Rede · Lars Harms · 24.11.2022 Weg vom Mistrauen hin zu einem Mit- und Füreinander
„Ein besonderes Anliegen wäre es uns, den Tenor des Gesetzes zu verändern. Weg vom Misstrauen hin zu einem Mit- und Füreinander.“
Lars Harms zu TOP 5 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Integrations- und Teilhabegesetzes für Schleswig-Holstein (Drs. 20/326)
Ich habe im Vorfeld etwas verwunderte Reaktionen auf diesen Antrag wahrnehmen können. „Ja, aber im Koalitionsvertrag steht doch schon, dass…“ oder „Die Regierung hat doch bereits angekündigt, evaluieren zu wollen, wie…“. Und darauf habe ich geantwortet: „Ja. Aber das reicht uns nicht.“. Das Integrations- und Teilhabegesetz soll, so steht es wörtlich im Koalitionsvertrag, durch eine interministerielle Arbeitsgruppe auf Ebene der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre weiterentwickelt werden. Das ist schön und gut, zeigt jedoch keine konkrete Richtung auf, in die die Koalition gehen möchte.
Wir als SSW waren von Anfang an nicht mit dem Integrations- und Teilhabegesetz zufrieden, zu dem Jamaika sich durchringen konnte. Denn es ist hinter sämtlichen Erwartungen zurückgeblieben, die in der Anhörung in der letzten Legislatur insbesondere von Menschen, die von den Maßnahmen betroffen wären oder diese vertreten, formuliert worden sind. Das Jamaika-Gesetz war ein Paradebeispiel dessen, was passiert, wenn regierende Parteien es nicht schaffen, zu einem gemeinsamen Ziel zusammenzufinden, sondern sich inhaltlich in ihren eigenen Widersprüchen auflösen. Wir wollen aber ein Integrations- und Teilhabegesetz für das Land, das Integrationsstrukturen wirklich stärkt.
Und diese Auseinandersetzung soll, wenn es nach uns geht, auch im Ausschuss und damit im Landtag stattfinden. Damit das nicht im luftleeren Raum geschieht, haben wir direkt schon mal einen Vorschlag mit eingebracht, anhand dessen wir uns über das Integrations- und Teilhabegesetz austauschen können. Mit dem, was – von unserer Seite aus – schon von Anfang an mit aufgenommen hätte werden sollen.
Ein besonderes Anliegen wäre es uns, den Tenor des Gesetzes zu verändern. Weg vom Misstrauen hin zu einem Mit- und Füreinander. Das sind zum einen ein paar sprachliche Veränderungen, die Respekt und Anerkennung ausdrücken. Oder auch auf so etwas wie gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Mädchen nicht nur zu „achten“, sondern diese auch zu gewährleisten.
Zum anderen aber auch ganz explizit der § 7. In der jetzigen Form steht hier noch, dass „alle Menschen“ das Grundgesetz und die Landesverfassung anzuerkennen haben. In unseren Augen stellt dies in diesem Zusammenhang eine Unterstellung dar, dass unsere geflüchteten und ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger das nicht tun würden. Wir wollen das heilen, indem einfach nur aufgenommen wird, dass ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die sich in Schleswig-Holstein niederlassen wollen, über das Grundgesetz und die Landesverfassung zu informieren sind.
Für wirkliche Integration braucht es einen bedarfsgerechten und kostenfreien Zugang zu Sprachkursen unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus. Es braucht eine Wertschätzung und Förderung der Fähigkeiten, die die Menschen schon mitbringen und damit auch eine Förderung der Herkunftssprachen. Das beinhaltet beispielsweise auch Unterricht in der Erstsprache an unseren Schulen.
Wo wir schon bei den Schulen sind – wir wollen endlich eine Ausweitung des Schulzugangs für volljährige Geflüchtete, indem wir ihnen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres ermöglichen, eine schulische Ausbildung an einer Berufsschule zu besuchen.
Gleichzeitig müssen wir endlich vereinfachte Möglichkeiten für Menschen bekommen, die ihren Schulabschluss aus dem Herkunftsland nicht nachweisen können. Ich weiß, das ist nicht einfach, aber ich setze doch Hoffnungen in das Bildungsministerium, hierfür funktionierende Regelungen zu finden. Gleiches gilt im Übrigen für die vereinfachte Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.
Für die Älteren fordern wir den Ausbau der Gesundheitsleistungen und psychotherapeutischen Angebote und Verbesserungen im Pflegebereich für Seniorinnen und Senioren mit Sprachbarrieren.
Ich möchte auch gerne einmal ein konkretes Beispiel anführen: Mit Verabschiedung des Integrations- und Teilhabegesetzes im Juli 2021 wurde unter anderem die Einrichtung eines Integrationsbeirates zur Unterstützung der Landesregierung in wesentlichen Fragen der Integrations- und Teilhabepolitik als beratendes Gremium beschlossen. Hat dieser Integrationsbeirat überhaupt schon einmal getagt? Nein. Hat er dementsprechend die Landesregierung beraten können? Nein. Der Integrationsbeirat muss also schnellstmöglich eingerichtet werden und wir brauchen dazu auch Integrationsbeauftragte auf kommunaler Ebene.
Uns als SSW ist es wichtig, dass wir ehrlich miteinander sind und auch gemeinsam mit den Interessenverbänden und migrantischen Selbstorganisationen bewerten, welche Aspekte des Gesetzes gut waren und welche nicht funktionieren.
Und deswegen wiederhole ich abschließend noch einmal mein Anliegen, nicht nur eine IMAG im stillen Kämmerlein ihre Schlüsse ziehen zu lassen, sondern in der parlamentarischen Öffentlichkeit zu untersuchen, wie man das bestehende Gesetz jetzt schon verbessern kann. Genau das ist das Anliegen, das mit unserem Gesetzentwurf verbunden ist.