Rede · 18.10.2001 Stammzellenforschung

Eigentlich haben wir uns vor kurzer Zeit schon einmal über das Thema Stammzellenforschung unterhalten. Dabei bestand in diesem Haus mehrheitlich die Ansicht, dass man den Entscheidungsprozess im Bundestag abwarten muss, dass man nichts über’s Knie brechen darf. Es entsteht nun doch sehr stark der bedauerliche Eindruck, dass es der FDP-Landtagsfraktion mit dem vorliegenden Antrag allein darum geht, sich als Partei der Modernität zu verkaufen - und damit gleichzeitig alle jene als verstaubte Ewiggestrige zu verdammen, die nicht ihre Meinung teilen. Der vorliegende Antrag trägt zur inhaltlichen Diskussion nichts neues bei, aber ich werde mich trotzdem um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vier Punkten bemühen:

1. „Die mögliche Heilung schwer kranker Menschen muss auch in Zukunft als Ziel mit hohem ethischen Wert staatliches Handeln bestimmen“, sollen wir beschließen. Richtig, kann man da nur sagen. Aber dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn man sich gegen die Forschung an embryonalen Stammzellen entscheidet. Sollte man zum Schluss kommen, dass das Lebensrecht von Embryonen genau so schwer wiegt wie die Bekämpfung schwerer Krankheiten, dann ist das auch legitim.

2. steht im Antrag: „Es ist zu gewährleisten, dass der Respekt vor Menschen mit geistigen, seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen in vollem Umfang erhalten bleibt.“ Auch hier können wir dem nur beipflichten. Das haben wir aber sicherlich auch alle schon in Zusammenhang mit der Bioethik-Konvention und mit der Präimplantationdiagnostik geäußert.

3. heißt es: „Der Ausstieg Deutschlands aus einem in vielen europäischen Staaten geförderten Forschungsbereich wie der Stammzellenforschung hätte unabsehbare negative Konsequenzen.“ Dazu nur soviel: Zum einen reden wir hier von der Abwägung verschiedener Interessen. Wenn der Bundestag wirklich zu dem Ergebnis kommt, dass die Forschung mit embryonalen Stammzellen nicht vertretbar ist, dann nicht weil man verantwortungslos ist, sondern weil die Folgen dieser Technologie als noch gravierender angesehen werden, als der von der FDP sogenannte „Ausstieg“ aus der Forschung mit embryonale Stammzellen. Zum anderen ist aber durchaus auch denkbar, dass die Antwort des Bundestages differenzierter ausfällt als die schlichte ja-oder-nein Denkweise des FDP-Antrages.

4. Als letzter Satz steht im Antrag: „Es bleibt daher als einzig sinnvolle, politisch und ethisch vertretbare Alternative die Forderung, Stammzellenforschung auch in Deutschland unter klar definierten Rahmenbedingungen zuzulassen, deren Einhaltung gewährleistet sein muss.“ Dieser Satz ist reiner Unsinn, denn es ist doch absurd im Umkehrschluss zu behaupten, es wäre schon ethisch unvertretbar wenn wir eine Technologie ablehnen, die es in anderen Teilen der Welt gibt. Wir könnten sicherlich auch mit der Forschung an modernsten Atomwaffentechnologien mehr Geld und Wissen an den Standort Deutschland holen, aber deshalb ist die Genehmigung hierfür auch nicht die „einzig sinnvolle, politisch und ethisch vertretbare Alternative“. Einmal ganz davon abgesehen, dass der Respekt vor dem Deutschen Bundestag und der Arbeit in der Enquetekommission eigentlich solche Anträge verhindern müsste.

Der SSW bleibt dabei: Es ist legitim, ethische Fragen wie den Schutz von ungeborenem Leben immer wieder neu zu verhandeln. Die Bedingung ist aber, dass diesem neuen Prozess der Konsensfindung auch genügend Zeit eingeräumt wird. Die Meinungsbildung darf nicht mit Argumenten totgeschlagen werden, wie „die Zeit läuft uns davon, das Ausland ist schneller“.

Wir haben ja schon über die Atomenergie gesprochen. Aus deren Geschichte müssten wir eigentlich lernen, dass man sich die Gedanken machen muss, bevor man eine neue Technologie einführt. Fehlentscheidungen sind menschlich. Aber gute Politik sollte zumindest danach trachten, die Wiederholung von Fehlern zu vermeiden. Das sollten wir nun auch beim wichtigen Thema Stammzellenforschung tun: Erst nachdenken, dann handeln.

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