Speech · Christian Dirschauer · 21.02.2024 Der Kitabesuch muss bezahlbar bleiben!
„Das Land muss am Dreiklang der Reform festhalten. Nicht nur Eltern und Kommunen zählen auf die versprochene Entlastung. Es muss auch am Ziel der verbesserten Qualität in den Kitas festgehalten werden.“
Christian Dirschauer zu TOP 18+21 - Ergebnisse der Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes (KiTaG) sowie Umsetzung durch die Landesregierung und Bericht der Landesregierung zum Abschlussbericht zur Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes (KitaG) (Drs. 20/1865 und 20/1868)
Wenn wir uns anschauen, wie die frühkindliche Bildung im Land bewertet wird, können wir eins ganz nüchtern feststellen: Mitunter liegen Welten zwischen den Einschätzungen der Betroffenen. Die Skala reicht von einem „gut funktionierenden System“ bis hin zum „Totalkollaps“. Hier im politischen Raum wird die Kita-Reform wahlweise für so gut wie gescheitert erklärt, oder es bedarf fast nur noch eines Feinschliffs, bis alles in Butter ist. Auch die aktuelle Evaluation des Kitagesetzes hat dies wieder eindrucksvoll bestätigt. Während die zuständige Ministerin hier von „teilweise übertrieben hohen Erwartungen“ spricht und trotz offensichtlicher Probleme vieles auf dem richtigen Weg sieht, verweisen Träger, Eltern und Kitabeschäftigte auf eine strukturelle Überforderung und unhaltbare Zustände in vielen Einrichtungen.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Wahrheit, wie so oft, irgendwo dazwischen liegt. Wer sich aber in seinem Umfeld umhört und ehrlich ist, wird zugeben müssen, dass es viel Unzufriedenheit und ein eher negatives Stimmungsbild gibt. Als Oppositionspolitiker ist es da natürlich einfach, in Schwarzmalerei zu verfallen und die Regierenden für sämtliche Probleme in diesem Bereich verantwortlich zu machen. Aber ich wiederhole mich gerne, wenn ich sage, dass der SSW immer ein Interesse am Gelingen dieser Reform hatte. Daran hat sich natürlich bis heute nichts geändert. Wir brauchen ein verlässliches und vor allem qualitativ hochwertiges Kitasystem. Und das dringender denn je. Denn eine gute Kita bedeutet nicht zuletzt bessere Bildungschancen für unsere Kleinsten. Und diese Chancen können auch unter den Vorzeichen der demografischen Entwicklung gar nicht hoch genug bewertet werden.
Ich habe schon in früheren Reden erwähnt, dass ich auch als Vater eines Kita-Kindes auf dieses Thema blicke. Und deshalb kann oder muss ich auch aus meiner ganz persönlichen Erfahrung sagen, dass das Kitasystem leider alles andere als reibungslos funktioniert: Allein letzte Woche wurde uns an zwei Tagen sehr kurzfristig mitgeteilt, dass das Betreuungsangebot eingeschränkt werden muss. Statt der vereinbarten Zeit musste unser Kind also früher abgeholt werden. Und warum? Weil nicht ausreichend genug Personal da ist, um die rechtlichen Normierungen einzuhalten. Und das ist kein Einzel- oder Ausnahmefall, sondern passiert leider immer wieder und auch häufiger. Ich denke, so gut wie alle Kitaeltern können hiervon ein Lied singen. Und ich befürchte, dass viele mit diesen oft sehr kurzfristig angekündigten Ausfällen in der Betreuung überfordert sind. Denn die wenigsten Eltern haben einen Job, in dem sie flexibel und noch dazu spontan ihre Arbeitszeiten ändern oder sogar aussetzen können, um in einer solchen Situation für ihr Kind da zu sein.
