Speech · Lars Harms · 20.09.2023 Die Ansiedlung von Northvolt verfassungskonform unterstützen

„Wir stimmen dem Nachtragshaushaltsgesetz zu (Drucksachen 20/1270 und 20/1324). Wir lehnen jedoch die Umwandlung und Überführung von Ukraine-Notkreditmitteln in das entsprechende Sondervermögen für das Northvolt-Ansiedlungsvorhaben ab (Drucksache 20/1395) und wir beantragen Einzelabstimmung nach Punkten bei der Drucksache 20/1380.“„Eine Unternehmensansiedlung ist keine „außergewöhnliche Notlage“! ...die notwendigen Finanzmittel müssen anderweitig bereitgestellt werden.“

Lars Harms zu TOP 3+9+38 - Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Feststellung eines Haushaltsplanes für das Haushaltsjahr 2023; Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Einrichtung eines Sondervermögens Energie- und Wärmewende, Klimaschutz und Bürgerenergie; „Schleswig-Holstein bleibt in der Krise handlungsfähig“ (Drs. 20/1270; 20/1324; 20/1395; 20/1380)

Unter diesem Tagesordnungspunkt sind ja nun so einige Beschlussvorschläge zusammengefasst, die wir uns noch einmal im Detail anschauen müssen. Denn bis zu den finalen Formulierungen war es ja ein recht holpriger Weg mit intensiven Diskussionen im Finanzausschuss. Ich werde im Folgenden erläutern, weshalb der SSW nicht allen Drucksachen in Gänze zustimmen kann, sondern innerhalb der Drucksachen sogar Einzelabstimmungen beantragen wird. Wir haben es hier nämlich mit teilweise verfassungswidrigen Vorgehensweisen zu tun, die wir so nicht mittragen wollen. 

