Speech · Christian Dirschauer · 27.04.2022 Die Beschäftigten im Tourismus müssen von ihrer Arbeit leben können

„Wir sehen, dass der Fachkräftemangel die Tourismusbetriebe immer öfter ausbremst. Hier braucht es aus Sicht des SSW zweierlei: Arbeitgeber, die sich ihrer Verantwortung stellen, attraktive, fair entlohnte Arbeitsplätze zu schaffen, aber auch Kommunen, die die Mitarbeitenden dabei unterstützen, Wohnraum zu finden. Wie sollen die Betriebe auf den Nordseeinseln ausreichend Fachkräfte finden, wenn diese dort nicht mehr leben können?“ 

Christian Dirschauer zu TOP 42 - Tourismusstrategie 2030 (Drs. 19/3795)

Die Küstenkoalition hat im Jahr 2014 eine Tourismusstrategie vorgelegt, die das Ziel hatte, den Tourismus im Land systematischer zu entwickeln. Die gesetzten Top-Ziele der Strategie wurden bereits im Jahr 2019 erreicht. Der Stellenwert des Tourismus, der bei uns im Land schon hoch ist, hat in dieser Zeit also noch einmal zugenommen. 
Mehr Urlauber bedeuten mehr Umsatz, mehr Arbeitsplätze, mehr Wertschöpfung in den Regionen. Der nun vorgelegte Entwurf einer Fortschreibung der Strategie bis ins Jahr 2030 greift auf, was noch zu tun ist, was verbessert werden kann, was gelernt wurde.
Der Nachhaltigkeitsgedanke fand sich zwar auch bisher schon in der Tourismusstrategie, es ist aber unseres Erachtens richtig, hier künftig einen Schwerpunkt zu setzen. Denn wir müssen vor allem in den hochfrequentierten Küstenorten erkennen, dass Quantität nicht alles ist. Viele Urlauber sind nicht an allen Orten und zu jeder Zeit per se gut. 
In anderen Gegenden der Welt gibt es ausreichend abschreckende Beispiele für das, was man auf Neudeutsch „Overtourism“ nennt, also eine Entwicklung, bei der einzelne Orte oder Sehenswürdigkeiten so überrannt werden, das am Ende der Tourismus das zerstört, was die Menschen erst angezogen hat. Davon sind wir noch ein Stück entfernt. Aber wir tun gut daran, den Blick schon heute darauf zu richten, wie viel Tourismus unsere Urlaubsorte vertragen können und wie wir diesen so gestalten, dass auch die Einwohner im Tourismus einen Mehrwert sehen können. Denn auch das ist wichtig: das was für die einen ein schönes Reiseziel ist, ist für die anderen ein Zuhause. 
Die Nordseeinseln sind hier ein mahnendes Beispiel: immer mehr gut situierte Urlauber finden die Orte so schön, dass sie dort eigene Ferienimmobilien erwerben. Die Einheimischen werden durch steigende Preise verdrängt, die Touristen kommen nur drei Wochen im Jahr. Was bleibt, sind leere Kulissen. Ich frage Sie, ist das das Schleswig-Holstein, in dem wir leben wollen? 
Aber wir wissen auch, dass das Bild ein gemischtes ist: während die Küstenorte in der Hochsaison vor lauter Urlaubern aus allen Nähten platzen, besteht im Binnenland noch ein großes Potential, das es zu heben gilt. Hier begrüßen wir, dass die Tourismusstrategie die Setzung von Schwerpunkten vorsieht. Es ist nicht zielführend, das ganze Binnenland mit der Gießkanne zu fördern, um touristische Infrastrukturen zu erschießen. Hier müssen wir auch ehrlich sein: nicht alle Winkel unseres Landes sind als Urlaubsziel gleichermaßen attraktiv. 
Und dennoch gibt es viele schöne Ecken im Binnenland, die noch niemand entdeckt hat. Hierfür brauchen wir künftig ein noch stärker auf die Profilierung des Binnenlandes ausgerichtetes Tourismusmarketing. Und öffentliche Investitionen in die Infrastruktur. Wo die öffentliche Hand investiert, tun das auch die Privaten. Das wissen wir von den Küstenorten. Wir werden entsprechende Förderprogramme auch in Zukunft wohlwollend unterstützen. 
Der Tourismus ist auch ein Jobmotor bei uns im Land. In 2019, vor der Corona-Pandemie, waren ca. 160.000 Menschen in dieser Branche beschäftigt. Wir sehen aber auch, dass der Tourismus viele Arbeitsplätze schafft, von denen Menschen nicht oder nur sehr schwer ganzjährig ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Und wir sehen, dass der Fachkräftemangel die Tourismusbetriebe immer öfter ausbremst. Hier braucht es aus Sicht des SSW zweierlei: Arbeitgeber, die sich ihrer Verantwortung stellen, attraktive, fair entlohnte Arbeitsplätze zu schaffen, aber auch Kommunen, die die Mitarbeitenden dabei unterstützen, Wohnraum zu finden. Wie sollen die Betriebe auf den Nordseeinseln ausreichend Fachkräfte finden, wenn diese dort nicht mehr leben können?  
Da der Fachkräftemangel die Betriebe nach Corona, wo viele die Branche verlassen haben, noch stärker trifft, ist es wichtig, hier bald zu konkreten Maßnahmen zu kommen. 
Jetzt, wo der Tourismus wieder im Normalbetrieb anläuft, können wir es nicht zulassen, dass der Fachkräftemangel die positive Entwicklung der Branche hemmt. 
Insgesamt ist die Zielrichtung der Tourismusstrategie aus unserer Sicht die richtige. Mehr Qualität, mehr Nachhaltigkeit. Nur das hat Zukunft. Das unterstützen wir als SSW gern.

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