müssen dann oft die Eltern einspringen. Und dass eine Erzieherausbildung ein Privileg für Bessersituierte ist, können wir uns nicht leisten.

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