Press release · Lars Harms · 25.11.2024 Dem Norden drohen zweieinhalb Jahre Stillstand
Zur Halbzeitbilanz der schwarz-grünen Landesregierung erklärt der Vorsitzende der SSW-Landtagsfraktion, Lars Harms:
Die schwarz-grüne Landesregierung hat wichtige Chancen verpasst, die Menschen im Land in Zeiten der Inflation und Krisen zu entlasten.
Leider neigt die Koalition zu Prüfaufträgen statt konkreter Maßnahmen. Dadurch wurden viele Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag auf die lange Bank geschoben. Angesichts der finanziellen Lage dürfte es jetzt sehr schwer werden, diese noch umzusetzen. Das dürfte auch den inneren Frieden der Koalition belasten, die ideologische Risse meist mit Geld zuspachteln konnte. Denn diese Zeiten sind endgültig vorbei.
Dem Norden drohen jetzt zweieinhalb Jahre Stillstand. Und das wäre bedauerlicherweise noch das bessere Szenario. Denn tatsächlich stehen die Zeichen eher auf Rückschritt: Im öffentlichen Nahverkehr etwa, wo Strecken gestrichen werden, statt die Mobilitätswende voranzubringen. Oder in der Klimapolitik, wo die Koalition eher auf neue fossile Infrastrukturen wie CCS und LNG setzt, statt auf wirklich transformative Maßnahmen, die Emissionen nachhaltig vermeiden. Und auch bei der Kita-Reform sehen wir mit Sorge, dass nicht Elternbeiträge sinken, sondern die Qualität.
Was die Menschen künftig unter Schwarz-Grün erwartet, zeigt schließlich auch die kürzlich vorgelegte Liste geplanter Konsolidierungsmaßnahmen: Gespart werden soll zum Beispiel bei freien Schulen, im Sozialbereich und beim Verbraucherschutz. Na, dann gute Nacht!
Die Kabinettsmitglieder in der Einzelkritik:
Daniel Günther (Ministerpräsident):
Daniel Günther ist darauf bestrebt, seine Koalition lautlos zu führen. Aus öffentlichen Debatten hält er sich weitgehend raus, lässt seine Ministerinnen und Minister machen – und im Zweifel auch die Konsequenzen ausbaden. Hinter den Kulissen graue Eminenz, in der Öffentlichkeit volksnah und jovial. Für Günthers Popularität hat sich dieser Kurs bewährt – um den Preis, dass sein Kabinett zuweilen kopf- und planlos wirkt.
Sabine Sütterlin-Waack (Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport):
Gehört zweifellos zu den tüchtigsten Akteuren des Kabinetts: Unaufgeregt, zuverlässig, umsetzungsstark. Gleichwohl: Vom einstigen Enthusiasmus für die Stärkung des Sports, darunter auch des E-Sports, ist in der Koalition nichts mehr zu spüren.
Aminata Touré (Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung):
Ministerin Touré ist bemüht, die humanitäre Ausrichtung der Flüchtlingspolitik zu bewahren in einer Zeit, die von Forderungen nach pauschalen Abschiebungen und Grenzschließungen geprägt ist.
Ansonsten fällt ihre bisherige Bilanz eher bescheiden aus: Die Stärken der Ministerin liegen eher in den sozialen Medien als in der Sozialpolitik. Ihr glamouröser Vogue-Auftritt inmitten der Inflation und ihr Umgang mit dem Fall Samadzade zeugten zudem von wenig Fingerspitzengefühl. Da ist noch viel Luft nach oben.
Silke Schneider (Finanzministerium):
Dr. Silke Schneider hat einen Haushalt übernommen, der zuletzt von Notkrediten, Inflation und der wohl kürzesten Haushaltssperre Deutschlands geprägt war. Mein erster Eindruck: Ministerin Schneider hört zu - auch den Vorschlägen der Opposition. Sie ist bemüht, die Finanzen des Landes zusammen zu halten, erkennt aber auch die Notwendigkeit von Investitionen trotz knapper Kassen. Ob sie sich damit auch in der eigenen Koalition durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.
Kerstin von der Decken (Justiz, Gesundheit):
Agierte weitgehend unsichtbar, bis sie kürzlich mit einer über alle Betroffenen hinweg geplanten Gerichtsreform die Gemüter gegen sich aufbrachte. Beugte sich schließlich dem öffentlichen Druck, so dass die Gerichte nun doch weitgehend in der Fläche erhalten bleiben. Den Stress hätte sie sich und den Beteiligten ersparen können.
