Rede · Jette Waldinger-Thiering · 22.11.2024 Wir brauchen starke europäische Regionen
„Die geplante Zentralisierung würde bedeuten, dass Entscheidungen über die Verteilung von Fördermitteln von der regionalen auf die nationale Ebene verlagert werden. Die Zahl der regionalen Programme soll von 530 auf nur noch 27 nationale Fonds reduziert werden. Es muss so deutlich gesagt werden: Das ist eine ernsthafte Bedrohung für ein Europa der Regionen, für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und für die Handlungsfreiheit unserer Regionen!“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 22 - Für starke europäische Regionen – Keine Zentralisierung von Agrar- und Regionalfonds (Drs. 20/2650)
Es ist 6 Monate her, da haben wir hier einstimmig den SSW-Antrag mit dem Titel „Ein Europa für alle“ angenommen. In diesem Antrag forderten wir auch eine stärkere Einbeziehung der Regionen durch die Stärkung des Ausschusses der Regionen. Dieser Wunsch, die Regionen Europas zu stärken, wird anscheinend von der Europäischen Kommission nicht geteilt. Denn sie plant offenbar im mehrjährigen Finanzrahmen von 2028 bis 2034 die Gemeinsame Agrarpolitik und die Regional- und Sozialfonds zusammenzulegen. Es ist keine Frage, dass diese Zentralisierung der Mittelverwaltung weitreichende Folgen für uns hier in Schleswig-Holstein hätte.
Derzeit profitieren unsere Regionen und Kommunen direkt von den Mitteln der Kohäsionspolitik. Sie werden im Dialog mit der EU-Kommission auf regionale Bedürfnisse abgestimmt. Gerade in einem föderalen Staat wie Deutschland ist dies von großer Bedeutung und gerade auch für uns hier in Schleswig-Holsteinischen Landtag ein wichtiges Werkzeug. Das aktuelle Modell ermöglicht eine enge Zusammenarbeit zwischen regionalen und lokalen Entscheidungsträgerinnen und der EU.
Die geplante Zentralisierung würde bedeuten, dass Entscheidungen über die Verteilung von Fördermitteln von der regionalen auf die nationale Ebene verlagert werden. Die Zahl der regionalen Programme soll von 530 auf nur noch 27 nationale Fonds reduziert werden. Es muss so deutlich gesagt werden: Das ist eine ernsthafte Bedrohung für ein Europa der Regionen, für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und für die Handlungsfreiheit unserer Regionen!
Wir wissen doch alle: Es ist nicht Berlin, das am besten weiß, was in unseren Regionen vor sich geht. Es sind die Menschen vor Ort, die am besten einschätzen können, welche Unterstützung und welche Projekte benötigt werden. Wir haben erst kürzlich gesehen, dass die Bundesregierung kaum eine Vorstellung davon hat, welche Probleme und Fragen eine Grenzkontrolle zu Dänemark aufwirft. Wie soll man auf Bundesebene garantieren können, dass alle Regionen einen fairen Anteil von dem nationalen Fonds abbekommen und nicht alles in den Süden geht?
Wenn es den nationalen Regierungen überlassen bleibt zu entscheiden, welche Regionen finanzielle Mittel erhalten, besteht die Gefahr, dass Schleswig-Holstein zu oft keine Rolle spielt. Als SSW sehen wir da auch ein Risiko, dass die Bedürfnisse und Herausforderungen der nationalen Minderheiten hier in Schleswig-Holstein auf Bundesebene schneller übersehen oder als weniger wichtig erachtet werden könnten.
Schaut man sich an, was die Menschen über die EU sagen, dann erkennt man schnell ein Muster. Die EU scheint viel zu weit weg. Sie wirkt kompliziert und bürokratisch. Und manch einer fragt sich, was die EU überhaupt für ihn macht.
Und anstatt dem entgegenzuwirken, gerade in Zeiten, wo immer mehr Rechte und euroskeptische Parteien an Einfluss gewinnen, zentralisiert die EU die Mittel, die wirklich nahe an den Menschen sind. Denn was die Agrar- und Regionalfonds von der EU bewirken können, sehen die Menschen direkt in der Region. Das ist der richtige Weg, um die Relevanz der EU zu verdeutlichen. Eine direkte Zusammenarbeit zwischen Regionen und der EU. Das jetzt abzuschaffen ist wirklich nicht zielführend.
Die Verhandlungen für den mehrjährigen Finanzrahmen beginnen nächstes Jahr. Wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag und die Landesregierung müssen die Bedeutung einer eigenständigen und bedarfsgerechten Förderung der Regionen sowohl auf Bundesebene als auch gegenüber der EU-Kommission deutlich machen. Wir brauchen starke europäische Regionen, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse unserer Regionen und Kommunen auch in Zukunft angemessen berücksichtigt werden. Die EU-Förderung muss dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt wird – bei den Menschen vor Ort.