Wenn wir also heute, im Jahr 2024, über Kita und Kindertagespflege in Schleswig-Holstein reden, dann reden wir vor allem über eins: Über den Wunsch nach Verlässlichkeit. Wir reden darüber, dass Einrichtungen in der Lage sein müssen, ihre Angebote im vollen Umfang aufrechtzuerhalten. Oder anders gesagt: Über einen Alltag in Krippe, Kita und Kindertagespflege, der ohne Einschränkungen bei Gruppen bzw. Betreuungsplätzen und ohne Abstriche bei den Öffnungszeiten auskommt. Mir ist völlig klar, dass das im Grunde nicht viel mehr ist als die absolute Basisversorgung in diesem Bereich. Aber ohne dieses Fundament können wir uns die Diskussion über Fragen der Bildungsqualität oder des Bildungsauftrags strenggenommen schenken. Das ist traurig, wenn man sich vor Augen hält, welche großen und wichtigen Ziele mit der Kitareform verbunden sind. Aber es ist nun mal derzeit an vielen Orten die Realität.
Ähnlich bedrückend ist aus meiner Sicht die Tatsache, dass sich der Fokus in Sachen Kita immer stärker auf die finanziellen Aspekte der Reform verengt. Natürlich war es ein richtiges Anliegen, die Finanzierungsströme zu ordnen und transparenter zu gestalten. Gleichzeitig haben wir vom SSW es immer begrüßt, dass sich das Land mit der Deckelung der Elternbeiträge auf den Weg in Richtung einer zumindest kostengünstigeren Kita macht. Denn der möglichst günstige oder gar beitragsfreie Zugang zu diesem System ist vor allem aus Gründen der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit wichtig. Doch Fragen nach verbindlichen Qualitätsstandards oder einer möglichst flächendeckenden inklusiven Betreuung rücken immer weiter in den Hintergrund. Das ist angesichts der aktuellen Finanzierungslücke von 80 bis 130 Millionen Euro zwar nachvollziehbar. Es wird aber der Ursprungsidee der Reform und vor allem den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht. Ich denke, das sollten wir uns dringend stärker bewusst machen.
Aus Sicht des SSW war, ist und bleibt aber ein Punkt ganz besonders wichtig: Der Besuch der Kita darf sich für die Eltern von Kitakindern nicht verteuern. Hier stehen wir als Landespolitik im Grunde alle im Wort. Dass dieser Grundsatz zwar noch nicht verletzt aber zumindest rhetorisch aufgeweicht wird, erfüllt mich wirklich mit Sorge. Denn die Elternentlastung war ein explizites Ziel der Reform. Sie muss aus meiner Sicht fortgeführt und der Beitragsdeckel weiter abgesenkt werden. Alles andere ist doch auch gar nicht vermittelbar und würde die Akzeptanz für diese Reform massiv schwächen. Hier ist die Landesregierung ganz klar aufgefordert, Mittel und Wege zu finden, damit der Kitabesuch bezahlbar bleibt. Das halte ich für mindestens genauso wichtig, wie die bereits erwähnte, dringend nötige Verlässlichkeit in der Betreuung.
Ich will der Auswertung und Stellungnahme des Fachgremiums nicht vorgreifen. Aber unabhängig davon, wie man die Ergebnisse der Evaluation bewertet, kann und wird es doch am Grundsatz des Gesetzes keinen Zweifel geben können: Wir müssen als Land am Dreiklang der Reform festhalten. Nicht nur Eltern und Kommunen zählen auf die versprochene Entlastung. Es muss auch am Ziel der verbesserten Qualität in den Kitas festgehalten werden. Da können Landesregierung und regierungstragende Fraktionen noch so oft auf die schwierige Haushaltslage verweisen. Es gilt, Wort zu halten und die hierfür notwendigen Prioritäten zu setzen. Wer hier trotzdem mit einem zu engen Finanzrahmen argumentiert, sollte sich eine aktuelle Initiative des SSW genauer anschauen. Denn mit unserem praktikablen und verantwortungsvollen Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse stünden rund 180 Millionen Euro jährlich zusätzlich zur Verfügung. Und wenn es nach uns geht, dann dürfen diese Mittel liebend gerne ins Kitasystem investiert werden.