Steigen wir also detaillierter in das Nachtragshaushaltsgesetz ein: Hier sollen drei Kernmaßnahmen haushaltsrechtlich angepasst und umgesetzt werden. 
Die größte Herausforderung ist hierbei die geplante Ansiedlung von Northvolt – und wie die Landesregierung gedenkt, hierzu finanzielle Unterstützung zu bieten. Keine Frage: Wir als SSW-Fraktion begrüßen dieses Ansiedlungsvorhaben ausdrücklich und sehen darin eine großartige Chance für Schleswig-Holstein. Wir alle wünschen uns, dass dieses Projekt losgehen kann und zu einer Erfolgsgeschichte wird. Und natürlich ist es bei solch großen Ansiedlungsprojekten üblich, dass auch das Land Unterstützung leistet – nicht nur in Form von Verwaltungshilfe und Infrastrukturausbau, sondern eben auch in Form von finanziellen Zuschüssen. Damit kommen wir nun zum großen Knackpunkt: 
Im Nachtragshaushaltsgesetz sind unter der Nummer 1 lediglich Anpassungen in der entsprechend für die Northvolt-Ansiedlung vorgesehenen Maßnahmegruppe innerhalb des Landeshaushaltes und des Haushaltsvollzuges vorgesehen. Eine recht offen gehaltene Formulierung, es geht um eine formal korrekte Haushaltsumsetzung, „soweit die Finanzierung der Maßnahme gedeckt ist“. So weit in Ordnung – diesem Text können wir zustimmen. 
Womit wir jedoch nicht einverstanden sind, ist, wie die Landesregierung diese Finanzierung stemmen möchte. Die Landesregierung möchte Gelder aus dem Ukraine-Notkredit umwidmen – bis zu 137 Mio. Euro (plus 1 Mio. für eine noch zu gründende Entwicklungsgesellschaft). Eine solche Umwidmung wäre jedoch weder mit unserer Landesverfassung noch mit den Bestimmungen des Notkredites vereinbar. Die in unserer Verfassung verankerte Schuldenbremse sieht zu Recht Ausnahmen vor, um in außergewöhnlichen Notlagen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen, handlungsfähig bleiben zu können. Von dieser Regelung haben wir zu Recht Gebrauch gemacht, als es um die Einrichtung der beiden Notkredite ging. Der eine sollte die Auswirkungen der Corona-Pandemie abmildern, der andere die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Der SSW hat beide Notkredite unter gemeinsam beschlossenen, engen Rahmenbedingungen mitgetragen und dazu stehen wir auch nach wie vor. Wir haben großflächig drohende soziale Härten abfedern können. Wir haben unser Land gemeinsam durch diese außergewöhnlichen letzten Jahre gesteuert. 
Aber an dieser Stelle und zu diesen vorgelegten Plänen der Landesregierung sagen wir nun ganz klar: Eine Unternehmensansiedlung ist keine „außergewöhnliche Notlage“! Die Überlegung von Northvolt, sich in Schleswig-Holstein eventuell ansiedeln zu wollen, gab es ja schon länger. Diese Argumentationslogik, die Ansiedlung dieser Batteriefabrik in Heide könne nun in einem direkten Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine gesehen werden und somit unter die Bestimmungen eines entsprechenden Notkredites fallen – die muss man sich erst mal einfallen lassen! Nein, die notwendigen Finanzmittel müssen anderweitig bereitgestellt werden. Dieser Auffassung ist ja im Übrigen beispielsweise auch unser Landesrechnungshof. Schließlich wäre diese Mittelumwandlung ja nicht nur ein verfassungswidriges, sondern mittelfristig auch ein ziemlich teures Vorgehen: Die Umwandlung in ein „Sondervermögen“ – was ja nichts anderes bedeutet als sofortige Schulden – bewirkt, dass dieses Geld unmittelbar als Kredit aufgenommen werden muss, wodurch ab sofort Zinsen auf diese Summe anfallen. Wir alle haben die Zinsentwicklung der letzten Monate mitverfolgt: In wenigen Jahren wird dieser 137-Mio.-Euro-Kredit richtig teuer – und noch ist von der Batteriefabrik kein Stein zu sehen. Das Vorgehen der Landesregierung ist an dieser Stelle also sowohl verfassungswidrig als auch unnötig.
Und es kommt noch die Beschreibung „intransparent“ hinzu, denn: Die Landesregierung möchte diese umgewidmete Notkredit-Summe gern im bereits existierenden Sondervermögen „Energie- und Wärmewende, Klimaschutz und Bürgerenergie“ unterbringen und dieses darüber abgerechnet wissen (Drucksache 20/1395). Darüber klingt es dann zwar gleich vermeintlich sympathischer, korrekter und verfassungsgetreu wird es dadurch aber nicht. Und die Notwendigkeit, warum dieses Sondervermögen im Rahmen dieses Gesamtvorgangs dafür herhalten muss, hat die Landesregierung bislang auch nicht wirklich schlüssig erläutern können. 
Zum Schluss noch die grundsätzliche Frage: Wo ist hier überhaupt der Bund? Der scheint sich ja mit ganz kleinen Ko-Finanzierungszusagen einen ganz schlanken Fuß machen zu wollen. Anderweitig in der Bundesrepublik werden Milliardensummen für Großforschungszentren und Chipfabriken zugesagt, hier in Schleswig-Holstein ist die Landesregierung offenbar bereit, einen Verfassungsbruch zu begehen, weil der Bund sich hier nicht so engagiert, wie an anderen Standorten.
In Summe sind also zwar auch wir absolut bereit, die geplante Ansiedlung von Northvolt mit Landesmitteln zu unterstützen, aber nicht auf die von der Landesregierung vorgelegte Weise. Es bräuchte rechtmäßige Haushaltsmittel – und vor allem ist der Bund hier in der Pflicht, noch deutlich mehr beizusteuern, denn 137 Millionen sind aus dem laufenden Landeshaushalt nicht zu finanzieren! Der Umwidmungsplan aus Ukraine-Notkreditmitteln wäre jedenfalls verfassungswidrig und deshalb lehnt der SSW diese Pläne ab!