Ein weiterer Wermutstropfen bleibt die Abschiebungshaftanstalt in Glückstadt. Sie ist nicht nur ein inhumanes, sondern auch sehr teures Konzept für das Land. Unwürdiger lässt sich Geld kaum verbrennen.
Karin Prien (Bildung, Wissenschaft, Kultur):
Karin Prien geht ihre Sache energisch an, kann aber selten echte Fortschritte verbuchen. In Bildungsstudien kommt Schleswig-Holstein nicht aus dem unteren Mittelmaß heraus. Das Problem der Lehrkräfteversorgung bleibt ungelöst, die Digitalisierung tritt auf der Stelle und Heimkinder aus anderen Bundesländern sind bei uns immer noch nicht von der Schulpflicht umfasst.
Im Wissenschaftsbereich fehlt es an konkreten Impulsen und echten Fortschritten, insbesondere im Vergleich zu anderen Bundesländern. Und auch im Kulturbereich ist Prien zwar präsent, doch es mangelt an ambitionierten Maßnahmen, die unsere vielfältige Kulturszene unterstützen nach harten Jahren der Pandemie und Inflation.
Tobias Goldschmidt (Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur)
Gehört zu den glücklosen Ministern des schwarz-grünen Kabinetts. Minister Goldschmidt schluckt nicht nur jede noch so giftige Kröte, die ihm Robert Habeck aus Berlin vorsetzt (CCS, LNG), sondern scheitert auch gerne mal am eigenen Koalitionspartner, etwa beim Nationalpark Ostsee. Nach der historischen Sturmflut hat er ein eher schwaches Bild abgegeben: Mehr Küstenschutz an der Ostsee? Fehlanzeige.
Zudem hat Minister Goldschmidt offenbar nicht verstanden, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn sie sozial gestaltet ist. Das Heizungsgesetz noch früher umsetzen zu wollen als der Bund, ohne eine entsprechende Förderkulisse auf den Weg zu bringen: Das ist das Gegenteil einer sozialen Energiewende.
Claus Ruhe Madsen (Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus):
Ist ambitioniert, motiviert und präsent, bleibt im Ergebnis aber teilweise erfolglos.
Beim Bahnverkehr droht Schleswig-Holstein künftig schlechter dazustehen als zu Beginn seiner Amtszeit. Über das Hick-Hack bei der Missunde-Fähre lacht ganz Deutschland. Die Tourismuszahlen im Norden sind erstmals wieder rückläufig, und betroffene Tourismus-Regionen fühlten sich nach der Sturmflut im Stich gelassen.
Werner Schwarz (Landwirtschaft und Verbraucherschutz):
Durch die Trennung von Landwirtschafts- und Umweltministerium sind wichtige Synergien verloren gegangen. Entsprechend sind kaum nennenswerte Fortschritte im Sinne einer nachhaltigen Agrarpolitik zu verbuchen. Hinzu kommt, dass Minister Schwarz kaum wahrnehmbar ist in wichtigen politischen Debatten. Der Ausbau des ökologischen Landbaus blieb hinter den Erwartungen zurück, Mittel für Tierheime wurden wieder gestrichen.
Auch der Verbraucherschutz hat von Schwarz nicht profitiert. Die Landesmittel für die so dringend benötigte Quartiersarbeit sollen nach nur einem Jahr schon wieder gestrichen werden.
Dirk Schrödter (Chef der Staatskanzlei, Digitalisierung, Northvolt-Ansiedlung):
Dirk Schrödter ist ohne Zweifel ein tüchtiger Allrounder, bleibt zur Halbzeit jedoch ohne klar erkennbare Erfolge.
So hinken die Erfolgsmeldungen bei der Digitalisierung den Ambitionen deutlich hinterher. Trotz zahlreicher Initiativen werden Digitalisierungsprojekte nur schleppend umgesetzt und bieten kaum echte Verbesserungen im Alltag der Bürger und Unternehmen. Entsprechend bleiben die Nutzerzahlen hinter den Erwartungen zurück.
Dirk Schrödter spielt zudem eine Schlüsselrolle bei der Ansiedlung von Northvolt in Schleswig-Holstein, hat maßgeblich an der Steuerungsgruppe zur Unterstützung des Projekts mitgewirkt. Der Druck auf den Staatskanzleichef dürfte enorm sein, denn von seinem Erfolg in dieser Sache hängt eine Menge ab für unser Land.