Aus diesem Grund müssen wir uns auch die Drucksache 20/1380 noch einmal genauer anschauen. Mit dieser soll ja unser damaliger Beschluss zur Einrichtung des Ukraine-Notkredites entscheidend geändert werden. Wir können vieles aus diesem Antrag – sprich die Punkte 1,3 und 4 – mittragen, den Punkt 2 hingegen nicht.
Zu Punkt 1: Dass in puncto Flüchtlingsaufnahme, -unterbringung und -integration die Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, die es braucht, ist aus unserer Sicht selbsterklärend. Die Erweiterung der Formulierung über Ukrainerinnen und Ukrainer hinaus ist sinnvoll, denn natürlich entstehen hierdurch Folgewirkungen auch für andere Flüchtlingsgruppen – in der konkreten Hilfeleistung dürfen hier dann aber keine Unterschiede gemacht werden. 
Auch die Punkte 3 und 4 begründen sinnvolle Maßnahmen. Dass es sinnvoll wäre, Mittel bis zur Vollendung eines Schuljahres nutzen zu können, ergibt sich wohl von selbst. Und eine Stärkung unserer Cybersicherheitsinfrastruktur ist auch immer eine sinnvolle Investition, zumal nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Gefahr gestiegen ist.
Unter Punkt 2 wird nun die geplante Notkredit-Umwandlung für die Northvolt-Ansiedlung gefasst. Da wir diesem Punkt nicht zustimmen wollen, möchte ich für diese Drucksache gern eine Einzelabstimmung zu den Punkten 1,3, und 4 sowie zum Punkt 2 beantragen. Es wäre ja sehr schade, wenn wir den gesamten Antrag nur wegen des 2. Punktes ablehnen müssten; über eine Einzelabstimmung könnten zumindest die anderen Punkte eine breite Zustimmung erfahren. 

Somit schließe ich den Kreis und komme nun noch einmal wieder zurück zum Nachtragshaushaltsgesetz als Ganzem. Diesem können wir aufgrund der offen gehaltenen Finanzierungsformulierung, wie ich eingangs erläutert hatte, zustimmen.
Noch ein paar kurze Anmerkungen zu den dort ausgeführten Nummern 2 und 3: Diese sind aus unserer Sicht von der Landesregierung zumindest mit nachvollziehbaren Argumenten vorgestellt worden.
So soll unter Nummer 2 das Haushaltsgesetz entsprechend geändert werden, um Flexibilität und Vorsorge angesichts des anstehenden Tarifabschlusses zu ermöglichen. Dazu gab es im Finanzausschuss ja unterschiedliche Auffassungen, inwieweit dies rechtens ist, u.a. angesichts des Prinzips der Jährlichkeit. Für uns sind diese Bedenken jedoch kein ausreichender Grund, das Gesamtgesetz abzulehnen.
Und schließlich soll unter der Nummer 3 der beim „Wärmegipfel“ versprochene Bürgschaftsrahmen in Höhe von bis zu 2 Mrd. Euro für die Unterstützung von Investitionen in kommunale Wärmenetze zur Verfügung gestellt werden. Uns allen ist klar, dass der Umbau zu einer flächendeckend klimaneutralen Wärmeversorgung ein langer und kostenintensiver, aber langfristig auch lohnender Weg ist. Diese Bürgschaftseinrichtung ist daher insgesamt ein erster wichtiger Schritt – auch wenn einige diesen als zu spät und als finanziell nicht auskömmlich kritisieren mögen. Wir können diesem Bürgschaftsrahmen zustimmen.

Ich fasse also noch einmal zusammen: Wir stimmen dem Nachtragshaushaltsgesetz zu (Drucksachen 20/1270 und 20/1324). Wir lehnen jedoch die vorgeschlagene Umwandlung und Überführung von Ukraine-Notkreditmitteln in das entsprechende Sondervermögen für das Northvolt-Ansiedlungsvorhaben ab (Drucksache 20/1395) und wir beantragen Einzelabstimmung nach Punkten bei der Drucksache 20/1380.

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